Den „Verständigungsreigen“ 🙂 (vgl. zuvor schon Verständigung I: Gesamtpaket und „es muss alles auf den Tisch“ und Verständigung II: „Es muss alles auf den Tisch“, auch das „dilettantische Verhalten“ des Angeklagten) schließt dann der KG, Beschl. v. 27.09.2016 – (3) 121 Ss 132/16 (95/16) –, den mir der Kollege Türker aus Berlin übersandt hat. Der Angeklagte hatte da mit seiner Rüge Erfolg, dass im Rahmen der in der Berufungshauptverhandlung erzielten Verständigung mit dem Ergebnis der Berufungsbeschränkung eine Belehrung des Angeklagten gemäß § 257c Abs. 5 StPO unterblieben sei:
Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam mit der Folge, dass das Landgericht nur unvollständig über den Verfahrensgegenstand entschieden hat, weil es keine eigenen Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen hat (vgl. OLG Braunschweig NStZ 2016, 563, ff.).
Die Auslegung des Protokolls unter Hinzuziehung des Urteils belegt, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten eine Verfahrensabsprache dahingehend getroffen wurde, dass gegen den Angeklagten eine Geldstrafe unter neunzig Euro (richtig: neunzig Tagessätze — Anmerkung des Senats) verhängt wird, wenn dieser sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Zwar enthält das Protokoll nicht ausdrücklich eine Einverständniserklärung der weiteren Verfahrensbeteiligten mit dem im Protokoll enthaltenen Vorschlag des Gerichts. Diese kann jedoch aus den im Protokoll darauf folgenden Prozesshandlungen konkludent entnommen werden. Denn der Angeklagte hat nach Rücksprache und mit Zustimmung seines Verteidigers die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat erklärt, eine solche Verurteilung werde wahrscheinlich nicht angefochten und hat der Berufungsbeschränkung zugestimmt.
Im Berufungsverfahren kann dem Erfordernis eines Geständnisses auch die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch genügen (vgl. OLG Braunschweig NStZ 2016, 563 ff.; OLG Karlsruhe NStZ 2014, 536 f; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 257c Rdnr. 17b).
Wie sich aus dem Protokoll ergibt (§ 274 Satz 1 StPO), ist die nach § 257c Abs. 5 StPO vorgeschriebene Belehrung des Angeklagten über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach allen Alternativen des § 257c Abs. 4 StPO nicht erfolgt. Der Angeklagte hat auch auf eine entsprechende Belehrung nicht verzichtet.
Die Belehrung dient dem Schutz des Angeklagten, dem vor Augen gehalten werden soll, dass und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von der Strafrahmenzusage abweichen kann. Der Angeklagte soll durch diese Belehrung vor der Verständigung in die Lage versetzt werden, eine autonome Einschätzung des mit seiner Mitwirkung an der Verständigung verbundenen Risikos vorzunehmen (vgl. BVerfG NJW 2013, 1058 ff.; BGH StV 2011, 76 ff; OLG München StV 2014, 79 f; OLG Braunschweig NStZ 2016, 563 ff.; Bt-Drucks 16/12310, Seite .15).
Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens und zugleich die Autonomie des Angeklagten schützen (BVerfG a.a.O.). Denn dieser sieht sich durch die Aussicht, mit der Verständigung eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze zu erreichen und so Einfluss auf den Verfahrensgang zu nehmen, einer besonderen Anreiz- und Verlockungssituation ausgesetzt, die zu einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit führen kann.
Die Ursächlichkeit der fehlenden Belehrung für die Beschränkung der Berufung ist auch nicht ausnahmsweise auszuschließen. Diese erfolgte auf der Grundlage der Verständigung. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren. Die einzige weitere Verurteilung des Angeklagten beruht auf einem alsbald nach Erlass rechtskräftig gewordenen Strafbefehl.“