Man mag sie schon nicht mehr lesen, die Entscheidungen des BGH, in denen der BGH beanstandet, dass aus dem Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen worden sind. Die gibt es leider immer wieder und immer wieder zu anderen Varianten. Im BGH, Beschl. v. 17.02.2016 – 1 StR 582/15 – ist es dann mal wieder die Variante des „anfänglichen Schweigens“.
„Der Angeklagte hat erstmals in der Hauptverhandlung nach Einvernahme mehrerer ihn belastender Zeugen Angaben zur Sache gemacht. Bei der Würdigung seiner Einlassung hat das Landgericht ausgeführt, er könne nicht glaubhaft vermitteln, dass er auf anwaltlichen Rat und trotz seiner Eigenschaft, tatsächlich oder vermeintlich Falsches immer sofort zu korrigieren, über Monate zu dem – aus seiner Sicht – zu Unrecht gegen ihn erhobenen Tatvorwurf gänzlich geschwiegen hat.
Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen. Diesem steht es frei, ob er sich zur Sache einlässt (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 – 5 StR 515/65, BGHSt 20, 281, 282 ff.; Beschlüsse vom 7. Dezember 1983 – 3 StR 484/83, StV 1984, 143; vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666 f. und vom 13. Oktober 2015 – 3 StR 344/15).
Da der Angeklagte erstmals in der Hauptverhandlung überhaupt Angaben machte, liegt auch kein Fall eines – der Würdigung grundsätzlich zugänglichen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148) – teilweisen Schweigens vor, so dass der dargelegte Rechtsfehler auf die Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 1996 – 3 StR 248/96, NStZ 1997, 147).“
Aber:
„Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil allerdings nicht. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass das Landgericht dem prozessualen Verhalten des Angeklagten letztlich keine Bedeutung beigemessen hat, sondern seine Überzeugung auf die Vielzahl der gegen den Angeklagten sprechenden Beweismittel gestützt hat.“
Also kann man der Strafkammer nur sagen: Glück gehabt, dass der Fehler nicht zur Aufhebung geführt hat.
Vielleicht war die Kammer auch etwas angefressen und hat sich das etwas von der Seele geschrieben , dann aber bei der Beweiswürdigung doch noch ausreichend darauf geachtet, das Einlassungsverhalten nicht einfließen zu lassen. Ersteres wäre leicht unprofessionell.
Wie fidel es am LG Hof mit dem Angeklagten zuging (erster Prozess wegen Untreue, dabei diverese Kassiber und Aussageanweisungen aus der Haft heraus, und dann der Folgeprozess wegen des Auftrags zur Geiselnahme) kann man mit dem Suchbegriff NKD-Prozess ergoogeln.
Wie kommen Sie darauf, dass es sich um dieses Verfahren gehandelt hat?
@ RA: ?????
Ging in Richtung des Erstkommentars 😉
OK 🙂
Aber zum Thema, das ist der 1. Senat… Der hält bekanntermaßen nahezu alles.
@RA :
Lässt sich eigentlich mit kinderleichter Internetrecherche herausfinden, so alltägilich ist der Tatbestand nicht, der im BGH-Beschluss genannt ist und das Datum des Urteils aus Hof ist auch genannt.
Und der 1. Senat hält unter dem neuen Vorsitzenden deutlich nicht mehr alles, wenn Sie mal die Entscheidungen der letzten sagen wir 6 Monate ansehen. Abgesehen davon, dass das ein billiges Totschlagargument ist und Sie nicht aufzeigen, was denn jetzt falsch sein sollte an der Entscheidung.