Für die Tätigkeit eines Assessors gibt es kein Geld; wirklich?

FragezeichenManche Entscheidungen muss ich zweimal lesen, um sicher zu sein, dass ich verstanden habe, um was es geht, bzw., um sicher zu sein, dass das Gericht es auch so meint, wie es da steht. So ist es mir auch beim LG Trier, Urt. v. 09.09.2015 – 5 O 259/14 – ergangen. Bei dem habe ich mich sogar noch bei einem Kollegen abgesichert, ob meine erste Einschätzung des Urteils: Höchst bedenklich/unzutreffend, richtig ist.

In dem Verfahren ging es um die Klage eines Rechtsanwalts, der in seiner Kanzlei einen Assessor beschäftigt hat. Bei diesem handelte es sich um einen ehemaligen Rechtsanwalt, dem die Zulassung entzogen worden war. Die beklagte Mandantin hatte den Kläger mit der Vertretung in einem Scheidungsverfahren beauftragt. Dieses wurde zumindest teilweise durch den Assessor bearbeitet. Er führte die Gespräche mit der Beklagten, erarbeitete die Schriftsätze und unterschrieb einen. Der Kläger unterschrieb dagegen nur die restlichen Schriftsätze und trat in einer mündlichen Verhandlung auf. Der Kläger begehrte nun Zahlung des für die Tätigkeit fälligen Honorars. Das LG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Begründung – kurz – zusammengefasst: Der Vertrag über die anwaltliche Geschäftsbesorgung, den die Parteien geschlossen haben, sei nach §§ 134 BGB in Verbindung mit § 3 RDG nichtig. Nach § 3 RDG sei die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Eine solche gesetzliche Erlaubnis, die die Tätigkeit des Assessors in der Bearbeitung des streitgegenständlichen Mandats abdecken würde, existiere nicht. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es, den Rechtsverkehr vor Dienstleistern zu schützen, die die erforderlichen Mindestvoraussetzungen nicht erfüllen. Diese wiederum beschränken sich nicht auf die fachliche Eignung, die in der Person Assessors zweifellos gegeben ist. Der Begriff „selbständig“ ist deshalb nicht formal zu verstehen. Es komme nicht darauf an, ob der Leistungserbringer abhängig beschäftigt, also wie in dem hier zu entscheidenden Fall Arbeitnehmer ist. Es komme darauf an, wie die Tätigkeit des Leistungserbringers tatsächlich ausgeübt wird. Nach § 2 Abs. 1 RDG sei Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Selbständig würden die Rechtsdienstleistungen insbesondere dann erbracht, wenn diese rechtliche Prüfung die eigene geistige Leistung des Leistungserbringers ist, die im Einzelfall nicht von einer anderen Person angeleitet, überprüft, überwacht und verantwortet wird.

Na, da habe ich dann aber doch erhebliche Bedenken:

  1. Die Entscheidung steht für mich in Widerspruch zu § 5 RVG. Der sieht ausdrücklich vor, dass der Rechtsanwalt die Vergütung auch dann erhält, wenn ein bei ihm beschäftigter Assessor tätig wird. Auf dessen Selbständigkeit oder Abhängigkeit kommt es danach nicht an. Die Frage der Vergütung der Tätigkeiten eines Assessors, der in der Anwaltskanzlei tätig ist, war bis zum Inkrafttreten des RVG streitig und ist dann vom RVG in dem Sinne des § 5 RVG geregelt worden. Das würde unterlaufen, wenn dem nun das RDG entgegenstehen würde. Dieses hat zudem auch andere Fälle im Auge. Letztlich ist es in dem entschiedenen Fall auch immer noch die Leistung der Rechtsanwaltskanzlei, die von und für diese erbracht wird und für die diese auch haftet.
  2. Wäre die Auffassung des LG Trier zutreffend, müsste in der Praxis umgedacht werden. Die selbständige Tätigkeit eines Assessors wäre nicht mehr zulässig und müsste von einem Rechtsanwalt kontrolliert werden. Entsprechendes gilt für die anderen in § 5 RVG genannten Vertreter. Diese, insbesondere der Assessor, könnten/dürften z.B. nicht mehr an mündlichen Verhandlungen beim AG teilnehmen.
  3. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Dabei nimmt es mit keinem Wort dazu Stellung, warum die Beklagte nicht zumindest insoweit zur Zahlung verpflichtet ist/sein soll, wie der Rechtsanwalt – teilweise – selbst tätig geworden ist.
  4. Auch das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) scheint man in Trier nicht zu kennen.

Nun, vielleicht hören wir dazu ja demnächst was aus Koblenz. Oder übersehe ich was?

2 Gedanken zu „Für die Tätigkeit eines Assessors gibt es kein Geld; wirklich?

  1. Leser

    Das Gericht möchte halt über den Entzug der Zulassung hinaus ein vollständiges Berufsverbot durchsetzen. Dazu ist es als Zivilgericht in einer Gebührenstreitigkeit zwar nicht zuständig, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

    Natürlich kann man das Urteil über Berufung, wenn der BGH gerade gute Laune hat auch über Revision angreifen. Aber Kostenrisiko und Dauer der Rechtsmittelverfahrens gehen zu Lasten der Betroffenen.

  2. Frank Trieschmann

    Sehr geehrter Herr Burhoff,

    ich war bis September 2015 Berliner Anwalt und Notar und habe meine Zulassung dann vor dem Hintergrund schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse eigeninitiativ „zurückgegeben“. Während ein Assessorkollege in meinem Büro ständig Schwierigkeiten hatte und als dann nicht anwesend bei Amtsgerichtsterminen behandelt wurde, melde ich mich zu den Verfahren immer kurz vorher per Telefax und Eiltvermerk als Büromitarbeiter gem. § 81 ZPO an. Nur in einem Fall, wo ich bei einem Verkehrsgericht gemeinsam mit einem anwaltlichen Kollegen (ich selbst unangekündigt) auftrat, gab es ein Problem, weil die Richterin jenseits von entsprechenden ZPO-Kenntnissen meinte, für Assessoren gäbe es bei Gerichten „kein Bedürfnis“. Mein jährliche Gesamtauslastung dürfte bei ca. 500 Fällen pro Jahr liegen, wobei es nicht gerade wenige Prozeßmandate gibt. Auch das Berliner Arbeitsgericht bereitet keine Probleme. In der ersten Zeit habe ich statt eine beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes beizufügen, zwei Originale geschaffen, was nie beanstandet wurde. Inzwischen lasse ich mir, damit es keine Verzögerungen (aufgrund vermuteten Nachdenkens von Richtern) gibt, die Schriftsätze von anwaltlichen Kollegen des Büros unterschreiben. In Bezug auf mich ist es jedenfalls ständige Praxis der Berliner Amtsgerichte, als Assessor auftreten können.

    Gute Erfahrungen habe ich auch damit gemacht, bei den Landgerichten mit einem anwaltlichen Kollegen aufzutreten. Kammergerichtsverfahren waren eher selten, aber mit einem Kollegen auch problemlos.

    Bei Straf- und Bußgeldverfahren gibt es schon gar keine Probleme, obwohl ein Assessor theoretisch „Freigänger“ sein könnte.

    Es ist nur § 138 StPO zu beachten.

    Ich bin strafrechtlich völlig unvorbelastet und ob Strafrichter vor ihrer Genehmigung (selten auch per ausdrücklichem Beschluss mit vorheriger Zustimmung der Staatsanwaltschaft) Registerauszüge einsehen, sofern diese Möglichkeit bestehen sollte, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Mit freundlichen Grüßen aus Berlin,

    Trieschmann

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