Manche längst obergerichtlich entschiedene Fragen tauchen immer mal wieder auf. Das gilt auch für Haftfragen. Und da ist es das Problem/die Frage des zeitlichen Umfangs des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr. Wobei dann mich (immer wieder) erstaunt, dass manche Fragen dann offenbar bei den Amtsgerichten doch noch nicht angekommen sind. So auch in dem dem LG Braunschweig, Beschl. v. 05.03.2015 – 15 Ns 53/15 – zugrunde liegenden Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG. Das AG hatte gegen den Angeklagten am 15.12.2014 Untersuchungshaft angeordnet. Als Haftgrund wurde Verdunkelungsgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO angenommen, da Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Angeklagte – wie bereits in der Vergangenheit geschehen – unlauter auf die Zeugen S und B einwirken würde. Der Zeuge B hatte aber bereits zeitlich vor Erlass des Haftbefehls in einem Fortsetzungstermin in der Hauptverhandlung am 01.12.2014 Angaben zur Sache gemacht, die Gegenstand des Hauptverhandlungsprotokolls geworden sind. Der Zeuge S hatte in einem weiteren Fortsetzungstermin in der Hauptverhandlung am 15.12.2014 ebenfalls Angaben zur Sache gemacht.
Die Berufungskammer hat den Haftbefehl dann aufgehoben,
„da der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr besteht.
Ob der Angeklagte überhaupt wirksam auf die Zeugen B. und S. einwirken kann, erscheint bereits fraglich. Der Zeuge B. hat sich letztlich bislang unbeeindruckt gezeigt. Der Aufenthaltsort des Zeugen S. ist dem Angeklagten unbekannt. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr erfordert jedenfalls auch, dass die konkrete Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird. Daran fehlt es, wenn die Beweise so gesichert sind, dass ein Beschuldigter/Angeschuldigter/Angeklagter die Wahrheitsfindung grundsätzlich nicht mehr behindern kann. Bei der Gefahr der Einflussnahme auf Zeugen kann dies insbesondere dann angenommen werden, wenn – wie vorliegend – eine richterlich protokollierte Aussage des jedenfalls im Vernehmungszeitpunkt unbeeinflussten Zeugen vorliegt (LG Zweibrücken, StV 2002, 147; sehr ausführlich LG Hamburg StV 2000, 373). Das mag aus Gründen des Opferschutzes unbefriedigend erscheinen, der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr aber dient ausschließlich der Durchsetzung des Anspruchs auf vollständige Aufklärung der Tat (LG Zweibrücken, a.a.O.; zum Zweck der Untersuchungshaft gem. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., vor § 112, Rn. 4).„
Hätte man drauf kommen können, oder?