Da hat sich mal wieder der 2. Strafsenat des BGH zu Wort gemeldet und will in einer zivilrechtlichen Frage (!!) – ja, richtig gelesen – von der ständigen Rechtsprechung des BGH abweichen. Es geht um die Frage, welche Umstände bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sind. Die stellte sich in Zusammenhang mit zwei Adhäsionsverfahren in zwei Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs. Der 2. Strafsenat will – abweichend von Rechtsprechung der übrigen Zivil- und Strafsenate des BGH – bei der „Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB)“ weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers berücksichtigen. Deshalb hat er bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des BGH angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird (vgl. den Beschluss v. 08.10.2014 in 2 StR 137/14 u. 2 StR 337/14.
Die Begründung ist ziemlich umfangreich, aber lesenswert. Daraus nur kurz: Nach Auffassung des 2. Strafsenats darf es bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen. Das widersprechedem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch . Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers seien nicht zu berücksichtigen. Der Schmerzensgeldanspruch sei vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden. Schon dies spreche dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen dürfe.
Da darf man dann gespannt sein, was wir dazu dann demnächst aus Karlsruhe hören. Ggf. melden sich, wenn ich es richtig sehe, sogar die Vereinigten großen Senate des BGH. Und: Allmählich verliert man den Überblick, was der 2. Strafsenat alles an Anfrage hinsichtlich Rechtsprechungsänderungen losgelassen hat. Das war – ich hoffe – ich habe nichts übersehen: Die Anfrage zur Wahlfeststellung und die Anfrage zur qualifizierten Belehrung beim Zeugnisverweigerungsrecht. Und dann jetzt diese: Also ist genug zu tun für die Großen Senate in 2015.
Man sollte den negativen Zuständigkeitsstreit mit dem 4. Strafsenat nicht übersehen, bei dem der 2. Senat, soweit ich sehe, die Auffassung vertreten hat, der Geschäftsverreilungsplan des BGH in der Auslegung des 4. Senats – und das ist die naheliegende und vermutlich die, die gemeint ist – missachte das Recht auf den gesetzlichen Richter, weil die Abgabe einer Sache vom eigentlich unzuständigen an den zuständigen Senat zeitlich begrenzt sei und insbesondere nach Durchführung der Revisionshauptverhandlung nicht mehr in Frage komme (eine Regelung, die in GVPen weit verbreitet ist – mit Recht, soll die Wiederholung großer Teile eines Verfahrens nach Möglichkeit verhütet werden).
Bald hat Frau Limperg Überlastungsanzeigen der anderen vier Senate auf dem Tisch, weil sie mit der Beantwortung der zahlreichen Anfragen des 2. Senats nicht mehr fertig werden. 😉
Überlastungsanzeige!?
Gab es so etwas schon mal?
Was fällt einem dazu ein
„crisis what crisis“
Im September betitelten Sie die Kammermitglieder des 2. Strafsenats noch als „Unruhestifter“, nicht als „Rebellen“. – Beides ist völlig unangemessen, es gibt noch (viel zu wenige) Richter im Land wie z.B. Prof. Thomas Fischer.
Sorry, was ist denn jetzt schon wieder nicht richtig? Sehen Sie im Beitrag irgendwo Kritik? Das Rumgemäkele geht manchmal ganz schön auf den Keks. Trotzdem guten Rutsch – wahrscheinlich ist das aber auch wieder nicht richtig
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