Das Imperium schlägt zurück, oder: Quo vadis Verständigung?

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Eigentlich wollte ich zum Wochenabschluss einen anderen Beitrag bringen, aber die „aktuellen Ereignisse“ machen dann dieses Posting doch wohl erforderlich. Welche aktuellen Ereignisse? Nun, es geht um den Donnerschlag aus Karlsruhe zur Verständigung (§ 257c StPO) bzw. zur vorgeschalteten Mitteilungs-/Belehrungspflicht der Gerichts. Dazu hat das BVerfG in dieser Woche drei Beschlüsse veröffentlicht, die man schon als Donnerschlag bezeichnen kann und m.E. zu der Frage führen: Quo vadis Verständigung?

Es handelt sich um folgende Beschlüsse:

„Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung des Angeklagten im Rahmen einer Verständigung muss nicht nur vor seinem Geständnis, sondern bereits vor seiner Zustimmung zu der Verständigung erfolgen. Wird der Angeklagte erst nach seiner Zustimmung zu der Verständigung belehrt, beruhen sein Geständnis und das Strafurteil im Regelfall auf dieser Grundrechtsverletzung. Für eine anderweitige Beurteilung im Einzelfall muss das Revisionsgericht konkrete Feststellungen treffen.“  

„Im Strafverfahren hat das Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben. Auch eine Negativmitteilung, dass keine solchen Gespräche stattgefunden haben, ist erforderlich.“

Ich möchte hier nun gar nicht weiter auf die konkreten Inhalte der Beschlüsse eingehen. Das würde m.E. den Rahmen eines Blogbeitrags sprengen. Auf die inhaltlichen Fragen werden demnächst sicherlich viele Aufsätze in überall in Fachzeitschriften veröffentlicht werden; auch wir haben übrigens bereits für den StRR einen Beitrag des Kollegen Dr. Deutscher vorliegen, der in einem der nächsten Hefte erscheinen wird. Ich will mich hier nur auf einige kurze Randbemerkungen beschränken:

  • Mich erstaunt die Diktion des BVerfG. Da heißt es im VerfG, Beschl. v. 26.082.014 – 2 BvR 2400/13:

    „Nach diesen Maßstäben ist die Auslegung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, wie sie der Revisionsentscheidung zugrunde liegt, wonach eine Mitteilungspflicht gemäß dieser Vorschrift nicht bestehe, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben, unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich haltbar. Sie verstößt in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen den eindeutigen objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (BVerfGE 133, 168 ff.) herausgearbeitet wurde.“

So etwas habe ich bisher in einer Entscheidung des BVerfG zu einem BGH, Beschluss noch nicht gelesen. Das wird man beim 5. Strafsenat nun gar nicht gerne lesen. Aber auch der 2. Strafsenat wird es nicht gern lesen, bezieht sich doch die aufgehobene Entscheidungen des 5. Strafsenats auf den BGH, Beschl. v. 10.07.2014 – 2 StR 47/13  (vgl. dazu BVerfG ” einfachrechtlich nicht schlüssig” – BGH zur Mitteilungspflicht bei der Absprache) nicht. Da hatte der 2. Strafsenat ausgeführt: „Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, beim Fehlen von Vorgesprächen entfalle das Beruhen des Urteils auf dem Fehlen einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist daher einfachrechtlich nicht schlüssig, da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift in diesem Fall bereits kein Rechtsfehler vorliegt“. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das nun eine zumindest verbale Retourkutsche des BVerfG zu den Kollegen vom BGH ist – es trifft nur leider den falschen Senat. An den drei Entscheidungen des BVerfG war ja übrigens jeweils der Vater des BVerfG, Urt. v. 19.03.0213, RiBVerfG Landau, beteiligt.

  • Allen drei Entscheidungen des BVerfG ist m.E. deutlich anzumerken, dass das BVerfG strikt auf die Einhaltung der durch das BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 der Verständigung und dem Verständigungsverfahren vorgegebenen Regeln achtet und bei „Wegabweichungen“ böse wird 🙂 .
  • Wenn man es so liest und sich das Rechtsprechungsmarathon der letzten Zeit zur Verständigung vergegenwärtigt, fragt man sich manchmal schon, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, das BVerfG hätte im vorigen Jahr die Verständigungsregelungen für verfassungswidrig erklärt. Dann hätte der Gesetzgeber eine neue Regelung auf der Grundlage der BVerfG-Entscheidung finden könne/müssen und das Hin und Her hätte sich nicht fortgesetzt.
  • Eins ist m.E. zu erwarten: Der BGH wird gut daran tun, die Vorgaben/scharfen Worte aus dem Schloßbezirk zu beachten und nicht weiter versuchen, diese zu „umgehen“. Das bedeutet, dass er die Beruhensfrage in diesen Fällen wird noch einmal überdenken müssen. Das vor allem auch im Hinblick darauf, dass wir gerade erst einen Beitrag des Vorsitzenden des 2. Strafsenats bei HRRS haben lesen können: vgl. „Strafbarkeit beim Dealen mit dem Recht? Über Lausbuben- und Staatsstreiche“ -, in dem die Frage behandelt wird, wann sich Richter bei der Anwendung des Verständigungsgesetzes wegen Rechtsbeugung („elementarer Rechtsverstoß“) strafbar machen. Nach den BVerfG-Entscheidungen sicherlich von besonderer Brisanz.
  • Auch die Instanzgerichte werden auf der Grundlage gut daran tun, die Vorgaben des BVerfG zu beachten. Ich frage mich, ob die Entscheidungen nicht ggf. zu einem Rückgang bei den Verständigungen führen werden.
  • Und für mich selbst: Ich hatte in meinem Blogordner noch einige BGH-Entscheidungen zur Verständigung hängen, über die ich bei Gelegenheit berichten wollte. Die habe ich gelöscht. Sie und ihr Inhalt sind durch die o.a. BVerfG-Beschlüsse vom 25. und 26.08.2014 überrollt. Man wird das „Verständigungsrecht“ jetzt dann in „Davor/Danach“ einteilen müssen.

3 Gedanken zu „Das Imperium schlägt zurück, oder: Quo vadis Verständigung?

  1. Andreas Meyer

    Die Entscheidungen überraschen, zumal sich Herr Landau vor kurzem erst in einer Veröffentlichung sehr milde über die Umsetzung der Ursprungsentscheidung durch den BGH geäußert hatte…

  2. meine5cent

    Die Einschätzung, dass das BVerfG die Regelung am Besten ganz verwerfen hätte sollen bzw. der Gesetzgeber sein mit benannten und unbenannten notwendigen Protokollinhalten gespicktes Regelwerk, das voller Fallstricke ist, besser gelassen hätte , teile ich.
    Da wurde ein „gerade noch verfassungsgemäßes gesetzgeberisches Gesamtkonzept“ erfunden , bei dem jeder Verfahrensverstoß ungeachtet seiner tatsächlichen Auswirkungen sowohl zum neuen absoluten Revisionsgrund wird, als auch eine durchgreifende Grundrechtsverletzung wird, die zur Aufhebung von Urteilen zwingt.

    Dass ausgerechnet der Fischer-Senat bei der bekanntermaßen dealfeindlichen Haltung Fischers inzident auch noch mit rüden Worten geohrfeigt wird, ist ein Treppenwitz.

    Die ganze Deal-Rechtsprechung zum notwendigen Protokollinhalt zeigt auch ein offenbar tiefgreifendes Misstrauen gegen die Anwaltschaft. Denn dass der Anwalt, der bei der Verständigung mitgewirkt hat, seinen Mandanten nicht ausreichend informiert, schwingt bei diesen Entscheidungen ebenfalls mit.

    Die beiden BVerfG-Entscheidungen zur Negativmitteiling erscheinen mir auch etwas widersprüchlich.In einer Entscheidung wird angezweifelt, ob man überhaupt Vorgespräche zwischen StA und Verteidiger bekanntgeben müsste (bzw. das Nichtstattfinden?), in der anderen dann aber offenbar die mangelnde freibeweisliche Aufklärung dieses Punktes gerügt.

  3. Pingback: Ohrfeige für BGH - Auch Negativmitteilung ist notwendig

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