Der Kollege Nozar hat mir vor einigen Tagen den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.04.2014 – 1 Ws 53/14 – übersandt und dabei den Sachverhalt, der letztlich zum Beschluss geführt hat, kurz geschildert, und zwar wie folgt:
Der Kollege verteidigt einen Mandanten in einer Bedrohungssache. Das Verfahren ist gerichtlich anhängig. Der Mandant ruft ihn an und spricht mit ihm. Monate später ergeht gegen den Mandanten ein Haftbefehl wegen Verdacht der gefährlichen Körperverletzung, was nichts mit dem Mandat – Bedrohung zu tun hat. Der Kollege legt weitere (Haft)- Beschwerde ein und erhält nun den OLG, Beschluss, in dem er lesen muss:
Der Beschuldigte gehört dem sog. Rockermilieu an, in dem die besagte Tat sich ereignete. Die polizeiliche Analyse seines Mobiltelefons hat ergeben, dass er dieses entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten im Zeitraum vom ppppp. bis pppppp nicht nutzte und seine letzten telefonischen Kontakte zu seinem jetzigen Verteidiger und dem polizeilichen Erkenntnissen zufolge Präsident des pppppp bestanden, wobei festzuhalten ist, dass Hintergrund der Tat vom pppppp Differenzen zwischen dieser Rockervereinigung und dem pppp gewesen sein sollen (vgl. BI. 15 ff Register TKÜ). Dies lässt den Schluss zu, dass der Beschuldigte, dessen Telefonie auch ansonsten konspirativen Charakter hat, sich unmittelbar nach der Tat — evtl. auf anwaltlichen und „kollegialen“ Rat – in jeder Hinsicht ruhig verhalten wollte bzw. sollte, um seiner Ermittlung als möglicher Täter nicht Vorschub zu leisten.
Der Kollege ist über die Argumentation verwundert und fragt sich, ob es zulässig ist „diesen „Anrufkontakt“ mit dem Verteidiger überhaupt zu speichern bzw. zu verwerten ?“ Denn in dem Zeitpunkt bestand ja bereits ein Mandantsverhältnis aus der Bedrohungssache. Er hält dies für bedenklich, und zwar wegen des BGH, Beschl. v. 18.02.2014 – StB 8/13 (vgl. dazu Das abgehörte Anbahnungsgespräch – eine Entscheidung mit Folgen). Ich meine, er hat Recht. M.E. kann den „Telefonkontakt“ beim Rechtsanwalt/Verteidiger nicht als Indiz zu Lasten des Beschuldigten werten. Dem steht m.E. § 160a StPO entgegen.
Was mich wundert: Das OLG scheint die Problematik gar nicht gesehen zu haben. Jedenfalls findet man dazu nichts im Beschluss.
Ach so: Ich brauche keine Kommentare zur Frage, ob der Haftbefehl nicht auch ohne dieses „Indiz“ aufrechterhalten worden wäre. Darum geht es nicht.
Wenn man darauf abstellt, dass nur der Kommunikationsinhalt zwischen Verteidiger und Mandant geschützt sein soll und nicht der Umstand, dass überhaupt Kontakt aufgenommen wird, ist der OLG-Beschluss wohl vertretbar.
Es wäre ja auch verwertbar, wenn der Mandant observiert und beim Betreten und Verlassen der Anwaltskanzlei beobachtet worden wäre.
Ob sich die Verwertung nach 160a Abs. 1 S.4 richtet (weil in der Körperverletzungssache ja kein Mandat bestand, die Ermittlungsmaßnahme aber nicht gegen den Anwalt gerichtet war) oder nach 100a Abs. 4 wäre auch noch interessant. Dass überhaupt ein Telefonat mit dem Verteidiger geführt wurde, wäre ja selbst bei der dann erforderlichen Löschung etwaiger Aufzeichnungen aktenkundig zu machen (100a Abs. 4 S.4).
Ok, kann man alles diskutieren. Nur: Diskutieren sollte (muss [?]) man es. Das darf ich dann doch von einem OLG erwarten. Oder?
@schneidermeister
die differenzierung zwischen inhaltsdaten und verkehrsdaten kann man sicher so vertreten. allerdings spricht die generelle löschungspflicht in § 160a stpo m.e. eher dafür, dass sämtliche daten zu löschen sind und nicht gegen den mandanten verwendet werden dürfen:
„Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen.“