Der inhaftierte Angeklagte bezeichnete in einem Brief an seine Verlobte den Vorsitzenden der großen Strafkammer, bei der gegen ihn u.a. wegen Geiselnahme und Körperverletzung verhandelt wurde, als „Rassist“ sowie seinen früheren Verteidiger als „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“. Der Brief wird – zusammen mit einem anderen – von der Strafkammer im Rahmen der Briefkontrolle angehalten und beschlagnahmt, und zwar u.a. deshalb, weil er als Beweismittel in einem Verfahren wegen Beleidigung in Betracht kommen könnte. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die allerdings beim OLG Köln keinen Erfolg hatte. Der OLG Köln, Beschl. v. 25.04.2013 – 2 Ws 244/13 führt aus:
- Ohne Zweifel sei die Bezeichnung des Vorsitzenden als „Rassist“ sowie des früheren Verteidigers als „…“, „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“ grundsätzlich geeignet, den Straftatbestand der Beleidigung zu erfüllen, ebenso, wie die Behauptung, Vorsitzender und Verteidiger hätten in kollusivem Zusammenwirken aus verfahrensfremden Gründen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen, mittels Unterdrückung von Entlastungsbeweisen die rechtswidrige Verurteilung des Angeklagten betrieben, im Falle einer nicht geschützten Kundgabe gegenüber Dritten den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllen würde. Jedoch verkenne der Beschluss des LG, dass die vertrauliche Kommunikation in Briefen an einen Familienangehörigen oder eine Vertrauensperson – auch die freimütige Kundgabe des eigenen Urteils über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung – als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung dem Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG unterliegen (vgl. BVerfG, 1 BvR 1689/88; BVerfGE 90, 255, 260). Die Äußerungen des Angeklagten in den Briefen an seine Verlobte unterliegen nach Auffassung des OLG ungeachtet ihres Inhaltes dem Schutz der Privatsphäre. Dieser sei nicht allein dadurch aufgehoben worden, dass dem Angeklagten bewusst war, dass die Briefe kontrolliert wurden, denn die damit gegebene Einschränkung der Vertraulichkeit seines geschriebenen Wortes war ihm nicht zuzurechnen. …..
- Allerdings: Das OLG hat die Beschlagnahme dann nach § 119 Abs. 1 S. 7 StPO i. V. m. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO als gerechtfertigt angesehen. Der (weitere) Inhalt der Briefe begründe nämlich den dringenden Verdacht , dass der Angeklagte versuchte, in unlauterer Weise auf die Empfängerin, eine Zeugin einzuwirken, in dem er diese zu einer Falschaussage für den Fall einer erneuten Hauptverhandlung nach eventueller Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht oder im Haftprüfungsverfahren zu bestimmen suchte.
Der Angeklagte hat sich u.a. mit folgenden Formulierungen an die Zeugin gewandt:
„Und zwar, weil der B. dich als Zeugin manipuliert hat! Er hat dich am 28.01. angerufen und zu dir gesagt, dass du sofort zu ihm in die Kanzlei kommen sollst. … Vielleicht hat er dich sogar noch sexuell belästigt in seinem Büro?“
„Du hast zu mir gesagt, dass du deiner Mutter, im Vertrauen über Facebook geschrieben hast, dass es keine „Entführung“ gab! Dass du freiwillig mitgekommen bist, es somit keine Entführung gab! Du hast zu deiner Mutter weiterhin gesagt, dass du mich gleich aber aus Rache bei der Polizei falsch belasten willst! Deine Mutter hat dir davon abgeraten, … Als die Polizisten dich dann später vernommen haben, hast du mich dann doch aus Rache belastet!“
„Frag mal ob das geht, dass dein Vater sich hier offiziell hier als Besucher hier anmeldet, und dabei kommst du dann als Ersatz für ihn mit deiner Erlaubnis von der Staatsanwaltschaft!
Sag dass du wegen meiner „Ex“, nicht in der JVA offiziellen Besucher stehen willst! Ob das geht das dein Vater auf der Liste steht, du aber für ihn kommst!
Oder mach es einfach so!
Hol dir ne Erlaubnis, wenn du dann hier bist, sag mein Vater wollte mitkommen, ist aber krank!
So bekommt „Sie“ nix davon mit!“
„Du hast mich ja in deinem Brief gefragt, wie du mir helfen kannst!
So kannst du mir helfen:
Zu mir hast Du gesagt, dass du dich deiner Mutter anvertraut hast, indem du ihr erzählt hast, dass es keine Entführung war …“
Dürfte wohl passen…