Auch der BGH muss sich manchmal mit Erst- oder Zweitsemesterfragen befassen, wie z.B. der Frage, wann beim Diebstahl/Raub die Wegnahme vollendet ist, wenn es um kleine Gegenstände geht.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte von seinem Mitangeklagten Bo. nach einem zuvor verübten Raubüberfall erneut angesprochen worden. Der Mitangeklagte verlangte vom Angeklagten, noch einmal bei einem Überfall mitzuwirken. Auf der Fahrt (zum Tatort) forderte er ihn auf, dieses Mal auch mit in den Markt hinein zu gehen. Nach Ladenschluss passten Bo. und der Angeklagte mehrere Mitarbeiter eines REWE-Markts an der Tür des Personalausgangs ab und zwangen sie unter Vorhalt von Scheinwaffen, den Markt wieder zu betreten. Sie bedrohten die Mitarbeiter und schoben sie in den Tresorraum. Dort ließ sich aber nur der äußere Tresor mit dem Wechselgeld öffnen. Für den inneren Tresor, der mit dem Papiergeld befüllt war, hatten die Mitarbeiter des Marktes keinen Schlüssel. Bo. entnahm dem äußeren Tresor mehrere Gebinde mit jeweils zehn Rollen Cent-Münzen. Danach ergriff der Angeklagte die Flucht. Bo. folgte ihm und warf unterwegs, jetzt wieder eingedenk seines Vorhabens, keine Münzen mitzunehmen, das Rollengeld im Wert von insgesamt 80 Euro noch innerhalb des Marktes weg.
Das LG hat einen vollendeten Raub angenommen. Der BGH hat das im BGH, Beschl. v. 27.03.2013 – 2 StR 115/12 – bestätigt:
„Eine vollendete Wegnahme setzt voraus, dass fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Letzteres beurteilt sich danach, ob der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie ohne Behinderung durch den früheren Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Für die Frage der Sachherrschaft kommt es entscheidend auf die Anschauungen des täglichen Lebens an. Dabei macht es sowohl für die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers wie für die des Täters einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Weg-nahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen (BGH, Urteil vom 21. April 1970 – 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 255; BGH, Urteil vom 18. Fe-bruar 2010 – 3 StR 556/09, NStZ 2011, 158).Danach hatte Bo. noch in der fremden Gewahrsamssphäre eigenen Gewahrsam begründet, indem er die Münzrollen an sich genommen und zudem als scheinbar bewaffneter Täter, der mit Gewalt drohte, die Berechtigten vom Zugriff ausgeschlossen hat.“
Die Revision hatte (also) auch wegen anderer Fragen keinen Erfolg. Lediglich die Strafe hat der BGH wegen langer Dauer des Revisionsverfahrens – das landgerichtliche Urteil datiert vom 19.11.2011 (!!!) um einen Monat „reduziert“.
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