Ein wenig untergegangen ist in meinen Augen die Meldung, die vor einigen Tagen über die Ticker gelaufen ist, wonach die drei Verteidiger im NSU-Verfahren vor Betreten des Sitzungssaals jeweils auf Waffppen pp. durchsucht werden sollen (siehe hier die Beiträge bei Zeit.de und Focus.de). Nur der Kollege Hoenig hat darüber berichtet (vgl. hier: Waffenschmuggel nur durch Verteidiger).
In der Sache geht es darum, dass das die tägliche körperliche Durchsuchung angeordnet hat, damit keine Waffen und andere Gegenstände in den Gerichtssaal geschmuggelt werden. Damit kocht mit Sicherheit eine Diskussion wieder hoch, die schon Ende der 70-iger Jahre des vorigen Jahrhunderts geführt worden ist, und zwar in den damaligen Terroristen-Verfahren/RAF-Verfahren. Dazu hat es damals einige Entscheidungen des BVerfG gegeben. Die m.E. letzte zu der Problematik stammt aus dem Jahr 2006 (vgl. hier den BVerfG, Beschl. v. 05.01.2016 – 2 BvR 2/06). Und es wird sicherlich nicht die letzte sein. Denn m.E. wird das seine BVerfG Gelegenheit bekommen, seine Rechtsprechung zu dieser Frage zu überdenken und ggf. zu ändern. Denn, wenn ich die Verteidiger richtig einschätze, werden sie die Frage nicht auf sich beruhen lassen, sondern im Zweifel das BVerfG anrufen. Dafür spricht ihr Schreiben an den Vorsitzenden und der Vorwurf der „offenen Diskriminierung“.
Das BVerfG wird dann Gelegenheit haben und sie hoffentlich auch nutzen, erneut Stellung zu nehmen zu u.a. folgenden Fragen, die sich in diesen Fällen m.E. stellen:
- Wie konkret muss eigentlich der Anlass für eine solche „Sicherungsverfügung“ gegenüber den Verteidigen sein? Reicht eine allgemeine, letztlich nie ausschließbare Annahme, dass ggf. ein Anschlag verübt werden könnte oder müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen? Daran schließt sich dann natürlich die Frage an: Gibt es solche – „ernst zu nehmende polizeiliche Erkenntnisse“ – im NSU-Verfahren?
- Wie konkret müssen Anzeichen sein, dass ein solcher Anschlag pp. über den Verteidiger laufen könnte, in dem ggf. auf den Druck ausgeübt wird, sich daran zu beteiligen? Gibt es solche Anzeichen?
- Handelt es sich ggf. nicht doch um eine Diskriminierung der Verteidiger, wenn nur ihnen gegenüber die Durchsuchung angeordnet wird, nicht aber auch gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten, wie z.B. den Vertretern des GBA, den Nebenklägervertretern? Ist es wirklich ein tragfähiges Argument (so offenbar 2 BvR 2/06), darauf abzustellen, dass diese in dem „benutzen Sicherheitssaal des Oberlandesgerichts [nicht] in gleichem Maße Zugang zu den Angeklagten“ haben wie die Verteidiger?
- Entspricht die konkrete Anordnung den Vorgaben der Rechtsprechung des BVerfG (Darlegung konkreter Anhaltspunkte, konkrete Ausgestaltung der Maßnahme durch den Senat/den Vorsitzenden und nicht durch die Bediensteten)?
Im Übrigen: Ich glaube nicht, dass bei den Verteidigern, von denen mir zwei persönlich bekannt sind, die Gefahr des Einschmuggelns von Waffen besteht. Und wer die Kollegin Sturm in der vergangenen Woche bei „Hart, aber fair“ erlebt/gesehen hat, wird mir wahrscheinlich beipflichten.
Alles in allem: Man darf gespannt sein, was die Damen und Herren in den roten Roben dazu sagen werden. Wahrscheinlich hat man dort inzwischen ein „Sonderdezernat NSU“ eingerichtet.
Und: OLG Hamm: Keine Waffen im Gerichtssaal – Durchsuchung des Verteidigers
Nachtrag um 16.50: Inzwischen habe ich die „Sicherungsverfügung“ gelesen – ich wusste nicht, dass sie online stand :-(: Nach Ziffer 6 werden die Nebenklägvertreter pp. auch durchsucht. Dann haben wir aber immer noch die Ziffer 8:
„8. Die Mitglieder des Gerichts, die Vertreter der Bundesanwaltschaft, die Protokollführer und die dem Senat und der Bundesanwaltschaft zugeordneten Justizbediensteten, sowie die Amtshilfe leistenden Polizeibeamten und die zum Schutze gefährdeter Personen eingesetzten Polizeibeamten werden nicht durchsucht.
Das gilt auch für die von diesen Personen etwa mitgeführten Taschen und Behältnisse.“
Hallo, möglich und auch naheliegend ist, dass die kritisierte Anordnung (auch) zum Schutz der Verteidiger erfolgte. Auf diese könnte von Anhängern der NSU oder der Angeklagten Druck ausgübt werden, bestimmte verbotene Gegenstände mitzunehmen. Abgesehen davon meine ich, dass alle Beteiligten und Interessierten „den Ball flach halten“ sollten. Die Untersuchung ist keine Schmach. Wer sich davon zu sehr berührt fühlt, würde auch keine JVA betreten können. Die ganze Angelegenheit ist für die Justiz schon peinlich genug. Die Durchsuchung zu thematisieren, mag Teil der Verteidigungsstrategie sein. Oder ein Produkt der medialen Aufmerksamkeit. Es gibt ja noch nicht viel zu erzählen, da muss mal eine „aufregende“ Meldung her.
Muss man sich als Verteidiger alles gefallen lassen? Und warum kann kein Druck auf die Mitarbeiter beim GBA ausgeübt werden? Die muss man doch genauso schützen, oder? Das Argument des Schutzes des Verteidiger hat übrigens auch schon das BVerfG in 2 BvR 2/06 gebracht. Ist m.E. kein starkes Argument.
Die Kollegen Stahl, Sturm & Heer sind sicherlich die falschen Adressaten der Sicherungsverfügung, jesoch sollen unter den Anwälten der restlichen Angeklagten „Szeneverteidiger“ sein, so dass die Verfügung durchaus Sinn hat.
Ok, dann „retten“ wir die 🙂
auf „Wappen“ durchsucht? 🙂
ups, geändert. Danke. das altbekannte Phänomen: Man kann zig mal lesen und überliest solche Fehler dann doch.
Dass die Mitarbeiter des GBA vor dem Betreten des Justizgebäudes Kontakt zu „Szene“-Angehörigen, Verwandten o.ä, haben werden, dürfte anders als bei den Verteidigern, speziell denen aus Mannheim mit dem besonderen musikalischen Hintergrund nicht der Fall sein.
Bislang hat offenbar auch noch kein Staatsanwalt einem Angeklagten eine Waffe eingeschmuggelt oder z.B. bei einem „Info-System“ unterstützt, anders als zB im Fall Pinzner bzw, ein Herr Ströbele.
Dass die Nebenklagevertreter nicht durchsucht werden, könnte ein Schwachpunkt sein, falls man denn Anhaltspunkte für Racheaktionen haben sollte.
Der Schwerpunkt dürfte aber eher auf einer recht umfangreichen Sympathisantenszene der Angeklagten liegen, die bzw, deren „Umfeld“ eventuell über zahlreiche scharfe Schusswaffen und Sprengstoff (siehe Durchsuchung der Garagen, Nagelbombenanschlag von Köln) verfügt(e).
Und was ist mit dem immer reklamierten Druck, der auf die Verteidiger ausgeübt werden kann. Gilt das nicht auch für die Mitarbeiter des GBA?
Vielleicht hätten Sie auch die „Sicherungsverfügung“ einmal lesen sollen, bevor Sie sie öffentlich kritisieren.
Sie wüssten dann z.B., dass eine Diskriminierung der Verteidiger gegenüber Nebenklägern und Nebenklagevertretern schon deswegen nicht vorliegen kann, weil Nebenkläger und Nebenklagevertreter ausdrücklich ebenfalls durchsucht werden.
Ah, ein „Insider“. Ich hatte mich schon gewundert, dass Sie noch nicht kommentiert hatten. Wenn Sie die „Sicherungsverfügung“ haben – ich habe sie nicht und auch nur die allgemein zugänglichen Infos – dann stellen Sie sie doch ins Netz.
http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/oberlandesgerichte/muenchen/sicherheitsverf_gung_vom_04_03_2013_mit_angef_gter_sitzungsliste_in_dem_strafverfahren_gegen_beate_z__u_a___nsu_.pdf
OK, danke. Das wusste ich nicht. Damit ist die Frage der Nebenkläger geklärt. Aber: Warum die Ziffer 8? Wenn die Anordnungen gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten ggf. auch mit deren Schutz begründet werden (können) (vgl. 2 BvR 2/06), dann stellt sich die Frage: Muss ich die in Ziffer 8 genannten nicht auch schützen und/oder kann auf die nicht auch Druck ausgeübt werden.
Dafür muss man kein „Insider“ sein (und ich bin es auch nicht). Die Sicherungsverfügung steht einfach schon seit 6 Wochen im Netz und ist seitdem auch schon von vielen Bloggern u.ä. verlinkt worden.
Ich erinnere daran, dass die Verteidigerin des St. Pauli-Killers Pinzner anno 1986 eine Waffe ins Polizeipräsidium geschmuggelt hatte und der Killer dann dort ein Blutbad anrichtete. Das hätte ihr vorher wohl auch niemand zugetraut, und es geschah trotzdem. An der Durchsuchungsanordnung gibt es meines Erachtens überhaupt nichts zu beanstanden.
Das BVerfG hat über diesen Fall schon einmal entschieden (http://dejure.org/2006,35810):
Der letzte Satz ist ein m.E. windelweich, weil das BVerfG vornehm unerörtert läßt, welches denn die vertretbaren Gründe sind.
vielleicht wird es ja dann dieses mal was mit der Begründung