Was/wieviel muss der Richter im Rahmen der Briefkontrolle lesen? Mit der Frage beschätigt sich jetzt ein Beschluss des OLG Celle vom 14.08.2009 – 1 ws 404/09. Der U-Haft-Gefangene hatte ein Schriftstück von 217 Seiten unter dem Titel „Kriminal-Familiendramatik pur auf 217 Seiten“ versenden wollen. Das ist nicht genehmigt worden. Begründung: Es handelt sich um einen Roman und nicht um einen Gedankenaustausch zur Aufrechterhaltung von Beziehungen. Erlaubt worden bzw. als zulässig angesehen worden ist aber ein Schriftwechsel im Ausmaß von zehn Seiten pro Tag. Dessen Kontrolle sei noch mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich. Sorry, aber irgendwie kann ich es nachvollziehen. 217 Seiten sind wirklich ein „Roman“. Und: In der Kürze liegt die Würze.
„zulässig angesehen worden ist aber ein Schriftwechsel im Ausmaß von zehn Seiten pro Tag“ – Dann hätte er seinen Roman doch einfach in 22 Kapitel aufteilen sollen, eins pro Tag. 😉
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Und wenn es nun ein Roman wäre!
Ich habe meine Schwierigkeiten, die inhaltliche Überwachung der vom U-gefangenen verfassten Schriftstücke als einen mit der Verfassung zu vereinbarenden Grundrechtseingriff anzusehen. Meist ist es Ermittlungstätigkeit unter dem Vorwand der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Haftanstalt. Im Übrigen eine augenscheinliche Ungleichbehandlung mit dem Beschuldigten, der auf freiem Fuß ist. Beispiel: Ein Beschuldigter kann durch Kaution die Fluchtgefahr beseitigen, dem Mitbeschuldigten fehlt hierzu das Geld. Ersterer kann schreiben, was und wem er will, auch über die Sache, beim zweiten wird alles mitgelesen, wegen Fluchtgefahr!!
Im Übrigen wäre bei dieser Rechtsprechung in früheren Zeiten so manches unveröffentlicht geblieben: Casanova, Cervantes, de Sade, Verlaine, Bonhoeffer, Gramsci, Toller haben im Knast geschrieben. Unvertretbarer Verwaltungsaufwand! Sorry, kann ich nicht nachvollziehen.