Und dann heute „Pflichti“-Entscheidungen.
Ich eröffne den Reigen mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.12.2024 – 203 StRR 591/24, den ich gestern am „Verwerfungstag“ ja bereits vorgestellt habe. Der Beschluss passt aber heute auch noch einmal, weil das BayObLG nämlich in dem Beschluss auch zu der Rüge des Angeklagten Stellung genommen hat, mit der geltend gemacht worden ist, es habe eine prozessordnungsgemäße Vertretung vorgelegen. Das hat das BayObLG anders gesehen:
„Die Verfahrensrüge, die Strafkammer habe mit der Verwerfung der Berufung die prozessordnungsgemäße Vertretung des Angeklagten durch den Pflichtverteidiger verkannt, ist jedenfalls unbegründet. Um an Stelle des Angeklagten im Verfahren Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen, bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des Angeklagten, dass der Verteidiger befugt sein soll, über die Verteidigerrechte hinaus rechtswirksam Verfahrensbefugnisse für ihn wahrzunehmen (Becker in: Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 234 Rn. 1; Eschelbach in BeckOK StPO, 53. Ed. 1.10.2024, StPO § 329 Rn. 32). Demgemäß bestimmt § 329 Abs. 1 S. 1 StPO das Erfordernis des Nachweises einer besonderen Vertretungsvollmacht, soll ein Verteidiger den Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung vertreten. Die Pflichtverteidigerbestellung als solche genügt nicht (Quentin in MüKoStPO, 2. Aufl. 2024, StPO § 329 Rn. 26; OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2013 – 32 Ss 29/13 –, juris Rn. 13 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 –, juris Rn. 12 und 13). Eine vormals im Rahmen des Wahlmandats erteilte Vertretungsvollmacht endet in entsprechender Anwendung von § 168 BGB (vgl. BayObLG, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 202 StRR 94/20 –, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 3 StR 386/21 –, BGHSt 67, 250 ff., juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 –, juris Rn. 12). Will der Angeklagte sich von dem nunmehrigen Pflichtverteidiger in der Berufungshauptverhandlung vertreten lassen, muss er diesem nach der Pflichtverteidigerbestellung eine neue Vollmacht erteilen (BayObLG a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 8. November 2022 – III-1 RVs 116/22 –, juris Rn. 9 m.w.N.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 24. Juni 2021 – 2 Ws 52/21 –, juris Rn. 13 zu § 145a StPO; OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2013 – 32 Ss 29/13 –, juris Rn. 13; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 –, juris Rn. 13). Die Erteilung einer Vollmacht nach der Bestellung des Pflichtverteidigers behauptet auch die Revision nicht.“