Klima I: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, oder: Ankleben an einen Reisebus

entnommen wikimedia commons Author Jan Hagelskamp1

Im ersten „Kessel Buntes“ des Jahres 2025 köcheln zwei Entscheidungen zum Klimakleben und zu „Klimaklebern“. Die Thematik hat uns ja in in der vergangenen Zeit reichlich beschäftigt, inzwischen ist die Thematik ein wenig abgeklungen, aber die Gerichte sind – wie man sieht – immer noch mit der Nachbereitung befasst.

Dazu hier zunächst den KG, Beschl. v. 14.11.2024 – 3 ORs 65/24 – 161 SRs 104/24.  Das AG hatte die Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt. Ihre Berufung hiergegen hat das LG Berlin mit der Maßgabe verworfen, dass die Höhe der Tagessätze auf 15 EUR herabgesetzt und der Angeklagten Ratenzahlung gewährt wird.

„Dem Urteil des LG liegen die folgenden Feststellungen zugrunde (Fehler im Original):

„Am 20.04.2023 fanden verschiedene Aktionen der Gruppe [Anm. des Senats: „Letzte Generation“] statt.

Die Angeklagte und drei weitere Personen begaben sich zum M-Hotel in Berlin-Tiergarten, um einen Reisebus zu blockieren, welcher dort übernachtende Teilnehmer der Tagung „Familienunternehmertage“ des Verbandes „DIE FAMILIENUNTERNEHMER“ mit einer vorgesehenen Abfahrtszeit um 8:00 Uhr zu der Tagung bringen sollte. Hierzu wollten die Aktivisten sich an dem Bus ankleben und ihn so an der Abfahrt hindern. Sie wollten hierdurch auf ihre Ziele aufmerksam machen. Das Ziel ihrer Aktion wählten die Aktivisten aus, weil es sich aus ihrer Sicht bei dem Verband um eine Lobbyistenvereinigung handelte, welche für die von ihnen als schädlich angesehenen Strukturen stand.

Auf dem vor dem M.-Hotel liegenden I-Platz stand der entsprechende Reisebus des Unternehmens „P-GmbH“ mit dem Kennzeichen B. Durchgangsverkehr wurde durch die Warteposition des Busses nicht beeinträchtigt.

Gegen 07:50 Uhr klebte die Angeklagte mit Sekundenkleber die Innenfläche ihrer linken Hand und die Finger an die rechte Rückleuchte des Reisebusses. Die Fläche, über die eine Verbindung Hand und Bus entstand, erstreckte sich über den Großteil der Handinnenfläche; weiterhin waren alle fünf Finger mit einem oder mehreren Fingergliedern mit dem Bus verbunden.

Drei weitere Aktivisten klebten ihre Hände zeitgleich auf die gleiche Weise an anderen Stellen des Busses an. Ein fünfter Aktivist wurde von dem Busfahrer von dem Bus weggezogen, bevor der Sekundenkleber trocknen konnte. Er setzte sich anschließend vor dem Bus auf den Boden.

Die Angeklagte und ein neben ihr stehender Aktivist hielten ein Banner mit einem Herz und dem Text „ART. 20A GG = LEBEN SCHÜZEN“.

Die Bewegungsfreiheit des Busses war damit – planmäßig – faktisch aufgehoben, da ein Bewegen des Busses nur noch unter Inkaufnahme schwerer Verletzungen der angeklebten Personen (und je nach Fahrtrichtung der vor dem Bus sitzenden Person) möglich gewesen wäre. Die Teilnehmer der Veranstaltung „Familienunternehmertage“ begaben sich mit anderen Verkehrsmitteln (etwa Taxen) zum Veranstaltungsort.

Der Angeklagten und den übrigen Aktivisten war beim Ankleben bewusst, dass es eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit im weiteren Verlaufs sein würde, dass die Polizei hinzugerufen werden würde, um die Bewegungsfreiheit des Busses wieder herzustellen, dass die Polizei hierzu auf eine rechtmäßige Weise, die Aktivisten von Ort und Stelle verweisen könnte, und dass die Polizei, würden die Aktivisten der Wegweisung keine Folge leisten, diese sodann nötigenfalls wegtragen würde.

Der Angeklagten und den übrigen Aktivisten war es beim Ankleben weiterhin bewusst und sie setzen es zielgerichtet ein, dass ab dem Trocknen des Sekundenklebers sich ihre Hände nur noch ablösen lassen würden entweder durch kraftvolles Abreißen unter Inkaufnahme von Verletzungen an der jeweils angeklebten Hand oder aber, wenn man solche Verletzungen vermeiden wollte, durch ein vorsichtiges und zeitaufwändiges Hin- und Herbewegen der Hand, gegebenenfalls unterstützt von Hilfsmitteln wie Öl. Sie gingen davon aus, dass beliebige, nicht näher bestimmte Dritte – wie der Busfahrer, Fahrgäste, Hotelmitarbeiter oder andere Personen, aber eben auch hinzugerufene Polizisten versuchen würden, sie von dem Bus zu entfernen, um dessen Bewegungsfreiheit wiederherzustellen. Sie rechneten weiterhin damit, dass jedenfalls Polizeibeamte sie nicht gewaltsam vom Bus abreißen würden.

Ziel des Anklebens war unter anderem – unter den vorbeschriebenen Prämissen für polizeiliches Handeln – die Umsetzung der als möglichen und wahrscheinlich angesehenen polizeilichen Anordnung, sich zu entfernen, welche die Polizei ohne Ankleben durch ein einfaches Wegtragen hätte durchsetzen können, zu erschweren. Die Polizeibeamten sollten in eine zeitaufwändige Ablöseprozedur gezwungen werden, die Blockade sollte hierdurch verlängert werden und die Aufmerksamkeit für die Ziele sollte durch die damit einhergehende nachhaltigere Störung vergrößert werden.

Tatsächlich rief der Busfahrer die Polizei zur Hilfe.

Zunächst traf ein Streifenwagen des Polizeiabschnitts A28 der Polizei Berlin ein. Gegen 08:11 Uhr kamen hinzugerufene Kräfte des 2. Zuges der 31. Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin vor Ort an und übernahmen die weiteren Maßnahmen.

Der Einsatzleiter PHK K kam zu der Einschätzung, dass die Aktion Versammlungscharakter habe und stufte sie als Versammlung im Sinne des VerfG Bln ein. Er erkundigte sich nach einem Versammlungsleiter, ihm wurde aber kein solcher benannt.

Sodann tätigte PK M um 08:34, um 08:40 und um 08:52 Uhr drei – polizeiintern standardisiert und den Beamten als schriftlicher Mustertext zur Verfügung stehenden – Verfügungsdurchsagen durch, mit denen die Versammlung als unerlaubte Versammlung eingestuft und auf die gegenüberliegende Seite verlegt wurde, sodann, als die Angeklagten und die übrigen Aktivisten keine Anstalten machten, sich selbständig abzulösen und auf die andere Straßenseite zu begeben, Zwangsmittel angedroht und schließlich die Auflösung der Versammlung nach § 14 Abs. 1 VerFG Bln angeordnet wurde.

Sodann setzten die Polizeibeamten die Auflösung durch.

Hierzu lösten sie in der Zeit von 08:52 bis 09:17 die Angeklagte und die drei anderen angeklebten Aktivisten durch Einpinseln der Ränder der Kontaktflächen zwischen Händen und Bus mit Speiseöl und durch vorsichtiges Hin- und Herbewegen der Hände ab. Es ist nicht auszuschließen gewesen, dass Polizeibeamte in Erwartung des weiteren Ablaufes auch schon vor Erlass der Verfügung, mit welcher die Versammlung letztlich aufgelöst wurde, Öl auf die angeklebten Hände der Aktivisten gaben.

Konkret das Ablösen der Angeklagten wurde POM S in der Zeit von 09:05 Uhr bis 09:17 Uhr durchgeführt.

Nach dem Ablösen begaben sich die Angeklagte und die weiteren Aktivisten freiwillig vom Ort weg bzw. stellten sich den polizeilichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen.“

Mit ihrer Revision hat die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Sie beanstandet insbesondere die Würdigung der Strafkammer, wonach es sich bei dem Ankleben an den Reisebus um Widerstand mit Gewalt i.S.d. § 113 Abs. 1 StGB handelt sowie die Annahme einer rechtmäßigen Diensthandlung durch die Polizeibeamten, § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB.

Die Revision hatte beim KG keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu dem KG-Beschluss:

1. Für das Tatbestandsmerkmal „bei der Vornahme einer Diensthandlung“ reicht es aus, dass der Täter die Kraft schon vor Beginn der Diensthandlung entfaltet, sofern diese – vom Täter auch so gewünscht – das spätere polizeiliche Tätigwerden deutlich erschwert.

2. Entscheidend für die Bewertung der Widerstandshandlung als „mit Gewalt“ ist die Intensität der Kraftentfaltung durch das materielle Zwangsmittel und damit zusammenhängend die Kraft, die aufgewandt werden muss, um diese zu überwinden.

3. Die gezielte Beeinträchtigung privaten Eigentums, die sich nicht als zwangsläufige Folge einer Demonstration ergibt, sondern deren maßgeblicher Bestandteil ist, ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit i.S.d. des Versammlungsgesetzes bzw. Versammlungsfreiheitsgesetzes Berlin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert