Und als dritte Entscheidung dann noch etwas vom BayObLG. Der BayObLG, Beschl. v. 31.07.2023 – 102 AR 128/23 e – ist zwar im Zivilverfahren in Zusammenhang mit einem Zuständigkeitsstreit ergangen. Er behandelt aber eine Zustellungsfrage, die auch im OWi-Verfahren von Bedeutung sein kann – ich sage doch: Die OWi-Lage ist mau 😉 . Es geht nämlich um die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung dazu führt das BayObLG aus:
„Die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ergeben sich aus § 180 ZPO. Gemäß § 180 Satz 1 ZPO kann, wenn der Zustellungsadressat in seiner Wohnung nicht angetroffen wird und die Ersatzzustellung durch Übergabe in der Wohnung an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht ausführbar ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt, § 180 Satz 2 ZPO. Gemäß § 180 Satz 3 ZPO hat der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung zu vermerken. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass gesetzliche Regelungen über das Zustellungsverfahren verletzt worden wären.
Die über den Zustellungsvorgang zu erstellende Urkunde dient lediglich dem Nachweis der Zustellung, § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2023, VIII ZR 99/22, NJW-RR 2023, 766 Rn. 20). Ihr notwendiger Inhalt ergibt sich aus § 182 Abs. 2 ZPO. Anders als die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften im Sinne von § 189 Alt. 2 ZPO, etwa der in § 180 Satz 3 ZPO statuierten Verpflichtung (vgl. BGH NJWRR 2023, 766 Rn. 18), führen Fehler oder Lücken in der Zustellungsurkunde nicht ohne Weiteres zu einer Unwirksamkeit der Zustellung, die nur durch tatsächlichen Zugang gemäß § 189 ZPO geheilt werden könnte. Allenfalls bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Mangels kann die Unwirksamkeit der Zustellung in Betracht kommen (vgl. Vogt-Beheim in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, § 182 Rn. 21; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 187 Rn. 7; Eyink, MDR 2008, 1255 [1257]; noch zu § 191 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung: BGH, Urt. v. 29. Juni 1989, III ZR 92/87, NJW 1990, 176 [juris Rn. 13]; OLG München, Beschl. v. 11. Dezember 2001, 21 W 2569/01, MDR 2002, 414 [juris Rn. 7 ff.]). Sonstige Mängel wirken sich lediglich auf die Beweiskraft der Urkunde aus, § 419 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Juli 2018, XII ZB 138/18, NJW 2018, 2802 Rn. 5 und 8; Urt. v. 19. Juli 2007, I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218 Rn. 26; Dörndorfer in BeckOK ZPO, 49. Ed. Stand 1. Juli 2023, § 182 Rn. 14; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 182 Rn. 1 und 3; Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 182 Rn. 3 und 19; Siebert in Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 182 Rn. 13; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 182 Rn. 17; BT-Drucks. 14/4554 S. 15 [re. Sp.], 22 [re. Sp.]). Ob fehlende, unklare oder unstimmige Angaben die Beweiskraft der Zustellungsurkunde mindern oder sogar aufheben, ist nach freier Überzeugung (§ 286 Abs. 1 ZPO) zu beurteilen. Gegebenenfalls bedarf es ergänzender Beweismittel (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 182 Rn. 17).
Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat die Zustellungsurkunde die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 418 ZPO. Sie erstreckt sich auf sämtliche in der Urkunde bezeugten Tatsachen, mithin auf Zustellungsart, -zeit und -ort sowie bei Ersatzzustellung darauf, dass der Zusteller unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme des Schriftstücks in Betracht kommende Person angetroffen und er das Schriftstück in den Briefkasten oder eine entsprechende Einrichtung eingelegt hat (Schultzky in Zöller, ZPO, § 182 Rn. 14 m. w. N.). Einschränkungen der Beweiskraft ergeben sich aus widersprüchlichen oder unklaren Angaben in einer ansonsten formal ordnungsgemäßen Zustellungsurkunde (Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 182 Rn. 15).
Die vorliegende Urkunde enthält insofern eine Unstimmigkeit, als in ihr die Zustellanschrift und dementsprechend der Ort der Zustellung, § 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO, mit „A. G., 9xxxx München“ angegeben sind. Dass die Bezeichnung des Zustellorts mit „München“ eine auf einem Schreibversehen beruhende Unrichtigkeit ist, ergibt sich ohne weiteres aus der Kombination mit der Postleitzahl „9xxxx“. Diese Postleitzahl ist nicht München, sondern E. zugeordnet. Hinzu kommt, dass es eine Straße „A. G.“ in München nicht gibt, sehr wohl aber in E. Der Ort des beurkundeten Zustellungsvorgangs kann der Urkunde trotz des darin enthaltenen Fehlers ohne verbleibende Restzweifel durch Auslegung entnommen werden. Die Wirksamkeit der Zustellung wird durch die fehlerbehaftete Ortsangabe in der Urkunde nicht berührt.“