Und dann zum Schluss noch der BGH, Beschl. v. 08.02.2023 – 6 StR 516/22 – der – noch einmal zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in den Fällen Stellung nimmt, in denen der Verurteilung eine Wahllichtbildvorlage zugrunde liegt.
Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen räuberischer Erpressung verurteilt. Dagegen die Revision, die Erfolg hatte:
„1. Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung im Fall II.1 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf gestützt, dass die Nebenklägerin ihn bei einer Wahllichtbildvorlage und erneut in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Den hieraus folgenden besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16, NStZ-RR 2017, 90 f.) ist es nicht gerecht geworden.
Den Urteilsgründen kann schon nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale die Nebenklägerin den Angeklagten als einen der Täter erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283; vom 17. Februar 2016 – 4 StR 412/15, StV 2018, 791). Hierzu bestand umso mehr Veranlassung, als die Strafkammer ausgeführt hat, dass bei Betrachtung der nach Angaben der Nebenklägerin gefertigten Phantombilder optische Abweichungen zum Angeklagten aufgefallen seien und es kleinere Unstimmigkeiten bei der Zuordnung der Beschreibungsmerkmale gegeben habe.
Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer der subjektiven Gewissheit der Nebenklägerin beim Wiedererkennen („sehr eindeutig“, „mit großer Überzeugung“, „keinerlei Zweifel“) ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 2 StR 480/16; vom 3. März 2021 – 2 StR 11/21, StV 2021, 792). Daran fehlt es.
Darüber hinaus wird nicht erörtert, warum der Nebenklägerin ein Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung möglich war, obwohl dieser eine Mund-Nasen-Bedeckung trug und seit dem Geschehen mehr als fünf Jahre vergangen sind. Diesbezüglich wird zudem nicht deutlich, ob sich die Strafkammer des geringeren Beweiswerts des wiederholten Erkennens in der Hauptverhandlung bewusst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16, aaO; vom 22. November 2017 – 4 StR 468/17)…..“
Der Angeklagte wird irgendwie immer wiedererkannt, selbst wenn er es nicht war. Ich durfte es 2 mal erleben, dass der Angeklagte sicher wiedererkannt wurde und sich später durch Geständnisse der wahren Täter das Gegenteil heraus stellte. Einmal sogar, dass das Opfer den wahren Täter nicht einmal wiedererkannte, sondern darauf beharrte der Angeklagte sei es gewesen, obwohl dieser nicht am Tatort gewesen sein konnte.
Es hilft m.E. nur eine zeitnahe Gegenüberstellung, alles andere ist fehlerträchtig.