Heute dann mal wieder ein Tag mit drei StPO-Entscheidungen, zweimal LG, einmal AG.
Ich beginne mit dem LG Berlin, Beschl. v. 17.01.2023 – 520 Qs 3/23 – zum Erlass eines Haftbefehls nach § 230 StPO gegen einen Ausländer, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Das AG hatte Haftbefehl erlassen, das LG hat aufgehoben. Das LG entscheidet eine alt bekannte Problematik, die das AG aber offenbar nicht gekannt hat 🙂 :
„Die zulässige Beschwerde gegen den Haftbefehl des Amtsgericht Tiergarten vom 5. Januar 2023 ist auch begründet.
Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist; ein Umstand, dem auch das Amtsgericht-Rechnung getragen hat, indem ein Dolmetscher für die Hauptverhandlung geladen worden ist. In solchen Fällen muss die nach § 216 Abs. 1 StPO vorgesehene Warnung, dass im Falle des unentschuldigten Ausbleibens die Verhaftung oder Vorführung des Angeklagten erfolgen werde, in einer ihm verständlichen Sprache beige-fügt. werden. Eine solche Übersetzung ist wegen des mit einer Verhaftung oder einer Vorführung verbundenen erheblichen Eingriffs erforderlich (vgl. zum Ganzen KG, Beschluss vom 9. Oktober 2020.— 4 Ws 80/20 m. w, N:). Dass hier eine solche Übersetzung beigefügt worden ist, lässt sich der Akte nicht entnehmen und liegt auch angesichts des Inhalts der Nichtabhilfeentscheidung fern. Das Fehlen der erforderlichen Übersetzung macht zwar die Ladung nicht unwirksam, führt aber dazu, dass von den Zwangsmitteln des § 230 Abs. 2 StPO kein Gebrauch gemacht werden darf (vgl. KG, a. a. O., m. w. N.).
Zwar ist der Erlass eines Haftbefehls auch ohne die in § 216 Abs. 1 StPO vorgeschriebene Warnung möglich, wenn die Voraussetzungen nach §§ 112, 113 StPO vorliegen (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., §.216 Rn. 4); diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.“