Bringen zwei Hafttermine zwei Terminsgebühren?, oder: Das AG macht es günstig, aber leider falsch

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Heute dann RVG, und zwar nur Entscheidungen zur Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG. Die Vorschrift spielt ja in der Praxis vor allem in Haftsachen eine erhebliche Rolle.

Ich beginne mit dem AG Leipzig, Beschl. v. 10.02.2023 – ER 10 282 Gs 5006/22. Die Entscheidung ist zwar für den Kollegen Zünbül, der sie mir geschickt hat, erfreulich, weil für ihn günstig, aber die Entscheidung ist falsch. Und darüber gibt es nichts zu diskutieren.

In dem Verfahren wegen versuchten Totschlags ist der Kollege dem Beschuldigten, der sich ab dem 29.10.2022 nicht auf freien Fuß befunden hat, am 30.10.2022 als Pflichtverteidiger  beigeordnet worden. Der Kollege hat dann als Pflichtverteidiger an zwei Haftterminen am 30.10.2022 und am 11.11.2022 teilgenommen. Für diese Teilnahmen hat er zwei Vernehmungsterminsgebühren abgerechnet, die vom Kostenbeamten nicht festgesetzt worden sind. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers hat das AG die beiden Terminsgebühren jedoch festgesetzt:

„Der Festsetzung liegt der Kostenantrag des Verteidigers vom 06.01.2023 zugrunde. Entgegen der Ansicht des Kostenbeamten und der Bezirksrevisorin geht das Gericht davon aus, dass vorliegend, wie vom Verteidiger beantragt worden sind, 2 Termingebühren für die Termine vom 30.10.2022 und 11.11.2022 entstanden sind. Zwar sieht VV 4102 vor, dass der Verteidiger für die ersten 3 Termine aus diesem Katalog die Gebühr nur einmal erhält. Vorliegend greift dies jedoch nicht durch, denn die Termine betreffen einmal eine Haftvorführung und einmal eine Haftprüfung. Die Termine haben unterschiedliche Rechtsgrundlagen, §§ 128, 114a, 115 StPO bzw. 117 ff StPO und sind vorliegend vor unterschiedlichen Richtern erfolgt, namentlich am 30.10.2022 vor dem Bereitschaftsrichter am Amtsgericht Leipzig, am 11.11.2022 vor dem Unterzeichner. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Zusammenlegung der Gebühren für die mündliche Haftprüfung und die Haftvorführung schon deswegen nicht angezeigt sind, da die Verfahrenssituation jeweils eine andere ist, mithin ein anderer Verfahrensabschnitt vorliegt, der den Gebührentatbestand neu entstehen lässt. Bei der Haftvorführung hat der Beschuldigte und auch sein Verteidiger in der Regel keinerlei Akteneinsicht und vorliegend nur beschränkte Möglichkeiten, sich gegen den Vorwurf im Haftbefehlsantrag zu verteidigen. Aus diesem Grunde ist die Möglichkeit der Möglichkeit der mündlichen Haftprüfung geschaffen worden. Die erfolgt in der Regel nach Akteneinsicht und nach entsprechender Festlegung einer Verteidigungsstrategie zwischen Verteidiger und Beschuldigten. Dies gewährleistet das grund-gesetzlich vorgesehene faire Verfahren. Insoweit ist es auch notwendig die Leistungen des Verteidigers entsprechend abzugelten.“

Wie gesagt: Falsch, aber so richtig, wenn man davon ausgeht, dass die beiden Termine beide (noch) im vorbereitenden Verfahren stattgefunden haben, wofür einiges spricht. Entgegen der Ansicht des AG greift dann nämlich die Beschränkung der Vernehmungsterminsgebühr aus Anm. Satz 2 zur Nr. 4102 VV RVG (eingehend zur Vernehmungstermisgebühr Nr. 4102 VV RVG Burhoff AGS 2022, 241). Nach dieser Anmerkung entsteht die (Vernehmungs)Terminsgebühr im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen nur einmal. Diese Beschränkung auf eine Terminsgebühr Nr. 4102 VV RVG/vorbereitendes Verfahren für jeweils drei Termine ist völlig unabhängig davon, ob und welche Rechtsgrundlagen die Termine hatten, bei welchem Richter sie stattgefunden haben und ob die Verfahrenssituation eine andere ist. Entscheidend ist allein, dass es sich um bis zu drei Termine aus dem Katalog des Nr. 4102 VV RVG gehandelt hat. Was das AG hier entschieden hat, ist daher nichts anderes als „gerichtliche Rechtsschöpfung“ gewesen. Zwar ist der vom AG angeführte Zwecke für seine Entscheidung nicht von der Hand zu weisen. Der hat jedoch im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Denn leider ist ja der gemeinsame Vorschlag von DAV und BRAK zum Wegfall der Beschränkung in S. 2 der Anmerkung zur Nr. 4102 VV RVG (vgl. dazu Hansens RVGreport 2018, 202, 204) vom KostRÄG 2021 nicht umgesetzt worden.

Also wieder mal das AG als Gesetzgeber.

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