Im zweiten Posting dann etwas zur Revisionshauptverhandlung (beim BGH), nämlich die Frage der Teilnahme des (inhaftierten) Angeklagten. Dazu hat der BGH noch einmal im BGH, Beschl. v. 13.12.2022 – 1 StR 284/22 – Stellung genommen.
Der Angeklagte ist wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Dagegen seine Revision und die der StA. Die Revision der StA ist auf den Strafausspruch beschränkt worden. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts; insoweit wird insbesondere geltend gemacht, das LG habe das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu Unrecht verneint und rechtsfehlerhaft von der Milderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht. Die Revisionshauptverhandlung ist auf den 24.01.2023 anberaumt.
Der sich in in der Sache in U-Haft befindende Angeklagte hat beantragt, an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können. Der BGH hält die Vorführung des Angeklagten zum Termin nicht für geboten:
„Die Revisionshauptverhandlung ist gemäß § 337 StPO auf die rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils beschränkt. Eine eigene Sachentscheidung des Senats entsprechend § 354 Abs. 1 StPO kommt nach Aktenlage nicht in Betracht. Besondere in der Person des Angeklagten liegende Umstände, die eine Vorführung angezeigt erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung der Bedeutung des Falles für den Angeklagten erfordert weder das Gebot der Waffengleichheit noch das Recht auf effektive Verteidigung seine Vorführung, da die Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung anwesend sein werden. Das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung gemäß Art. 8 der Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren wird durch die der innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinie dienende, dieser Entscheidung zugrunde gelegte Bestimmung des § 350 StPO gewahrt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2019 – 1 StR 113/19 Rn. 2 mwN und vom 28. Mai 2020 – 3 StR 77/20; vgl. BT-Drucks. 19/4467, Seite 9 ff., 22 ff.).“