In der zweiten Entscheidung, dem LG Amberg, Beschl. v. 19.01.2022 – 11 Qs 3/22 – geht es um eine verfahrensrechtliche Frage.
Gegen die Betroffene war bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche anhängig. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft transportierte die Betroffene am 24.07.2020 auf ihrem Weg von Bulgarien nach Belgien auf der Bundesautobahn A 6 als Insassin eines PKW 1.900 EUR und 9.900 EUR Bargeld, das mutmaßlich aus Straftaten stammt, um es andernorts wieder dem legalen Geldkreislauf zuzuführen. Ihr Begleiter führte 9.090 EUR Bargeld mit sich. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft wurde aber das Ermittlungsverfahren gegen die Betroffene gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Erkenntnisse zu einer legalen Herkunft des Geldes konnten jedoch auch nicht gewonnen werden.
Mit Antragsschrift vom 15.03.2021 beantragte die Staatsanwaltschaft sodann., das selbstständige Einziehungsverfahren zu eröffnen und die Einziehung der 1.900 EUR Bargeld und der 9.900 EUR Bargeld durch Beschluss anzuordnen. Die Betroffene beantragte mit Schriftsatz die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins. Das AG hat dann mit Beschluss vom 10.08.2021 den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15.03.2021 auf selbstständige Einziehung zur Hauptverhandlung zugelassen und gegen die Betroffene als Einziehungsbeteiligte das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht eröffnet. Ein Termin zur Hauptverhandlung wurde für den 11.10.2021 anberaumt. Mit Verfügung vom 06.10.2021 hob das AG den Termin wegen Verhinderung eines Zeugen auf. Mit Beschluss vom 29.11.2021 hat das AG dann die Einziehung des sichergestellten Bargeldes in Höhe von 1.900 EUR und 9.900 EUr angeordnet. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte:
„Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft nach §§ 311 Abs. 1, 436 Abs. 2, 434 Abs. 2 StPO und fristgerecht eingelegt, § 311 Abs. 2 StPO.
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Dem Beschluss vom 29.11.2021 liegt ein Verfahrensmangel zugrunde. Das Amtsgericht hätte über den Antrag der Staatsanwaltschaft im selbstständigen Einziehungsverfahren nicht durch Beschluss entscheiden dürfen, sondern gemäß §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 3 S. 1 StPO nach mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden müssen. Denn die Einziehungsbeteiligte hat mit Schriftsätzen ihres Verteidigers vom 23.03.2021 und 22.06.2021 jeweils einen zulässigen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt.
Ein Einziehungsbeteiligter ist auch nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung im Hinblick auf das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 zur Stellung eines Antrags auf Durchführung der mündlichen Verhandlung berechtigt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf einen solchen Antrag hin ist obligatorisch.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Aufhebung des § 441 StPO a.F. und die neue Verfahrensregelung durch einen Verweis in § 436 Abs. 2 StPO auf eine entsprechende Anwendung des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht dazu führen, dass der Einziehungsbeteiligte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr durch Antrag erzwingen kann. Dies ergibt sich aus der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Darin heißt es zum Entwurf des § 436 StPO: „Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit, die Entscheidungsform und das Rechtsmittel für das selbständige Einziehungsverfahren. Sie entspricht insoweit dem bisherigen § 441 StPO.“ (BT-Drs. 18/9525, S. 92). Auch in der hier entsprechend anwendbaren, unmittelbar nur für das Nachverfahren geltenden Vorschrift des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO hat der Reformgesetzgeber nicht ‚bewusst‘ den Begriff „Antragsteller“ statt „Beteiligter“ gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, dass nur der jeweilige Antragsteller, der das Verfahren einleitet, eine mündliche Verhandlung erzwingen können soll. Denn in der Gesetzesbegründung zu § 434 StPO-E heißt es ebenfalls, dass diese Vorschrift im Hinblick auf die Entscheidungsform dem bisherigen § 441 StPO entspreche (BT-Drs. 18/9525, S. 91). § 441 Abs. 1 StPO a.F. sah aber auch für das Nachverfahren eine obligatorische mündliche Verhandlung nach Antrag der StA oder eines sonstigen „Beteiligten“ vor.
Ein dem Antragsrecht des Einziehungsbeteiligten entgegenstehender Wille des Reformgesetzgebers kann auch nicht dem Wortlaut des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO entnommen werden, weil die Verweisungsvorschrift des § 436 Abs. 2 StPO diese Regelung nicht für unmittelbar, sondern lediglich für entsprechend anwendbar erklärt. Darüber hinaus sprechen die systematische Auslegung der genannten Vorschriften sowie deren ratio legis ebenfalls für ein eigenes Antragsrecht. Denn auch in dem dem selbständigen Einziehungsverfahren vergleichbaren Verfahren nach Abtrennung der Einziehung (§§ 422, 423 StPO) hat jeder, „gegen den sich die Einziehung richtet“ (§ 423 Abs. 4 Satz 2 StPO), also jeder Einziehungsadressat einschließlich des Angeklagten im rechtskräftig abgeschlossenen Hauptverfahren, das Recht, durch seinen Antrag eine mündliche Verhandlung zu erzwingen. Weder aus den Gesetzesmaterialien noch sonst ist ein sachlicher Grund ersichtlich, dass und warum man einem ehemals beschuldigten Einziehungsadressaten, dessen Schuld gegebenenfalls sogar im Rahmen einer vorangehenden mündlichen Verhandlung festgestellt worden ist, im Verfahren der Einziehung nach Abtrennung ein eigenes Recht auf Erzwingung einer mündlichen Verhandlung einräumen sollte, dem ehemals beschuldigten Einziehungsadressaten im selbständigen Einziehungsverfahren aber nicht, obwohl dieser möglicherweise gar nicht Gelegenheit hatte, sich in einer vorangegangenen mündlichen Verhandlung gegen den der Einziehung zugrundeliegenden Tatvorwurf zu verteidigen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 27. September 2019 – 2 Ws 212/19, NZWiSt 2019, 436).
Damit besteht nach wie vor ein Recht des Einziehungsbeteiligten auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf seinen Antrag hin (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 436 Rn. 10; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung/Schmidt, 8. Auflage 2019, § 436 Rn. 9; Münchener Kommentar zur StPO/Scheinfeld/Langlitz, 1. Auflage 2019, § 436 Rn. 11).
Die Kammer verweist die Sache an das Amtsgericht zurück, weil sie den Verfahrensmangel (Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung und unterbliebene Entscheidung durch Urteil) nicht selbst beheben kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Auflage 2020, § 309 Rn. 8).“