Einziehung I: „Etwas erlangt“ bei mehreren Beteiligten, oder: kein „transistorischer“ Zugriff

Zur Wochenmitte stelle ich heute einige Entscheidungen aus dem Recht der Einziehung (§§ 73 ff. StGB) vor. Allerdings kommen die nicht vom BGH, der seit der Reform des Rechts der Einziehung in sehr vielen Entscheidungen zur Einziehung Stellung genommen hat. Man könnte damit gut einen „Einziehungsblog“ speisen 🙂 . Ich finde aber die Entscheidungen der Instanzgerichte genauso interessant. Heute kommen dann also drei.

Zunächst stelle ich den OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.08.2022 – 1 OLG 53 Ss 52/22 – vor. Das AG hatte den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Amtsanmaßung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 12.000,00 EUR angeordnet. Nach den Feststellungen des AG hatte der Angeklagte am 09.02.2021 entsprechend zuvor mit seinen Mittätern gefasstem Tatplan das von der Geschädigten I.W. erbeutete Bargeld im Wert von 10.000,00 € und die EC-Karte samt PIN von einem Mittäter entgegengenommen. Im Folgenden hatte er, ebenfalls auf der Grundlage gemeinsam mit seinen Mittätern gefassten Tatplans, in zwei Tranchen insgesamt 2.000,00 EUR vom Konto der Geschädigten abgehoben und einen Teil der Beute – jeweils 1.500,00 EUR – bei der … Bank und bei M. eingezahlt, um das Geld dem Zugriff der Geschädigten und der Strafverfolgungsbehörden dauerhaft zu entziehen. Am 15. Februar 2021 hatte sich der Angeklagte zu der Geschädigten H.A. begeben, die ihm als vermeintlichem Polizeibeamten ihr Bargeld im Wert von 1.600,00 EURsowie ihre EC-Karte samt PIN übergeben hatte. Beim Verlassen des Wohnhauses der Geschädigten war der Angeklagte festgenommen worden.

Das LG hat auf die Berufung unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten. Zudem ordnete es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von nur 3.000,00 EUR an. Dagegen u.a. die Revision der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte:

„1. Die gemäß § 333 StPO statthafte und entsprechend §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Neuruppin hat in der Sache Erfolg.

a) Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel wirksam auf die vom Landgericht getroffene Einziehungsentscheidung beschränkt. Nach der Trennbarkeitsformel ist die Beschränkung nur möglich, wenn sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (BGH NJW 2020, 253; BGHSt 62, 155; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, zu § 344 Rz. 7, zu § 318, Rz. 6). Gemessen hieran, ist die Beschränkung der Revision auf die Einziehungsentscheidung wirksam, denn ein Widerspruch zwischen der Entscheidung des Senats und dem rechtskräftigen Teil des Berufungsurteils ist nicht zu besorgen.

b) Die Entscheidung des Landgerichts, gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes des Erlangten lediglich in Höhe von 3.000,00 € anzuordnen, kann keinen Bestand haben. Der Angeklagte hat dadurch, dass er das von der Zeugin W… am 09. Februar 2021 erbeutete Bargeld im Wert von 10.000,00 € von seinem Mittäter erhielt und vermittels von diesem an ihn weitergegebener EC-Karte und PIN der Geschädigten weitere 2.000,00 € in zwei Tranchen von deren Konto abhob, vielmehr 12.000,00 € aus der Tat erlangt. Dieser Betrag unterliegt gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1 StGB der Einziehung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist ein Vermögenswert im Rechtssinne durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass dieser hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (BGH, Urteil vom 15. Juli 2020, 2 StR 46/20, Rz. 14.; Urteil vom 05. Juni 2019, 5 StR 670/18, Rz. 7; vom 24. Mai 2018, 5 StR 623/17 und 624/17, Rz. 8; Urteil vom 28. Oktober 2010, 4 StR 215/10, Rz. 19; vom 30. Mai 2008, 1 StR 166/07, Rz. 92; sämtlich zitiert nach Juris vgl. auch Fischer, StGB, 69. Auflage, zu § 73, Rz. 26). Bei mehreren Beteiligten genügt es insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen können. Faktische Mitverfügungsgewalt kann aber – jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter – auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (BGH, Urteil vom 05. Juni 2019, 5 StR 670/18, Rz. 7; Urteil vom 18. Juli 2018, 5 StR 645/17, Rz. 7; zitiert nach Juris). Unerheblich ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene Mitverfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabfluss bei der Beuteteilung gemindert wurde (BGH, Urteil vom 15. Juli 2020, 2 StR 46/20, Rz. 14; Urteil vom 05. Juni 2019, 5 StR 670/18, Rz. 8; Urteil vom 07. Juni 2018, 4 StR 63/18, Rz. 12; sämtlich zitiert nach Juris).

Gemessen hieran, hat der Angeklagte 12.000,00 € aus der zum Nachteil der Zeugin W… begangenen Tat zu 1) erlangt. Diese hatte einem anderen Bandenmitglied 10.000,00 € Bargeld übergeben, die der Angeklagte absprachegemäß im Folgenden ebenso in Empfang nahm wie die EC-Karte der Geschädigten samt PIN. Mit Hilfe der EC-Karte und unter Verwendung der PIN hob der Angeklagte in zwei Tranchen noch am selben Tag und am Folgetag jeweils 1.000,00 € vom Konto der Geschädigten ab. In Absprache mit seinen Mittätern hatte er damit den Betrag von insgesamt 12.000,00 € inne und übte die Verfügungsgewalt hierüber aus. Dabei handelte es sich nicht lediglich um einen kurzfristigen, gelegentlich der Tatausführung erfolgten, sogenannten „transitorischen“ Zugriff, bei dem der Angeklagte den Besitz nur für andere ausübte oder die Beute nur als Bote weiterleitete (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Juli 2020, 2 StR 46/20, Rz. 16; Urteil vom 13. September 2018, 4 StR 174/18, Rz. 22; Urteil vom 07. Juni 2018, 4 StR 63/18, Rz. 12; Juris). Denn zwischen dem Angeklagten und seinen Mittätern bestand eine Absprache dahin, dass er den Betrag entsprechend vereinbarter Beuteaufteilung teils für sich und teils für diese verwenden sollte. Hierauf fußend, wollte der Angeklagte das von ihm in Händen gehaltene Geld für sich und seine Mittäter verwenden. Damit übte er den Besitz an dem Geld nicht nur für seine Mittäter aus, sondern hatte von ihm beanspruchte Verfügungsmacht inne. In Ausübung dieser zahlte er im Folgenden 3.000,00 € bei der … Bank und bei M… in bar ein, um es von dort aus auf ein türkisches Konto zu transferieren. Der Angeklagte hatte sonach im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses vorübergehend ungehinderten Zugriff auf das erbeutete Geld. Darauf, dass und in welchem Umfang er diese Verfügungsgewalt später wieder aufgab, kommt es gemäß obigen Ausführungen nicht an.

Auf Grundlage der Urteilsfeststellungen kann der Senat die Höhe des einzuziehenden Wertes der Taterträge des vom Angeklagten Erlangten entsprechend § 354 Abs. 1 StPO mit 12.000,00 € selbst festsetzen. In dieser Höhe haftet der Angeklagte mit den weiteren Mittätern als Gesamtschuldner.“

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