Archiv für den Monat: Juli 2022

Sonntagswitz, zum Finale noch einmal Fußballwitze

© Teamarbeit – Fotolia.com

Heute läuft dann das Finale der Frauen-Fussball-EM. Danach ist es denn vollbracht. (Für mich): Gott sei Dank 🙂 . Aber vielen wird es gefallen 🙂 . Daher hier noch einmal Fußballwitze, und zwar:

„Und ihr Fachgebiet ist Fußball?“, fragt der Showmaster.

„Ja“, antwortet der Kandidat.

„Bravo, da habe ich eine Frage für sie. Wie viele Maschen hat ein Tornetz?“


Der Mannschaftsarzt zum Thema Doping im Fußball:

„Doping im Fußball bringt nichts. Das Zeug muss in die Spieler!“


Paul hat sich beim Fußball spielen den Fuß gebrochen. Nach ca. 4 Wochen meldet er sich beim Chef wieder zurück.

„Ja, wie geht’s denn, Paul, ist der Fuß wieder in Ordnung?“

„Alles in bester Ordnung, Chef!“ strahlt Paul.

„Ich kann jetzt besser gehen als je zuvor!“

„Das freut mich für dich. Was dir jetzt noch fehlt, ist eine anständige Gehirnerschütterung!“


An einer Bushaltestelle steht ein Fußballspieler und wartet auf den nächsten Bus. Um sich seine Zeit zu vertreiben übt er Dribbelschritte.

Eine ältere Frau kommt auf ihn zu, fasst ihn bei der Hand und sagt: „Junger Mann, bleiben Sie ganz ruhig, ich zeige Ihnen, wo die Toilette ist.“

Wochenspiegel für die 30. KW., das war Corona, Tausch, Mindestlohn, Homeoffice und richterliche Schandtat

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Die 30. KW. läuft heute ab. D.h.; Es ist Zeit für den Wochenspiegel. Und in dem weise ich dann heute hin auf folgende Beiträge:

  1. Gehalt trotz Reise in Corona-Hochrisikogebiet
  2. OLG Karlsruhe: Strafgefangene haben keinen Anspruch auf Zugang zum Internet in der Justizvollzugsanstalt,
  3. Aussetzung des Zivilprozesses zum Schutz des strafprozessualen Schweigerechts?
  4. Tauschhandel mit dem Tiergartenmörder?,
  5. „Warum steht das Schild da?“ – Geblitzte dürfen Antwort auf diese Frage einfordern,
  6. VG Stuttgart: Anonymisierte Gerichtsentscheidung darf veröffentlicht werden, auch wenn Prozesspartei leicht identifizierbar ,

  7. BGH: Vorausgegangener Vortrag kann als Bestreiten nachfolgender Behauptungen der Gegenseite zu werten sein,
  8. Der neue Mindestlohn und „450-Euro-Jobs“ – was sollten Unternehmen beachten?,

  9. Homeoffice, Telearbeit oder mobile Arbeit? – eine Abgrenzung,

  10. und aus meinem Blog: StGB III: Die “schikanöse Schandtat” des Richters, oder: “der Richter hat sich an meinem Guthaben vergriffen.”

Übergehen des wesentlichen Kerns des Vorbringens, oder: Rechtliches Gehör im Zivilverfahren

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Bei der zweiten Entscsheidung am heutigen Samstag handelt es sich um den VerfGH NRW, Beschl. v. 21.06.2022 – VerfGH 104/21.VB-2. Der ist im „Nachgang“ zu einem Verfahren ergangen, das beim AG Wuppertal anhängig war.

Geklagt worden war dort nach einen Verkehrsunfall. Die Haftung des Unfallgegners des Klägers war dem Grunde nach unstreitig. Ein vom Kläger eingeschalteter Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass für die Reparatur des an seinem PkW entstandenen Unfallschadens voraussichtlich Kosten in Höhe von 2.156,97 EUR brutto anfallen. Der Sachverständige zählte für den Fall der Reparatur in der vom Beschwerdeführer ausgewählten Markenwerkstatt eine Verbringungskostenpauschale von 150 EUR netto beziehungsweise 178,50 EUR brutto zu den notwendigen Reparaturkosten. Dazu hieß es im Gutachten: „Die vorstehend genannte Markenwerkstatt verbringt die Fahrzeuge in eine Lackiererei. Hierbei fallen Verbringungskosten an.“

Der Kläger erteilte der Werkstatt einen Reparaturauftrag. Diese berechnete ihre Leistungen mit insgesamt 2.237,46 EUR, wovon 150 EUR netto beziehungsweise 178,50 EUR brutto auf eine „Pauschale Verbringungskosten“ entfielen. Die vom Kläger zum Ausgleich der Reparaturkostenrechnung aufgeforderte Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners beglich von der Gesamtforderung einen sich auf drei Rechnungspositionen verteilenden Betrag in Höhe von insgesamt 133,28 EUR nicht. Davon entfielen 59,50 EUR brutto auf die vom Kläger geltend gemachten Verbringungskosten.

Mit Klageschrift seiner Bevollmächtigten nahm der Kläger dann die Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners vor dem AG Wuppertal auf Zahlung der nicht ausgeglichenen 133,28 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Unter Vorlage der Reparaturrechnung, des eingeholten Sachverständigengutachtens, einer Ablichtung des Preisaushangs der Werkstatt und weiterem Beweisantritt verlangte er Ersatz der aufgrund der Reparatur – wie er vortrug – tatsächlich und konkret angefallenen Kosten. Dabei machte er auch geltend, dass Verbringungskosten in Wuppertal ortsüblich seien.

In dem vom Amtsgericht angeordneten Verfahren nach § 495a ZPO erhielten die Parteien mit Beschluss vom 08.07. 2020 Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis zum 12.08.2020. Das AG wies die Parteien in dem Beschluss zugleich darauf hin, dass der Klage nach vorläufiger Bewertung auch ohne ergänzende Beweisaufnahme stattzugeben sei. Der Kläger replizierte gleichwohl noch auf die Klageerwiderung und stellte nochmals unter Beweis, dass die abgerechneten Leistungen von der Werkstatt erbracht worden seien. Es sei die von ihm beauftragte Werkstatt gewesen, so der Kläger, die den Wagen in die Lackiererei verbracht habe und der die Verbringungskosten entstanden seien.

Mit Urteil vom 24.06.2021 gab das Amtsgericht der Klage im Umfang von 73,78 EUR statt und wies sie im Übrigen, wegen der restlichen Verbringungskosten in Höhe von 59,50 EUR, ab, ohne gegen seine Entscheidung die Berufung zuzulassen. Zur Begründung der teilweisen Klageabweisung führte es aus, dass eine „Pauschale für Verbringung“ keine ersatzfähige Schadensposition darstelle. Sie sei zum Ausgleich des Schadens nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Eine tatsächliche Verbringung werde vom Kläger weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Dem Kläger günstige Urteile zu einer „Pauschale für Verbringung“ seien ihm, dem AG,  unbekannt.

Hiergegen erhob der Kläger Anhörungsrüge, die keinen Erfolg hatte. Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte:

„Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und auch begründet.

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 103 1 GG folgt ein Anspruch der Verfahrensbeteiligten darauf, dass die Gerichte rechtzeitiges Vorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, soweit es nicht nach den Verfahrensvorschriften unberücksichtigt bleiben kann oder muss (VerfGH NRW, Beschlüsse vom 17. März 2020 – VerfGH 9/20.VB-2, juris, Rn. 6, vom 12. Mai 2020 – VerfGH 24/20.VB-2, juris, Rn. 27, und vom 13. Oktober 2020 – VerfGH 29/20.VB-1, juris, Rn. 22). Ein Gericht darf kein nach seiner materiellen Rechtsauffassung erhebliches Vorbringen übergehen (vgl. VerfGH NRW, Beschlüsse vom 8. Oktober 2019 – VerfGH 36/19.VB-3, juris, Rn. 1, und vom 14. September 2021 – VerfGH 137/20.VB-2, r+s 2021, 725 = juris, Rn. 12). Dafür ist von ihm zu verlangen, dass es den wirklichen Inhalt beziehungsweise den wesentlichen Kern des Parteivorbringens zutreffend erfasst (vgl. z. B. BGH, Beschlüsse vom 28. September 2017 – V ZR 29/17, NZM 2018, 289 = juris, Rn. 6, vom 21. April 2021 – VII ZR 39/20, NJW-RR 2021, 740 = juris, Rn. 9, vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 = juris, Rn. 16, und vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NZM 2022, 55 = juris, Rn. 37).

b) Ausgehend hiervon verletzt das angegriffene Urteil den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, weil das Amtsgericht nach seiner materiellen Rechtsauffassung erhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers im Urteil teils übergeht und teils seinem wesentlichen Kern nach nicht richtig erfasst.

Dadurch, dass das Amtsgericht im Urteil ausführt, dass eine tatsächliche Verbringung des zu reparierenden Wagens vom Beschwerdeführer weder dargelegt noch unter Beweis gestellt worden ist, übergeht es dessen gegenteiliges Vorbringen. Der Beschwerdeführer hat im amtsgerichtlichen Verfahren durchgängig vorgetragen, dass die von ihm als Schaden geltend gemachten Verbringungskosten zwar von der Werkstatt in Form einer Pauschale abgerechnet worden, aber zuvor konkret angefallen seien, weil der Wagen von der Werkstatt in eine Lackiererei verbracht worden sei. Der Beschwerdeführer hat hierfür auch Beweis angetreten, unter anderem durch Zeugenvernehmung. Darüber hinaus enthielt bereits das von ihm mit der Klageschrift vorgelegte Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass in der von ihm später ausgewählten Werkstatt eine Fahrzeugverbringung in eine Lackiererei erfolgt und hierfür Kosten entstehen beziehungsweise abgerechnet werden.

Die vom Amtsgericht angestellten Überlegungen zur abgerechneten „Pauschale für Verbringung“ beruhen zugleich auf einem Fehlverständnis des Begriffs, das am wesentlichen Kern des Vorbringens des Beschwerdeführers vorbeigeht. Bei der Verbringungskostenpauschale in der Werkstattrechnung geht es nicht um eine Kosten- oder Auslagenpauschale, wie sie – in Höhe von 25 Euro – ohne Darlegung von Anknüpfungstatsachen nur für den Ausgleich von Unkosten bei der Schadensabwicklung bei Verkehrsunfällen als einem Massengeschäft aus Praktikabilitätsgründen anerkannt ist (vgl. zur „Auslagenpauschale“ BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 = juris, Rn. 11; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 249 Rn. 79). Der Beschwerdeführer hat mit der durchgeführten Verbringung des Wagens in eine Lackiererei Anknüpfungstatsachen für die betreffenden Kosten vorgetragen. Auf ein Bedürfnis nach weiterer Konkretisierung hätte vom Gericht gegebenenfalls hingewiesen werden müssen. Dass das Amtsgericht das nicht erkannt hat, beruht auf seiner fehlenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

c) Der sich hieraus ergebende Gehörsverstoß ist im Anhörungsrügeverfahren nach § 321a ZPO nicht geheilt worden. Zwar können Gehörsverstöße im Anhörungsrügeverfahren geheilt werden, wenn das Gericht den gerügten Verstoß durch Ausführungen zur Rechtslage im Beschluss über die Anhörungsrüge beseitigt, indem es Vorbringen erstmals zur Kenntnis nimmt und bescheidet (siehe VerfGH NRW, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 – VerfGH 29/20.VB-1, juris, Rn. 23 m. w. N., und vom 14. September 2021 – VerfGH 137/20.VB-2, r+s 2021, 725 = juris, Rn. 17). Dergleichen ist hier aber nicht geschehen. Das Amtsgericht hat die Gehörsverletzung im Anhörungsrügebeschluss vom 3. August 2021 im Gegenteil weiter vertieft. Es hat sich unter neuerlichem Verfehlen des wesentlichen Kerns des Vorbringens des Beschwerdeführers auf den abwegigen Standpunkt gestellt, der Beschwerdeführer versuche nach regulärem Schluss der Instanz im Anhörungsrügeverfahren in unzulässiger Weise einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren einzuführen. Letzteres trifft jedoch erkennbar nicht zu. Wie der Anhörungsrügeschrift unschwer entnommen werden kann, hat sich der Beschwerdeführer darin lediglich bemüht, dem Amtsgericht seinen von Beginn des Verfahrens an gehaltenen Vortrag zu Gehör zu bringen….“.“

Verdachtsberichterstattung aus dem Strafverfahren, oder: Wie schwer wiegt die Pressefreiheit?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Heute dann „Kessel-Buntes-Tag“, und zwar mit einer Entscheidung des BGH und einer des VerfGH NRW.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 31.05.2022 – VI ZR 95/21 – zur Verdachtsberichterstattung im/aus dem Strafverfahren. Der BGH geht von folgendem Sachverhalt aus:

„Der Kläger zu 1 ist Zahnarzt. Er betrieb eine Praxis in der Kölner Innenstadt. Im Jahr 2004 gründete der Kläger zu 1 eine GmbH, deren Geschäftsführer er zunächst war. Der Kläger zu 2 war zwischen den Jahren 2011 und 2016 deren Geschäftsführer und der Kläger zu 1 zwischen den Jahren 2008 und 2016 deren Prokurist.

Die Staatsanwaltschaft erhob unter anderem gegen die Kläger Anklage beim Landgericht. Am ersten Tag der Hauptverhandlung wurde die Anklage verlesen. Eine Einlassung zur Sache war an diesem Tag nicht vorgesehen.

Die Beklagte berichtete am ersten Hauptverhandlungstag auf dem von ihr betriebenen Internetportal unter Nennung des Vornamens und des Anfangsbuchstabens des Nachnamens des Klägers zu 1 wie folgt:

„Gemeinsam mit Vater vor Gericht

Kölner Zahnarzt ein Millionenbetrüger?

Von: […]

28.02.2018 – 22:20 Uhr

Köln – Er betreibt eine schöne Praxis in der Kölner Innenstadt, doch das reichte dem Zahnarzt Dr. [Kläger zu 1] (39) laut Staatsanwalt nicht aus. Gemeinsam mit Komplizen kaufte er demnach über eine Briefkastenfirma für insgesamt 2,3 Millionen Euro Elektronikgeräte ein, ohne sie zu bezahlen – um sie dann weiterzuverkaufen.

Wegen Betrugs, Nötigung, Vortäuschung einer Straftat und Steuerhinterziehung stand der Doktor vor dem Kölner Landgericht. Zusammen mit ihm auf der Anklagebank saß, neben zwei weiteren Komplizen, sein 71-jähriger Vater [Kläger zu 2], der als Gesellschafter der Firma eingetragen war.

Die Anklage wirft dem 39-jährigen vor, unter anderem Monitore, Tablets und Handys erworben und anschließend auf dem Schwarzmarkt unter Wert veräußert zu haben. Um die Taten zu verschleiern, wurde ein Teil der Briefkastenfirma an einen Strohmann verkauft. Als dieser allerdings aussteigen wollte, wurde der Mann von dem Doktor laut Anklage mit „Mafia“ bedroht.

Außerdem soll [Kläger zu 1] einen Einbruch in seine Firma vorgetäuscht haben, um von einer Versicherung 122.000 Euro zu kassieren. Dem Zahnarzt droht eine mehrjährige Haftstrafe. Prozess wird fortgesetzt.“

Hinsichtlich des Vorwurfs des Vortäuschens einer Straftat wurde das Verfahren gegen den Kläger zu 1 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Wegen Betrugs in zwei Fällen, Nötigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen wurde er rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Der Kläger verlangt von der Beklagten – laut LTO handelte es sich um „bild.de“ – Unterlassung der Bericherstattung. Er hatte beim LG bzw. beim OLG in unterschiedlichem Umfang Erfolg. Auf die Revision hat der BGH dann die Klage abgewiesen. Er führt zur Abwägung der beiderseitigen Interessen aus:

„4. Das Schutzinteresse des Klägers zu 1 überwiegt nicht die schutzwürdigen Interessen der Beklagten.

a) Die Presse darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien. Bei ansehensbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptungen wird die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ganz wesentlich vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen bestimmt. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 25; vom 18. Dezember 2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 12; jew. mwN).

Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Geht es um die Berichterstattung über eine Straftat, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung begründet grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise, Schwere oder wegen anderer Besonderheiten von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt (vgl. Senat, Urteile vom 18. Dezember 2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 13; vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 26; jew. mwN).

Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss aber in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Für die Abwägung bedeutsam ist auch, ob die Berichterstattung allein der Befriedigung der Neugier des Publikums dient oder ob sie einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet und die Presse mithin ihre Funktion als „Wachhund der Öffentlichkeit“ wahrnimmt (vgl. Senat, Urteil vom 18. Dezember 2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 14 mwN).

Eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, darf nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 27; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 18; jew. mwN).

Diese Maßstäbe gelten im Grundsatz auch für die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten (§ 157 StPO). In diesem Verfahrensstadium ist nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen. Im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung ist aber die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder Durchführung eines Strafverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Verfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 28; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 19; jew. mwN). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung gilt im Grundsatz nichts Abweichendes für die identifizierende Berichterstattung über die öffentliche Hauptverhandlung eines Strafgerichts (vgl. Senat, Urteile vom 19. März 2013 – VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681 Rn. 32 f.; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 23 ff. [Bericht über bevorstehende Hauptverhandlung]; siehe weiter zur jedenfalls begrifflichen Differenzierung zwischen Verdachts- und Gerichtsberichterstattung etwa Müller, NJW 2007, 1617; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, 95. EL Juli 2021, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 450, 452; Burkhardt/Pfeifer, in: Wenzel Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 10, XI.; zur Berichterstattung über eine bevorstehende Hauptverhandlung im Strafverfahren Senat, Urteil vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 4, 28 ff.).

Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senat, Urteile vom 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, juris Rn. 29; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 20; jew. mwN).

b) Davon ausgehend war unter den Umständen des Streitfalls die Berichterstattung der Beklagten über den Kläger zu 1 von Anfang an zulässig…..“

Die Abwägung im Einzelnen dann bitte selbst im Volltext lesen.

Ich habe da mal eine Frage: Ist die zusätzliche VG durch die Einspruchsrücknahme entstanden?

© AllebaziB – Fotolia

Und dann noch die Gebührenfrage – auch die werden übrigens knapp 🙂 . Hier dann aber nochmal eine zur zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG; sie stammt aus der Facebook-Gruppe „Strafverteidiger“:

„Gebührenfrage:

Gegen den Mandanten wird ein Strafbefehl erlassen, ich soll Einspruch einlegen. Frist wird unverschuldet versäumt und Wiedereinsetzung beantragt. Bevor die Entscheidung über die Wiedereinsetzung ergeht, beauftragt mich der Mandant, den Einspruch zurückzunehmen. Ist die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden?“