Heute dann noch einmal drei StPO-Emtscheidungen. Heute kommen die Entscheidungen aber nur von den OLG, na ja das BayObLG ist auch dabei.
Und von dem kommt gleich die erste Entscheidung, die mir die Kollegin J. Braun aus München geschickt hat.
Es geht um ein Verwerfungsurteil des LG München II. Diesem ist eine Berufungshauptverhandlung vorausgegangen, in der die Kollegin mit wirksamer Vertretungsvollmacht erschienen war, der Angeklagte aber ausblieb. Das LG hat dann beschlossen, dass die Anwesenheit des Angeklagten erforderlich sei nach § 329 Abs. 4 StPO und erneut geladen. Die Ladung musste öffentlich zugestellt werden. Einen Hinweis auf die Möglichkeit der Verwerfung nach § 329 Abs. 4 StPO enthielt die Ladung nicht. Darauf hat die Kollegin dann ihre Verfahrensrüge gestützt, die mit dem BayObLG, Beschl. v. 29.03.2022 – 207 StRR 83/22 – Erfolg hatte:
„Dem zulässigen Rechtsmittel kann ein mindestens vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Die Revision greift mit der zulässig erhobenen Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 4 S. 3 StPO durch.
a) Die Revision trägt zutreffend vor, dass das Landgericht entgegen § 329 Abs. 4 S. 3 StPO den Angeklagten in der (öffentlichen zugestellten) Ladung zum Fortsetzungstermin vom 19. Oktober 2021 nicht darüber belehrt hat, dass seine Berufung bei unentschuldigtem Nichterscheinen trotz Anwesenheit eines entsprechend bevollmächtigten Vertreters verworfen werden kann. Das entsprechende Revisionsvorbringen wird durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft München II vom 19. Januar 2022 und die darin in Bezug genommene dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 30. November 2021 bestätigt. Daraus ergibt sich, dass die Ladung mit dem Textverarbeitungsprogramm ForumSTAR gefertigt wurde und der dortige Vordruck eine entsprechende Belehrung nicht enthält.
b) Dies stellt einen Verstoß gegen die gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebene Belehrungspflicht nach § 329 Abs. 4 S. 3 StPO dar (vgl. im Einzelnen KG, Beschluss vom 12.12.2018, (6) 161 Ss 161/18 (63/18), zitiert nach juris; s. auch Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl., § 329 Rdn. 3).
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil auch. Eine Beruhensprüfung ist auch hier wie bei jedem Verfahrensfehler vorzunehmen (vgl. Löwe/Rosenberg-Gössel, StPO, 26. Aufl., § 329 Rdn. 15; a. A. (ohne Begründung) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.02.2021, 111-2 RVs 5/21 u. a., zitiert nach juris, dort Rdn. 17). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der verteidigte Angeklagte bei zutreffender Belehrung zum Termin erschienen wäre.“
Zwei Anmerkungen:
1. Die/se) Revision hat nicht vorläufig Erfolg, sondern sie hat endgültig Erfolg, da das landgerichtliche Urteil aufgehoben wird. M.E. ist das „vorläufig“, das man bei Verfahrensfehlern in fast allen OLG-Entscheidungen findet, falsch.
2. Die Kollegin hat mich bei der Übersendung der Entscheidung darauf hingewiesen, was in der Entscheidung nicht so deutlich wird, dass die Ladung ihres Mandanten mit forumSTAR angefertigt wurde. Dieses Programm enthalte zwar standardmäßig sehr viele Hinweise enthält, nicht jedoch einen solchen nach § 329 Abs. 4 StPO. Und genau der fehlte. Der Hinweis müsste in diesen Fällen also eingefügt werden. Vermutlich macht man das manuell 🙂 . Offenbar ist das aber bislang noch nicht weiter aufgefallen. Jedenfalls bis die Kollegin die erfolgreiche Revision melden konnte.