Und dann heute am „Weltkuscheltag“ 🙂 , einem Freitag, natürlich auch RVG-Entscheidungen.
Die erste Entscheidung, die ich vorstelle, ist aber leider gar nicht kuschelig. Das OLG Dresden hat im OLG Dresden, Beschl. v. 10.12.2021 – 6 Ws 42/21 – noch einmal/mal wieder zu den Gebühren des Rechtsanwalts für die Tätigkeit als Zeugenbeistand Stellung genommen. Leider falsch, das das OLG von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ausgeht:
„Das Landgericht hat die Tätigkeit des Zeugenbeistandes zu Recht als Einzeltätigkeit bewertet, für die lediglich die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG entstanden ist.
Die Frage, ob der nach § 68b StPO beiordnete Zeugenbeistand wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu vergüten ist oder lediglich die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG beanspruchen kann, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
Mit der Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG („Für die Tätigkeit als Beistand … sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden“) war unklar geblieben, ob der nach § 68b StPO beigeordnete Rechtsanwalt die Gebühren eines Verteidigers nach Abschnitt 1 oder eine Einzeltätigkeit nach Abschnitt 3 abrechnen konnte. Vereinzelt wurde vor diesem Hintergrund in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers die Gebühren eines Verteidigers entstehen würden (vgl. nur OLG Dresden – 2. Strafsenat -, Beschluss vom 6. November 2007 – 2 Ws 495/06 – und vom 6. November 2008 – 2 Ws 103/08 -, juris m.w.N.). Ausweislich der Begründung des zugrundeliegenden Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts sollten erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden. Die Gleichstellung mit dem Verteidiger sah der Gesetzgeber als sachgerecht an, weil die Gebührenrahmen ausreichend Spielraum bieten würden, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr werde sich der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen (BT-Drs. 15/1971, Seite 220).
Wie das Landgericht weiter zutreffend ausführt, ist der Versuch, den Meinungsstreit durch eine Klarstellung im Gesetzgebungsverfahren zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu beenden, gescheitert. Nach dem dort zugrunde liegenden Entwurf der Bundesregierung sollte der gesetzgeberische Wille durch eine klarstellende Formulierung der Vorbemerkung 4 Abs. 1, die der Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG folgt, deutlicher zum Ausdruck gebracht werden [BT-Drs. 17/11741 (neu), Seite 281]. Die Vorbemerkung 5 Abs. 1 zu Teil 5 (Bußgeldsachen) lautete seinerzeit: „Für die Tätigkeit als Beistand … eines Zeugen … entstehen die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren“. Diese Klarstellung ist indes am Widerstand des Bundesrates gescheitert, der es nicht für sachgerecht hielt, für die begrenzte Tätigkeit eines Zeugenbeistandes die gleichen Gebühren anzusetzen wie für das Wirken als Verteidiger (BR-Drs. 517/1/12, Seite 94 f.).
Bereits damit konnte nicht mehr von einem gesetzgeberischen Willen ausgegangen werden, den Zeugenbeistand wie einen Verteidiger zu vergüten, sondern der Gesetzeswortlaut und die Verlautbarungen des Gesetzgebers ließen auch eine Vergütung als Einzeltätigkeit zu.
Den Widerspruch zur Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG, hat der Gesetzgeber schließlich mit der Begründung zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I, 3229) aufgelöst. Mit dem Gesetz ist die Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG ihrerseits an die unverändert gebliebene Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG angeglichen worden. Zur Begründung hat der Gesetzgeber angeführt, dass im Hinblick darauf, dass die Beiordnung durch § 68b Abs. 2 StPO ausdrücklich auf die Dauer der Vernehmung beschränkt ist, es sachgerecht erscheine, den Zeugenbeistand wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeit ausüben (BT-Drs. 19/23484, Seite 87). Für die Annahme, der Zeugenbeistand sei wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu vergüten, ist danach kein Raum mehr (vgl. auch unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung OLG Dresden – 2. Strafsenat -, Beschluss vom 15. Februar 2021 – 2 Ws 20/21).2
War klar, dass die Argumentation mit der Änderung/Anpassung der Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG kommen würde. Danke BMJV. Aber das macht die Entscheidung und die Auffassung, die für Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG plädiert, nicht richtig(er). Die Zeugenbeistände dürfen sich gern beim BMJV bedanken. Ich verstehe nicht, warum man nicht endlich die Regelungen so trifft, wie sie 2004 gedacht waren.