Archiv für den Monat: Januar 2022

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Haben wir eine Einigungsgebühr verdient?

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Am Freitag lautete die Frage: Ich habe da mal eine Frage: Haben wir eine Einigungsgebühr verdient?.

Ich habe darauf folgende kurze Antwort gegeben, es gibt dazu auch nicht viel zu sagen .-) :

„…..

Zu Ihrer neuen Frage. Nein, die Nrn. 1005 ff. RVG ist im Strafverfahren nicht abrechenbar. Das Adhäsionsverfahren ist eine Ausnahme. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus meinem Beitrag in RVGreport 2010.“

Und dann mal wieder <<Werbemodus an>>, denn es folgt der Hinweis auf: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußdgelsachen, 6. Aufl., 2021, wor auch die Fragen natürlich behandelt sind. Zur Bestellung geht es hier. <<Werbemodus aus>

Corona II: „Impffälschung“ nach altem Recht besorgt, oder: Verwendung/Vorlage dann unter neuem Recht

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Würzburg, Beschl. v. 24.01.2022 – 1 Qs 18/22 – geht es ebenfalls um eine Durchsuchung und Beschlagnahme wegen des Vorwurfs der Fälschung von Impfausweisen. Der Vorwurf im Durchsuchungsantrag lautete:

„Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 28.11.2021 brachte sich der Beschuldigte entweder in den Besitz eines Impfausweises bzw. -zertifikates oder verfälschte einen solchen Impfausweis / ein solches Impfzertifikat selbst in einer Weise, dass dieser Impfausweis bzw. dieses Impfzertifikat die eigene (vollständige) Impfung gegen COVID19 auswies, obwohl die dort dokumentierte Impfung nicht durchgeführt worden war. Im Wissen hierüber legte der Beschuldigte im Rahmen einer Zugangsbeschränkungskontrolle (3G am Arbeitsplatz) zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 28.11.2021 und dem 01.12.2021 diesen erworbenen oder selbst erstellten verfälschten Impfausweis bzw. dieses verfälschte Impfzertifikat gegenüber seiner Arbeitsstätte „W GmbH“, pp. W vor, in der Absicht, dass der Beschuldigte ohne weitere (tägliche) Testung Zutritt zu der Arbeitsstätte erhält.“

Das AG hat daraufhin Durchsuchung und Beschlahnahme angeordnet. Dagegen dann – nach Vollzug – die Beschwerde, die beim LG Würzburg keinen Erfolg hatte:

„Die Beschwerde des Beschuldigten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage.

……

Zum Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung bestand aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und der dabei zutage getretenen Unstimmigkeiten der Verdacht, dass der Beschuldigte zwischen dem 28.11.2021 und dem 01.12.2021 seiner Arbeitgeberin einen sich zuvor verschafften, inhaltlich unrichtigen Impfausweis vorgelegt hatte, um die Arbeitgeberin gezielt über seinen tatsächlich nicht vorhandenen Impfstatus zu täuschen.

Seit dem 24.11.2021 und damit zum Zeitpunkt der angegriffenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung galten die §§ 277 bis 279 StGB in ihrer jeweiligen Fassung vom 22.11.2021, davor in ihrer jeweiligen Fassung vom 13.11.1998.

Folglich lag der Zeitpunkt der „Verwendung“ des Impfausweises nach der Gesetzesänderung, der Zeitpunkt des sich Verschaffens dagegen aus Sicht des erkennenden Gerichts möglicherweise bereits davor.

Gemäß Art. 103 Abs. 2 GG bzw. § 1 StGB kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt, § 2 Abs. 1 StGB. Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen, § 8 S. 1 StGB. Wann der Erfolg eintritt, ist dagegen nicht maßgeblich, § 8 S. 2 StGB.

Sofern sowohl der Zeitpunkt des sich Verschaffens, als auch der des Verwendens nach dem 24.11.2021 gelegen haben (sollten), bestünde gegen den Beschuldigten unabhängig davon, wie er in den Besitz des unrichtigen Impfausweises gelangt ist, jedenfalls der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung in der dritten Variante des § 267 Abs. 1 StGB.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.11.2021 wurden die §§ 275, 277 bis 279 und 281 StGB inhaltlich überarbeitet. Nach der alten Rechtslage enthielt § 277 StGB drei Tatbestandsvarianten. Die erste Variante erfasste das Ausstellen eines Zeugnisses unter der nicht zutreffenden Bezeichnung des Ausstellers als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson. Diese Variante stellte eine schriftliche Lüge unter Strafe, da nicht über die Person des Ausstellers, sondern dessen berufliche Qualifikation getäuscht wurde. Die zweite Variante betraf das unberechtigte Ausstellen eines Gesundheitszeugnisses unter dem Namen einer solchen Person, die dritte Variante das Verfälschen eines ursprünglich echten Gesundheitszeugnisses. Die zweite und dritte Variante des § 277 StGB stellten somit lediglich Spezialfälle der Urkundenfälschung nach § 267 StGB dar. Soweit sich § 277 StGB in der zweiten und dritten Variante mit § 267 StGB inhaltlich überschnitten, führte dies zu einer nicht nachvollziehbaren Privilegierung. Der geringere Strafrahmen, die fehlende Versuchsstrafbarkeit und die zwingende Zweiaktigkeit führten zur Straflosigkeit von Taten nach § 267 Abs. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB, wenn sie sich auf Gesundheitszeugnisse bezogen (str.; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage, 2021 § 277 Rn. 1). Aus diesem Grund wurden mit der Gesetzesänderung diejenigen Handlungsmodalitäten aus § 277 StGB gestrichen, die grundsätzlich schon von § 267 StGB oder § 269 StGB erfasst sind. Gesundheitszeugnisse sind regelmäßig Urkunden im Sinne der §§ 267 und 269 StGB. Die §§ 277 bis 279 StGB entfalten nach der gesetzlichen Neufassung keine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. StGB, sondern stellen darüber hinaus spezielle Konstellationen unter Strafe. So erfasst § 277 StGB nur noch die Fälle, in denen der Täter zur Täuschung im Rechtsverkehr ein Gesundheitszeugnis erstellt und dabei nicht über seine Identität sondern seine berufliche Qualifikation täuscht. Eine derartige Qualifikationstäuschung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 267 StGB, da es sich hierbei „lediglich“ um eine „schriftliche Lüge“ handelt. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, durch die Neufassung der §§ 277 bis 279 StGB, dass das Herstellen unechter, Verfälschen echter und/oder gebrauchen unechter oder verfälschter Impfausweise in den Anwendungsbereich des § 267 StGB fällt und eine Privilegierung dieser Handlungsvarianten ausscheiden soll (BT-Drucks. 20/15 S. 33).

Der auf den Beschuldigten ausgestellte Impfausweis stellt (als Gesundheitszeugnis) eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB dar (von OLG Bamberg v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21 ausdrücklich offen gelassen). Eine Urkunde ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die den Aussteller erkennen lässt und zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr bestimmt ist. Die von einer eintragungsberechtigen Person vorgenommene Eintragung im Impfausweis gibt Auskunft darüber, wann und durch wenn der Inhaber des Ausweises welche Impfstoffe erhalten hat. Sie lässt den Aussteller der Eintragung erkennen und dient dem Beweis des Impfstatus einer Person. Unecht ist eine derartige Urkunde, wenn der aus ihr ersichtliche Inhalt nicht vom dem auf ihr ersichtlichen Aussteller herrührt. Vorliegend wies der vom Beschuldigten bei seiner Arbeitgeberin vorgelegte Impfausweis zwei Eintragungen vom 19.07.2021 und 13.08.2021 auf, die dem Beschuldigten eine vollständige Impfung mit den Chargen pp. und pp. des Impfstoffes C durch einen Angestellten des Impfzentrums pp. in G bestätigten. Aufgrund der Mitteilung des Gesundheitszentrums G besteht jedoch der Verdacht, dass der Beschuldigte dort nicht geimpft wurde und demzufolge die Eintragungen im Impfausweis des Beschuldigten von keinem der dortigen Angestellten stammen. Wie das Amtsgericht zutreffend annimmt, besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte den unechten Impfausweis seiner Arbeitgeberin vorgelegt hat, um über seinen Impfstatus zu täuschen und ohne Testung seiner Arbeit nachgehen zu können.

Doch auch wenn der Zeitpunkt des Verschaffens vor dem 24.11.2021 gelegen haben sollte, wäre dies in der vorliegenden Fallkonstellation unschädlich.

Das Verschaffen des „gefälschten“ Impfausweises mag zwar nach der bis zum 23.11.2021 geltenden Rechtslage straflos gewesen sein. Dies liegt darin begründet, dass Impfausweise ein Gesundheitszeugnis im Sinne der §§ 277 ff. StGB darstellen und die §§ 277 ff. StGB a.F. nach der bis zum 23.11.2021 geltenden Rechtslage eine abschließende Sonderregelung für Gesundheitszeugnisse darstellten, die im Falle einer fehlenden Strafbarkeit einen Rückgriff auf die „allgemeinen“ Urkundendelikte ausschlossen (str., OLG Bamberg v. 17.01.2022, 1 Ws 732-733/21). Dementsprechend lag kein Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor, da Täter des § 278 StGB a.F. nur Ärzte oder andere approbierte Medizinalpersonen sein konnten, der Beschuldigte jedoch kein Angehöriger dieser Berufsgruppen war. Daneben schied ein Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit wegen der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. oder des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB a.F. aus, da die Fälschung beziehungsweise der Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften erfolgen musste und die Arbeitgeberin des Beschuldigten eine GmbH ist, die ein Schwimmbad betreibt. Schließlich war ein Rückgriff auf die allgemeinen Urkundendelikte nach den §§ 267 ff. StGB aufgrund der Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. ausgeschlossen, sodass auch kein Anfangsverdacht für eine (täterschaftliche) Beteiligung an einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 1 oder Var. 2 StGB vorlag.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Beschuldigte auch in dieser Sachverhaltskonstellation den sich straflos verschafften unrichtigen Impfausweis nach dem 24.11.2021 bei seiner Arbeitgeberin vorgelegt hat. Dieses Verwenden stellt eine eigenständige Tathandlung dar, deren Strafbarkeit zwingend nach neuer Rechtslage zu beurteilen ist. Insoweit lag – wie bereits dargestellt – der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB vor (s. o.). Allein die Tatsache, dass sich der Beschuldigte diesen unrichtigen Impfausweis straflos verschafft hat, führt nicht dazu, dass er ihn trotz zwischenzeitlich geänderter Rechtslage weiter straflos verwenden darf……“

Corona I: Durchsuchung wegen Impfausweisfälschung?, oder: „Anfangsverdacht“ auch nach altem Recht bejaht

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Den Start in die 5. KW mache ich heute mal wieder mit zwei Entscheidungen zu Corona. Sie haben einen verfahrensrechtlichen Aspekt.

Zumindest der LG Heilbronn, Beschl. v. 11.01.2022 – 1 Qs 95/21 -, der mich eine wenig ratlos zurück lässt.

Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte aufgrund des Verdachts der Urkundenfälschung. Dem lag zugrunde, dass die Beschuldigte am 16.11.2021  einen gefälschten Impfausweis hinsichtlich zwei tatsächlich nicht erfolgter Covid-19-Impfungen vorgezeigt haben soll, um hierdurch die Mitarbeiterin der Apotheke zur Ausstellung eines digitalisierten Impfzertifikats zu bewegen. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft beim AG den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses, um den gefälschten Impfausweis, den Stempel des Klinikums und „COMIRNATY“-Chargenaufkleber, schriftliche Unterlagen zum Erwerb und zur Verwendung eines gefälschten Impfausweises, Mobiltelefone, Computer und sonstige Datenträger, auf denen entsprechende Unterlagen gespeichert sind, beschlagnahmen zu können.

Das AG lehnt den Antrag der Staatsanwaltschaft ab, da das in Rede stehende Verhalten der Beschuldigten nach der bis 23.11.2021 geltenden Rechtslage aufgrund einer Strafbarkeitslücke kein strafbares Verhalten dargestellt hätte. Dabei verwies das AG auf die Rechtsprechung des LG Osnabrück und die „überwiegende“ Auffassung in der Literatur. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der vorliegenden Beschwerde. Und die ist nach Auffassung des LG begündet:

„Zwar ist die Rechtsauffassung des Amtsgerichts nachvollziehbar und angesichts der verschiedenen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung durchaus gut vertretbar. Gleichwohl teilt die Kammer diese nicht. Insbesondere vermag sie nicht zur Ablehnung des beantragten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses führen.

Im Einzelnen ist zur Rechtslage bis zum 23. November 2021 Folgendes auszuführen:

Die §§ 277, 279 StGB sind, wie die Urkundenfälschung nach § 267 StGB, im 23. Abschnitt des StGB verortet und stellen damit eine speziellere Regelung im Vergleich zum allgemeinen § 267 StGB dar. In ihrer bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung enthielten sie eine Privilegierung für Gesundheitszeugnisse – darunter fallen nach einhelliger Meinung auch Impfbescheinigungen – dergestalt, dass in diesen Vorschriften nur die Vorlage gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften strafbar war und dies dann auch mit einem insgesamt geringeren Strafrahmen als dem in § 267 StGB vorgesehenen. Hieraus folgte jedenfalls, dass die §§ 277 ff. StGB § 267 StGB als lex specialis verdrängten, sobald die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB vorlagen.

Teilweise, und das durch durchaus gewichtige Stimmen in der Literatur (Erb in Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 11, § 279 Rn. 5; Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 277 Rn. 16 und Hoyer in SK-StGB – Systematischer Kommentar, § 277 Rn. 5), wurde für die alte Rechtslage vertreten, dass die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB darüber hinausgehend auch dann eingetreten sei, wenn es um Gesundheitszeugnisse ging, aber die übrigen Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB, also die Vorlage gegenüber einer Behörde oder Versicherung, nicht gegeben waren. Dies wurde im Wesentlichen mit einem „Wertungswiderspruch“ begründet, der sich gegenüber der Privilegierung ergebe, wenn die Fälle, die dann unter die allgemeine Regelung fallen würden, geringere Voraussetzungen, aber einen weiteren Strafrahmen hätten. Dieser Argumentation sind zuletzt auch einige Landgerichte (LG Osnabrück am 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21; LG Karlsruhe am 26. November 2021 hinsichtlich Corona-Tests – 19 Qs 90/21; LG Paderborn am 1. Dezember 2021 – 5 Qs 33/21 und LG Landau/Pfalz am 13. Dezember 2021 – 5 Qs 93/21) gefolgt und haben folgerichtig daraus eine Strafbarkeit der Vorlage gefälschter Impfausweise (und im Fall des LG Karlsruhe gefälschter Testbescheinigungen) vor anderen als den in §§ 277, 279 StGB a.F. bezeichneten Adressaten verneint. Die durch die Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewonnene Fallgestaltung in Verbindung mit der ersten gerichtlichen Entscheidung, die hier eine Strafbarkeit verneinte, bewegte den Gesetzgeber dazu, die Gesetzeslage für künftige Fälle zu ändern und nunmehr die §§ 277, 279 StGB neu zu fassen. Dabei ist den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 20/15, Seite 2) hiesiger Auffassung nach zu entnehmen, dass der Gesetzgeber keineswegs selbst vom Bestehen von Strafbarkeitslücken ausging, sondern im Hinblick auf die in der Literatur vertretene Meinung ein Bedürfnis sah, zur Klarstellung tätig zu werden.

Soweit das Amtsgericht Heilbronn in dem angefochtenen Beschluss weiteren Vertretern der Literatur die oben dargelegte Meinung zuschreibt, kann das nicht uneingeschränkt nachvollzogen werden. Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017 setzen sich mit dieser Problematik zwar auseinander und versuchen, die Auffassung des Münchner Kommentars zu erklären, lassen aber letztlich die Lösung offen und zeigen auf, dass auch die Auffassung des Münchner Kommentars zu Wertungswidersprüchen führt (§ 277 Rn 13):

„Daraus wird die Konsequenz gezogen, dass die Herstellung eines unechten Attests zur Vorlage bei einer Privatperson auch nicht nach §?267 strafbar ist, weil es absurd wäre, die Herstellung solcher Atteste zur Täuschung v. Privatpersonen nach §?267 schärfer zu bestrafen als die zur Täuschung v. Behörden und Versicherungsgesellschaften mit unechten Attesten. Aber die Straflosigkeit der Herstellung unechter Atteste zur Täuschung v. Privatpersonen im Rechtsverkehr im Gegensatz zu der Herstellung beliebiger anderer Urkunden ist nicht weniger absurd. Das Ergebnis folgt auch nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des §?277, sondern aus einem argumentum e contrario aus dieser Vorschrift. Ein argumentum e contrario ist logisch nicht zwingend, sondern erweitert die Bedeutung der Vorschrift über deren Wortlaut hinaus. Es sollte also auf eine Vorschrift nicht angewandt werden, die wie §?277 nicht bzw nicht mehr in das Gesamtgefüge des Urkundenstrafrechts passt.“

Die Kommentare BeckOK StGB, 51. Edition, Stand 01.11.2021, § 277 Rn. 13; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, Rn. 12 und Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 277 Rn. 5 enthalten zur Reichweite der Sperrwirkung keine Ausführungen, sondern legen sich nur dahingehend fest, dass die §§ 277 ff. StGB dem § 267 StGB als lex specialis vorgehen. Damit ist aber gerade nicht geklärt, ob das nur der Fall ist, wenn die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB auch tatsächlich vorliegen oder ob die Sperrwirkung genauso weitreichend angenommen werden soll wie im Münchner Kommentar.

Dass die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. so weitreichend anzunehmen ist, dass selbst die Fälle nicht mehr unter § 267 StGB fallen, für die der Anwendungsbereich der §§ 277 ff. StGB a.F. nicht eröffnet ist, ist allerdings keineswegs zwingend. Aus dem Gesetzeswortlaut der alten Fassungen der §§ 277 ff. StGB ergibt sich das nicht. Auch systematisch wird ist es im deutschen Strafrecht nur in ganz wenigen Ausnahmefällen und dann nicht von der herrschenden Meinung und ständigen Rechtsprechung vertreten, dass eine Vorschrift noch über ihren eigenen Anwendungsbereich hinaus eine Sperrwirkung gegenüber einer anderen Vorschrift entfaltet. Zudem vertrat ein anderer, durchaus gewichtiger Vertreter der Literatur (Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 277 Rn. 11) zur alten Rechtslage die Auffassung, dass in diesen Fällen eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vorlag, es aber im Hinblick auf den „offenen Wertungswiderspruch“ unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten erschien, die Strafandrohung gemäß der der §§ 277 ff. StGB a.F. zu limitieren. Auch die oben dargestellte Argumentation von Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen ist nicht von der Hand zu weisen.

Schließlich wäre zur Interpretation der Rechtslage vor dem 24. November 2021 der gesetzgeberische Wille des Gesetzgebers von 1871 heranzuziehen, der aber nach nunmehr 150 Jahren nicht mehr im Einzelnen eruierbar ist. Allerdings ist aus hiesiger Sicht durchaus vorstellbar, dass der damalige Gesetzgeber die Privilegierung der Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber Versicherungen und Behörden im Gegensatz zur Vorlage gegenüber Privaten deshalb eingeführt hat, weil er davon ausging, dass Versicherungen und Behörden die Fälschungen leichter zu erkennen vermögen als Privatpersonen. Würde man den gesetzgeberischen Willen von damals in diesem Sinn interpretieren, gäbe es noch nicht einmal einen „Wertungswiderspruch“ und die Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen als den in §§ 277 ff. StGB a.F. bezeichneten Adressaten wäre ganz selbstverständlich nach § 267 StGB und mit dem dortigen Strafrahmen strafbar.

Insgesamt ist die Problematik nach alledem umstritten. Es gibt nachvollziehbare Argumente für beide Meinungen und es werden in der Literatur auch beide Meinungen vertreten. Die Rechtsprechung hat sich, soweit ersichtlich, erst seit kurzer Zeit mit der Thematik näher befasst. Eine obergerichtliche Entscheidung ist dazu bislang noch nicht ergangen, weder durch ein Oberlandesgericht noch durch den Bundesgerichtshof.

Für die Frage der Anordnung oder Nicht-Anordnung einer Durchsuchung und Beschlagnahme, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, hat das folgende Konsequenz:

Für den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses ist in prozessualer Hinsicht das Vorliegen eines Anfangsverdachts im Hinblick auf eine strafbare Handlung erforderlich. Vorliegend bestehen im Tatsächlichen keine Zweifel daran, dass ein Anfangsverdacht für die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke gegeben ist. Hinsichtlich der Frage, ob deshalb aufgrund einer unklaren Rechtsauslegung, die letztlich nach obergerichtlicher Klärung dazu führen kann, dass das Verhalten als strafbar angesehen wird oder auch nicht, eine Ermittlungsmaßnahme, wie die vorliegend beantragte Durchsuchung und Beschlagnahme, zulässig oder gar geboten ist, sind die Grundsätze zur Anklageerhebung heranzuziehen. Dieser ist die Ermittlungsmaßnahme schließlich vorgelagert. § 152 StPO bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Hierfür muss sich die Staatsanwaltschaft an der obergerichtlichen Rechtsprechung, nämlich an gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beziehungsweise, soweit letztinstanzlich vorliegend, des für sie zuständigen Oberlandesgerichts, orientieren. Daraus wiederum folgt, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es mehrere gangbare Wege, aber gerade noch keine obergerichtliche Rechtsprechung, erst recht keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung gibt, eine Anklageerhebung im Interesse einer effektiven und einheitlichen Strafverfolgungspraxis sogar verpflichtend sein kann (so auch Diemer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, Rn. 13; Peters in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 152 Rn. 69).

So liegt der Fall hier. Gerade weil die Fälschung von Impfpässen und deren Vorlage in Apotheken zur Erlangung digitaler Impfzertifikate im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen ungeimpfter Personen in jüngster Vergangenheit und gerade auch vor der Änderung des Gesetzes stark an Bedeutung gewonnen haben und hierzu verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden, ist nach hiesiger Sichtweise eine obergerichtliche Klärung dieser Fälle anzustreben. Dies kann indes nicht gelingen, wenn bereits im Rahmen der Prüfung des Anfangsverdachts zu hohe Anforderungen gestellt werden. Wenn bereits in einem frühen Stadium der Ermittlungen, die notwendigerweise einer Anklageerhebung vorausgehen müssen, die Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft beschnitten werden, kann es denklogisch nicht zu einer obergerichtlichen Klärung kommen. Der Kammer ist bei dieser Sichtweise bewusst, dass mit einer Durchsuchung und Beschlagnahme gewichtige Grundrechtseingriffe zulasten der Beschuldigten einhergehen, die, sollte sich durch die weitere Entwicklung ergeben, dass das Verhalten der Beschuldigten nicht strafbar war, auch zu Schadensersatzansprüchen führen können. Aus Sicht der Kammer sind diese Umstände in der Abwägung aber nicht so gewichtig wie eine effektive und insbesondere einheitliche Strafverfolgungspraxis, sodass diese in Kauf zu nehmen sind. Der Umstand, dass die Frage nach der Strafbarkeit des von der Beschuldigten gezeigten Verhaltens noch nicht obergerichtlich geklärt ist, steht demnach der Bejahung des für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung notwendigen Anfangsverdachts nicht entgegen.

Bezogen auf den konkreten Fall war zudem zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht auch hinsichtlich eines schuldhaften Handelns vorliegt, insbesondere, ob der Beschuldigten die Strafbarkeit ihres Verhaltens bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Hierzu ist im konkreten Fall nichts bekannt. Die Beschuldigte selbst kann dazu im Hinblick auf § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO vorab nicht befragt werden, da dies den Untersuchungszweck gefährden würde. Allerdings ist grundsätzlich zu sehen, dass zwar gerade im November 2021 bis zur Gesetzesänderung die Frage, ob die Vorlage gefälschter Impfzertifikate in Apotheken strafbar ist, in den Medien diskutiert wurde. Dabei sind allerdings nicht nur das Landgericht Osnabrück als damals erstes und einzig bekanntes Landgericht, das eine Strafbarkeit verneint hatte, sondern auch zahlreiche weitere Juristen in der öffentlichen Diskussion zu Wort gekommen, die die gegenteilige Meinung vertreten haben. Insgesamt war deshalb auch für juristische Laien zu erkennen, dass dieses Thema nicht abschließend geklärt ist, sodass man sich diesbezüglich nicht guten Gewissens auf die eine oder andere Rechtsmeinung verlassen konnte, zumal es sich beim Landgericht Osnabrück nicht um ein Obergericht handelt. Sollte sich letztlich herausstellen, dass dieses Verhalten als grundsätzlich strafbar anzusehen ist, so wäre hier allenfalls ein vermeidbarer Verbotsirrtum gegeben, der eine Strafbarkeit im Hinblick auf die Schuld nicht beseitigt.

Insgesamt bejaht die Kammer vor diesem Hintergrund auch in rechtlicher Hinsicht derzeit das Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB, weshalb entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss zu erlassen war.

Sollte bis zur Vollstreckung des Beschlusses obergerichtlich eine Entscheidung dahingehend getroffen worden sein, dass die Vorlage gefälschter Impfzertifikate in Apotheken nach der bis 23. November 2021 geltenden Rechtslage kein strafbares Verhalten darstellt, darf dieser Beschluss nicht mehr vollzogen werden.“

Ja was denn nun: Ist es nun strafbar – die h.M. in der Rechstprechung sagt nein. Insoweit ist das LG am 11.01.2022 nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Und die Durchsuchung ist erlaubt/zulässig, damit man die Frage einer „obergerichtlichen Klärung“ zuführen kann. Und dann stellt man die Vollstreckung der Durchsuchungsanordnung uner den Vorbehalt einer ggf. ergangenen abweichenden obergerichtlichen Entscheidung. In meinen Augen nicht zulässig. Die „eigenverantwortliche Prüfung“ lässt grüßen. Im Übrigen: Die obergerichtliche Entscheidung liegt mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21 vor (dazu StGB I: Strafbarer Verkauf gefälschter Impfausweise?, oder: Auch beim OLG Bamberg nach altem Recht nicht ).

Sonntagswitz: Zum „Ehrentag der Bierdose 2022“ gibt es Witze zu/mit/um Bier

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Ich habe mich ja, wenn ich nach einem Thema für den Sonntagswitz gesucht habe, schon öfter gewudnert, was es alles so für „Aktions-“ und/oder „Gedenktage“ gibt. So auch in dieser Woche. Denn am 24.01.2022 wurde der „Ehrentag der Bierdose 2022“ gefeiert. Und damit hatte ich hier das Thema: Bierdosen oder zumindest „Bier“. Und das haben wir:

Ein kleiner Mann sitzt traurig in der Kneipe, vor sich ein Bier. Kommt ein richtiger Kerl, haut dem Kleinen auf die Schulter und trinkt dessen Bier aus.

Der Kleine fängt an zu weinen.

Der Große: „Nun hab’ dich nicht so, du memmiges Weichei! Flennen wegen einem Bier!“

Der Kleine: „Na, dann pass mal auf. Heute früh hat mich meine Frau verlassen, Konto abgeräumt, Haus leer. Danach habe ich meinen Job verloren! Ich wollte nicht mehr leben. Legte ich mich aufs Gleis … Umleitung! Wollte mich aufhängen … Strick gerissen! Wollte mich erschießen … Revolver klemmt! Und nun kaufe ich vom letzten Geld ein Bier, kippe Gift rein und du säufst es mir weg!“


Der größte Feind des Menschen wohl, das ist und bleibt der Alkohol.

Doch in der Bibel steht geschrieben: Du sollst auch deine Feinde lieben!


In der Kneipe:
„Ein Bier bitte.“
„Alkoholfrei?“
„Nein. Lactosefrei.“
„Wollen Sie mich verarschen?“
„Sie haben doch angefangen!“


und dann noch – muss vor Corona gewesen sein:

Letztes Wochenende haben wir mit ein paar Freunden über Bier diskutiert. Einer sagte dann plötzlich, dass Bier weibliche Hormone enthält. Nachdem wir ihn – wegen seiner dummen Bemerkung – ein wenig aufs Korn genommen haben, beschlossen wir die Sache wissenschaftlich zu überprüfen. So hat jeder von uns, rein für die Wissenschaft, 10 Bier getrunken. Am Ende dieser 10 Runden haben wir dann folgendes festgestellt:

1. Wir hatten zugenommen.
2. Wir redeten eine Menge, ohne dabei etwas zu sagen.
3. Wir hatten Probleme beim Fahren.
4. Es war uns unmöglich auch nur im entferntesten logisch zu denken.
5. Es gelang uns nicht, zuzugeben, wenn wir im Unrecht waren, auch wenn es noch so eindeutig schien.
6. Jeder von uns glaubte er wäre der Mittelpunkt des Universums.
7. Wir hatten Kopfschmerzen und keine Lust auf Sex.
8. Unsere Emotionen waren schwer kontrollierbar.
9. Wir hielten uns gegenseitig an den Händen.
10. Und zur Kroenung wir mussten alle 10 Minuten auf die Toilette und zwar alle gleichzeitig.

Alles klar! Bier enthält weibliche Hormone !!!

Wochenspiegel für die 4. KW., das war Corona, Corona, Klarnamen, VKS 4.5, Strafzinsen, Infos an Mandanten

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Nach dem „Sturm“, na ja die Ostfriesen werden es eher als „starken Wind“ empfunden haben, dann hier der Wochenspiegel für die 4. KW, in der uns jetzt Corona aber so richtig im Griff hatte und sicherlich auch noch ein wenig haben wird. Hier sind dann:

  1. Umsetzung der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht,

  2. Corona: Handlungsmöglichkeiten bei Corona-Test-Verweigerern

  3. OLG München: Selbst entworfenes Bio-Logo darf nicht Verleihung durch Dritte vortäuschen,

  4. Daten von Kindern im unternehmerischen Alltag,

  5. BGH: Keine Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks (hier: Facebook)

  6. Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen mit VKS 4.5 – neue Verteidigungsansätze

  7. OLG Düsseldorf: 2.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wenn Krankenkasse Gesundheitsakte an falsche E-Mail-Adresse schickt

  8. Gerichte: Strafzinsen sind unzulässig,

  9. Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos nur mit Einwilligung?,

  10. und dann aus meinem Blog – natürlich: AE I: Was darf der Verteidiger dem Mandanten aus der Akte mitteilen?, oder: Alles, daher Abfuhr vom OLG