Heute stelle ich dann drei Entscheidungen zur Zustellung bzw. zur Wiedereinsetzung vor.
Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 11.08.2021 – 3 StR 118/21. Das LG hat den sden Angeklagten mit Urteil vom 30.11.2020 freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil hat der Pflichtverteidiger binnen Wochenfrist Revision eingelegt. Jenem hat der Strafkammervorsitzende alsdann das schriftliche Urteil zustellen lassen. Anstelle des urlaubsabwesenden Verteidigers hat jedoch am 21.12.2020 einer seiner Kollegen das Empfangsbekenntnis unterschrieben.
Mit Beschluss vom 25.01.2021 hat das LG
die Revision des Angeklagten mangels fristgerechter Begründung verworfen. Diese Entscheidung hat den Verteidiger am 02.02.2021 erreicht. Erst dadurch hat er vom zuvor ergangenen Urteil – so im Original beim BGH – Kenntnis erlangt. Mit am 09.02.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat er im Namen des Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Frist zur Revisionsbegründung beantragt und die „allgemeine Sach- und Verfahrensrüge“ erhoben.
Der BGH hat den Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 300 StPO in einen Antrag auf Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses vom 25.01.2021 (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) umgedeutet, der Erfolg hatte:
„1. Der Verwerfungsbeschluss erweist sich als rechtsfehlerhaft. Mangels wirksamer Zustellung des Urteils hat die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht am 21. Dezember 2020 zu laufen begonnen (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO). Denn eine Zustellung ist grundsätzlich nicht ordnungsgemäß bewirkt, wenn anstelle des Pflichtverteidigers eine andere Person das Empfangsbekenntnis unterschreibt (BGH, Beschlüsse vom 12. April 1988 – 4 StR 105/88, BGHR StPO § 37 Abs. 1 Pflichtverteidiger 1; vom 28. April 2005 – 4 StR 21/05, BeckRS 2005, 6315; vom 12. Februar 2014 – 1 StR 601/13, NStZ-RR 2014, 149; OLG Köln, Beschluss vom 19. Juni 2018 – 1 RVs 129/18, juris Rn. 1; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 345 Rn. 17 mwN; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 345 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 37 Rn. 19).
Eine Ausnahme hiervon liegt nicht vor. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Unterzeichner des Empfangsbekenntnisses, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht und wie der Verteidiger nur angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei, gemäß § 53 BRAO als Vertreter eingesetzt war und als solcher aufgetreten ist, sind nicht ersichtlich. Es kann deshalb dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vertretung eines Pflichtverteidigers bei der Bewirkung von Zustellungen überhaupt möglich ist (zur Vertretung bei der Revisionseinlegung s. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2018 – 5 StR 410/18, juris; vom 22. August 2001 – 1 StR 354/01, BGHR StPO § 346 Abs. 1 Form 2; vom 5. Februar 1992 – 5 StR 673/91, NStZ 1992, 248).“