Und dann noch die dritte Entscheidung des Tages, nämlich der BGH, Beschl. v. 12.08.2021 – 2 StR 325/20. Der führt – noch einmal aus – aus zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn das Tatgericht die Beweiswürdigung auf die Ergebnisse von gutachterlichen Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren stützt.
Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in 16 Fällen verurteilt. Die Strafkammer hatte ihre Überzeugung entscheidend auf die Ereignisse gutachterlicher Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren gestützt. Die dagegen gerichtet Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg:
„a) Die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten erweist sich in Bezug auf diese Verurteilungen als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung insoweit entscheidend auf die Ereignisse gutachterlicher Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren gestützt; deren Darstellung genügt jedoch nicht den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Anforderungen.
aa) Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass diese für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist. Deshalb muss das Tatgericht in den Urteilsgründen unter Angabe der Spurenart grundsätzlich mitteilen, wieviele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher ? numerischen ? Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Juni 2017 ? 2 StR 572/16, juris Rn. 12 f.; BGH, Urteile vom 2. Juni 2021 ? 6 StR 60/21, juris Rn. 9; vom 5. Juni 2014 ? 4 StR 439/13, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 6; Beschlüsse vom 26. Mai 2021 ? 5 StR 529/20, juris Rn. 3; vom 28. August 2018 ? 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 188 mwN) und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 ? 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594 mwN).
Reduzierte Darlegungsanforderungen bestehen bei DNA-Analysen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen; in diesen Fällen genügt die Mitteilung, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2020 ? 4 StR 408/20; vom 28. August 2018 ? 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 189). Erforderlich ist aber auch dann die Angabe des Wahrscheinlichkeitsergebnisses in numerischer Form; eine Mitteilung in verbalisierter Form ? etwa „es bestünden keine begründeten Zweifel“ an der Spurenurheberschaft des Angeklagten ? reicht mangels dahingehend vereinheitlichter Skala bislang jedenfalls nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Oktober 2019 ? 2 StR 341/19; BGH, Beschluss vom 20. August 2018 ? 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 191).
Bei Mischspuren, also Spuren, die mehr als zwei Allele in einem System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. zur Definition Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), wird von den Tatgerichten grundsätzlich weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wieviele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2020 ? 4 StR 408/20, juris Rn. 4; vom 29. November 2018 ? 5 StR 362/18, StV 2019, 331). Lediglich in Fällen, in denen Mischspuren eine eindeutige Hauptkomponente aufweisen (sog. Typ B, vgl. Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), gelten für die Darstellung der DNA-Vergleichsuntersuchung die für Einzelspuren entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 ? 6 StR 60/21, juris Rn. 9; Beschlüsse vom 3. November 2020 ? 4 StR 408/20; vom 29. Juli 2020 ? 6 StR 183/20 und 6 StR 211/20).
bb) Die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu den Taten II. 4, 6, 9, 11 bis 16, 18, 19 und 27 der Urteilsgründe genügen diesen Anforderungen nicht.
Das Landgericht teilt schon nicht mit, ob es sich bei den untersuchten Spuren jeweils um Einzelspuren oder Mischspuren handelt. Zwar lassen einzelne Formulierungen darauf schließen, dass der DNA-Vergleichsuntersuchung im jeweiligen Fall Mischspuren zugrunde lagen; dies gilt bezüglich Tat II. 13 („Mitverursacher“) sowie bezüglich jeweils einer von mehreren Spuren bei den Taten II. 16, 19 und 27 („Mischmerkmale“, „zusammen mit“ einem weiteren DNA-Profil, „Mitspurenverursacher“). Jedoch ist den Urteilsgründen weder zu entnehmen, um welchen Typ einer Mischspur es sich dabei handelte, noch ob im Übrigen durchweg Einzelspuren vorlagen.
Ungeachtet dessen genügen die Urteilsgründe den Darstellungsanforderungen weder in Bezug auf etwaige Einzelspuren, noch in Bezug auf Mischspuren. Die ? für beide Spurenarten erforderliche ? Mitteilung eines Wahrscheinlichkeitsergebnisses in numerischer Form findet sich allein zu einer Spur betreffend Tat II. 27 („Hypothese, dass der Angeklagte K. Mitspurenverursacher war, rein rechnerisch eine über eine Milliarde mal höhere Wahrscheinlichkeit […], als die Hypothese, dass der Angeklagte als Mitspurenverursacher auszuschließen sei“). Den übrigen Ausführungen ? zu den Taten II. 9, 12, 13 und 18, dass der Angeklagte „als Verursacher ermittelt“, „verifiziert“ oder „als Verursacher festgestellt“ worden sei bzw. zu den Taten II. 4, 6, 11, 14, 16 und 19, dass die Spuren das DNA-Profil des Angeklagten „aufwiesen“, diesem „entsprachen“ oder mit diesem „übereinstimmten“ sowie zu Tat II. 15 und zu einer Spur betreffend II. 27, dass seine Urheberschaft „praktisch bewiesen“ sei ? lässt sich keine den Darstellungsanforderungen genügende Wahrscheinlichkeitsangabe entnehmen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich nicht, dass im Rahmen der betreffenden Vergleichsuntersuchungen ein bestimmtes Wahrscheinlichkeitsergebnis ermittelt wurde.
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über eine Wahrscheinlichkeitsangabe hinaus für Mischspuren regelmäßig auch Mitteilungen zur Anzahl der untersuchten und übereinstimmenden Merkmalssysteme geboten sind, fehlt es überwiegend auch daran. Zwar wird gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsberechnungen mittlerweile standardmäßig die Untersuchung von 16 Systemen zugrunde liegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. April 2021 ? 4 StR 46/21, juris Rn. 12). Aus dem Umstand, dass die Strafkammer zu Tat II. 4 ausführt, dass die betreffende Spur „in allen 16 untersuchten Systemen mit dem Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimmte“ sowie zu Tat II. 19 feststellt, dass „in 16 voneinander unabhängigen Merkmalssystemen übereinstimmende Merkmale“ mit denen des Angeklagten bestanden, folgt jedoch nicht ohne Weiteres, dass dies bei allen untersuchten Spuren der Fall war.“
Ebenfalls eine „schöne“ Entscheidung, die die Rechtsprechung des BGH zu dieser Problematik schön zusammenstellt.