Im Kessel Buntes stelle ich dann heute zwei zivilverfahrensrechtliche Entscheidungen vor.
Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 94/21 – zur Fristwahrung bei Übermittlung des Schriftsatzes durch das beA. Es handelt sich um einen „Dieselfall“. Der Kläger nimmt den beklagten Kraftfahrzeughersteller wegen der Verwendung einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch. Das OLG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LG durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Der Vorsitzende des zuständigen OLG-Senats hat die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf Antrag des Klägers bis Donnerstag, 10.06.2021, einschließlich verlängert. Am Abend des 10.06.2021 versuchte der Prozessbevollmächtigte des Klägers um 21.33 Uhr, die Begründungsschrift über das beA an den BGH zu übermitteln. Im Übermittlungsprotokoll war der Status der Signaturprüfung mit „erfolgreich“ angegeben worden. In der Spalte „Meldungstext“ hieß es dagegen: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden.“ Der Sendestatus lautete „fehlerhaft“. Laut Prüfprotokoll vom 11.06.2021 (00.36 Uhr) ging das Dokument beim BGH am 11.06.2021 um 0.31 Uhr ein. Tatsächlich ist es dort aber nicht angekommen. Warum konnte nicht aufgeklärt werden. Der Kläger hat dann einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Den hat er damit begründet, dass sein Rechtsanwalt am Abend des 10.06.2021 habe davon ausgehen dürfen, dass die Übergabe erfolgreich gewesen sei. Das Protokoll von 21.33 Uhr habe den Eingang bestätigt. Der darin enthaltene Vermerk zur gescheiterten Übermittlung habe bisher nie der Weiterleitung entgegengestanden. Der Wiedereinsetzungsantrag hat der BGH zurückgewiesen:
„Der nach § 233 Satz 1, § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger ohne ihm zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten verhindert war, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Diese Frist lief am 10. Juni 2021, 24:00 Uhr, ab.
1. Die Begründungsschrift ist erst mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung am 14. Juni 2021 per beA bei Gericht eingegangen. Die vom klägerischen Prozessbevollmächtigten am Abend des 10. Juni 2021 über das beA versandte Begründungsschrift hingegen ist bei dem Bundesgerichtshof zu keinem Zeitpunkt eingegangen.
Nach § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument bei Gericht eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ein über das beA eingereichtes elektronisches Dokument ist wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es auf dem für dieses eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (im Folgenden: EGVP) gespeichert worden ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 Rn. 18, NJW 2021, 2201; Urteil vom 14. Mai 2020 – X ZR 119/18 Rn. 7 ff., WM 2021, 463).
Im vorliegenden Fall konnte die Begründungsschrift ausweislich des vorgelegten Übermittlungsprotokolls am 10. Juni 2021 nicht an den Intermediär des Gerichts übermittelt werden. Ein entsprechender Eingang fand nicht statt. Auch das Prüfprotokoll deutet jedenfalls nicht auf einen Eingang am 10. Juni 2021 hin.
2. Den klägerischen Prozessbevollmächtigten trifft hinsichtlich des nicht fristgerechten Eingangs der Begründungsschrift ein Verschulden, welches dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 Rn. 21 ff., NJW 2021, 2201; BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19, BAGE 167, 221, juris Rn. 20).
Gemessen daran hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen Kontrollpflichten nicht genügt. Er hätte bereits aufgrund des Übermittlungsprotokolls von 21:33 Uhr erkennen müssen, dass die Übermittlung „Fehlerhaft“ und eine Übermittlung an den Intermediär des Gerichts gescheitert war. Entgegen seiner Auffassung hat das Übermittlungsprotokoll von 21:33 Uhr den Eingang des Schriftsatzes gerade nicht bestätigt, sondern die Übermittlung ausdrücklich als „Fehlerhaft“ bezeichnet. Die Angabe „Erfolgreich“ betraf lediglich die Signaturprüfung, nicht jedoch den Versand. Auch ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor Fristablauf eine Eingangsbestätigung erhalten hat. Diese Umstände hätten ihn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt dazu veranlassen müssen, den Übermittlungsvorgang zu wiederholen, um einen noch fristgerechten Eingang der Begründungsschrift zu bewirken. Denn er hätte erkennen müssen, dass zumindest die Gefahr bestand, dass sein Schriftsatz nicht übermittelt worden war. Dass er nach der fehlgeschlagenen Übermittlung per beA noch einen weiteren Übermittlungsversuch innerhalb der noch laufenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unternommen hat, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
3. Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass das Verschulden des klägerischen Prozessbevollmächtigten ursächlich für die Fristversäumung war.
Liegt ein Verschulden im Sinne des § 233 Satz 1 ZPO vor, so kann Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass es sich nicht auf die Fristversäumung ausgewirkt hat. Nur wenn eine solche Auswirkung auszuschließen wäre, könnte trotz des Verschuldens Wiedereinsetzung gewährt werden. Besteht hingegen die Möglichkeit, dass die Versäumung der Frist auf dem festgestellten Verschulden beruht, scheidet eine Wiedereinsetzung aus (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2019 – IX ZB 6/18 Rn. 16, WM 2019, 2181; Beschluss vom 21. September 2000 – IX ZB 67/00, NJW 2000, 3649, juris Rn. 6).
Hier steht gerade nicht fest, dass ein in Ansehung der gescheiterten Übermittlung gebotener erneuter Übermittlungsversuch per beA noch vor Fristablauf ebenfalls fehlgeschlagen wäre. Entsprechendes wird vom Kläger auch nicht behauptet. So trägt der klägerische Prozessbevollmächtigte selbst vor, dass die Ursache für das Scheitern seines (einzigen) Übertragungsversuchs am 10. Juni 2021 im Unklaren geblieben sei, in den folgenden Tagen jedoch Versendungen per beA in unregelmäßigen Zeitfenstern möglich gewesen seien. Einer dauerhaften Störung bei einem Versand aus dem beA an das EGVP jedenfalls bis 24:00 Uhr des 10. Juni 2021 steht auch die klägerseits vorgelegte Mitteilung der beA-Anwenderbetreuung vom 16. Juni 2021 entgegen, wonach es lediglich „in Einzelfällen“ zu Versandfehlern bei einem Versand aus dem beA an Empfänger in der Justiz gekommen sei.“