Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Hamburg. Es geht im OLG Hamburg, Beschl. v. 05.02.2021 – 2 Ws 4/21 – um die Beteiligung des Betreuer in einem einem gegen den Betreuten durchgeführten Straf- oder Sicherungsverfahren. Das OLG sagt im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage, ob ein vom Betreuer eingelegtes Rechtsmittel zulässig ist: Grundsätzlich keine Beteiligung.
„Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin V. ist unzulässig, da sie zur Einlegung des Rechtsmittels nicht berechtigt gewesen ist.
1. Ein Handeln als bevollmächtigte Verteidigerin mit der hieraus folgenden Ermächtigung, im eigenen Namen (§ 297 StPO) Rechtsmittel einzulegen, ist ihrem Schreiben vom 18. Dezember 2020 nicht zu entnehmen. Das Rechtsmittel hat sie nicht kraft eigenen Rechts als Verteidigerin, sondern ausdrücklich „für den Betroffenen“ eingelegt. Der von ihr verwendete Begriff des Betroffenen zur Bezeichnung des Untergebrachten hat zudem betreuungsrechtlichen Bezug, denn er wird im betreuungsgerichtlichen Verfahren zur Bezeichnung des Betreuten als Verfahrensbeteiligten verwendet und findet sich auch auf dem Betreuerausweis, welchen die Rechtsanwältin zur Legitimation bereits im Überprüfungsverfahren vor der Strafkammer mit Schreiben vom 16. September 2020 unter Anzeige ihrer Betreuerbestellung zur Akte gereicht hat. Selbst auf die Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 13. Januar 2020, im Hinblick auf ihren Antrag auf Akteneinsicht eine Vollmacht vorzulegen, hat sich die Rechtsanwältin mit Schreiben vom 14. Januar 2021 zunächst wiederum auf ihre Betreuerbestellung bezogen.
2. Die Beschwerdeführerin ist auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Betreuerin des Untergebrachten zur Rechtsmitteleinlegung befugt gewesen.
a) Das eigene Recht eines gesetzlichen Vertreters zur Rechtsmitteleinlegung gemäß § 298 StPO setzt für den Betreuer voraus, dass sich dessen Aufgabenbereich speziell oder nach dem allgemeinen Umfang der Bestellung auf eine Betreuung als Vertreter im Strafverfahren bezieht (Senatsbeschluss vom 17. Juni 2013, Az.: 2 Ws 23-25/13; OLG Hamm NStZ 2008, 119; LR/Jesse, § 298 Rn. 3). Grundsätzlich ist in einem gegen den Betreuten durchgeführten Straf- oder Sicherungsverfahren der Betreuer nicht zu beteiligen. Die funktionsbedingte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten, für den ein Betreuer bestellt ist, legt das Strafverfahrensrecht allein in die Hände des – notwendigen – Verteidigers (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Juni 2013, a.a.O.; BGH NStZ 1996, 610). Für das Strafvollstreckungsverfahren gilt nichts anderes.
Gemäß § 1902 BGB vertritt der Betreuer in seinem Aufgabenkreis den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich, so dass in der Betreuerbestellung ausdrücklich auch für einen Aufgabenkreis der „Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten“ im Regelfall lediglich eine entbehrliche, aber unschädliche Klarstellung hinsichtlich der sich aus der Vorschrift ergebenden Vertretungsberechtigung des Betreuers liegt, es sei denn, der Betreute neige krankheitsbedingt dazu, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen (BGH NJW-RR 2016, 387; KG FamRZ 2008, 919). Anderenfalls muss in der Bestimmung des Aufgabenkreises ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden, für den die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers besteht (Senatsbeschluss vom 17. Juni 2013, a.a.O.; BGH a.a.O.; OLG Hamm NStZ 2008, 119; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1166). Fehlt es hieran, ist im Hinblick auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Bestimmtheit des Aufgabenkreises eine Vertretungsbefugnis des Betreuers in dem konkreten Gerichtsverfahren nicht gegeben (OLG Brandenburg a.a.O.).
b) Nach diesen Maßstäben zählte die Vertretung des Untergebrachten im Verfahren über die Überprüfung, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB fortzudauern hat, nicht zu den Aufgabenkreisen der Betreuerin.
Im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung war die Betreuerin nach dem Inhalt ihres Betreuerausweises vom 11. Juni 2020 und dem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg – Betreuungsgericht – vom 28. April 2020 für die Aufgabenkreise der „Vermögenssorge“ sowie „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern“ bestellt. Während der erstere bereits von vornherein als Grundlage ausscheidet, kommt der letztere mangels Bezugs zu dieser konkreten Rechtssache nicht in Betracht, abgesehen davon, dass die Vertretung in Gerichtsverfahren nicht einmal als solche erwähnt ist. Gerichte sind als Teil der dritten Staatsgewalt keine Behörden im Sinne von Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG); in der Aufzählung neben Versicherungen und Renten- und Sozialleistungsträgern sind nur solche Behörden gemeint.
Die nachträgliche – nach Einlegung der sofortigen Beschwerde – mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 19. Januar 2021 vorgenommene Erweiterung des Aufgabenkreises hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gegen den angefochtenen Beschluss vor dem Senat ändert nichts an diesem Befund. Zum einen wirkt die Entscheidung nicht auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung zurück (vgl. § 287 Abs. 1, 2 FamFG), zum anderen wäre mit der Erweiterung des Umfangs der Betreuerbestellung auf eine „Vertretung in dem Beschwerdeverfahren“ nicht die Befugnis begründet, durch Rechtsmitteleinlegung ein Beschwerdeverfahren überhaupt erst herbeizuführen.
3. Die nachträgliche Erweiterung des Aufgabenkreises hat auch im übrigen keine Heilung des Handelns ohne Vertretungsmacht der Beschwerdeführerin bei Rechtsmitteleinlegung bewirkt.
Zwar kann auch ein Vertreter, der nicht Verteidiger oder Betreuer ist, für den Beschuldigten Rechtsmittel einlegen; dann bedarf es aber des Nachweises einer Vollmacht, die bei der Rechtsmitteleinlegung erteilt gewesen sein muss (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 297 Rn. 4; KK/ Paul, § 298 Rn. 3; LR/Jesse, § 298 Rn. 9). An einem solchen – auch noch nach Ablauf der Einlegungsfrist möglichen – Nachweis fehlt es hier aber. Die Erklärung der Rechtsanwältin mit Schreiben vom 14. Januar 2021, sie zeige die rechtliche Vertretung für den Betroffenen an, sollte das Gericht weiterhin die Vorlage einer Vollmacht erbitten, stellte den Umständen nach bereits inhaltlich keine anwaltliche Versicherung dar, eine Vollmacht sei erteilt.
Eine nachträgliche Genehmigung des Berechtigten kann die Unwirksamkeit nicht mehr beheben (Senatsbeschluss vom 28. Februar 2003, Az.: 2 Ws 44/03; RGSt 66, 265; LR/Jesse, § 298 Rn. 5). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob in der Mitteilung der Rechtsanwältin vom 19. Januar 2021 bezüglich der Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden mit der Erklärung, es werde die Vertretung für das gegenständliche Verfahren angezeigt, zugleich auch eine Genehmigung namens des Untergebrachten in Bezug auf ihre Rechtsmitteleinlegung erblickt werden könnte. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fordernde Sicherstellung eines geordneten Verfahrens verlangen einen zweifelsfreien Bestand der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechtsmittels gerichteten Willenserklärung; hiermit ist ein Schwebezustand unvereinbar (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2003 und RG, jeweils a.a.O.; vgl. auch § 180 S. 1 BGB).“