Beweiswürdigung III: „Aussage-gegen-Aussage“ oder: Besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung

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Die dritte Entscheidung zur Beweiswürdigung kommt dann vom BayObLG. Das hat im BayObLG, Beschl. v. 12.07.2021 – 202 StRR 76/21 (noch einmal) zu den besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ Stellung genommen.

Das LG hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, der bestritten hat. Das BayObLG hebt auf. Es beanstandet die Beweiswürdigung.

Hier dann – war schon so viel zu lesen heute 🙂 – die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation sind besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen. Der Tatrichter muss in derartigen Fällen den entscheidenden Teil der verschiedenen Aussagen des Belastungszeugen, auch solchen, die im Ermittlungsverfahren erfolgt sind, im Urteil wiedergeben, weil dem Revisionsgericht sonst die rechtliche Überprüfung der für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit relevanten Aussagekonstanz nicht möglich ist. Dies gilt vor allem, soweit es um die Schilderung von Details zum Kerngeschehen geht und auch die Plausibilität der Zeugenaussage hiervon abhängt.

2. Die Wertung des Tatrichters, der Belastungszeuge habe „ohne Übertreibungen ausgesagt“, stellt einen Zirkelschluss dar, wenn der Tathergang mangels anderer Beweismittel allein aufgrund des Inhalts der Aussage dieses Zeugen festgestellt wurde.

3. Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, aus einer Lüge des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung Schlüsse zu ziehen. Allerdings muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass der Widerlegung einer Einlassung nur ein begrenzter Beweiswert zukommt, weil auch ein Unschuldiger, wenn er befürchtet, er könnte zu Unrecht verurteilt werden, gegebenenfalls die Zuflucht zur Lüge nehmen kann.

3 Gedanken zu „Beweiswürdigung III: „Aussage-gegen-Aussage“ oder: Besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung

  1. RichterimOLGBezirkMuenchen

    „… Die Zuflucht zur Lüge nehmen kann“ klingt irgendwie nicht nach einem semantisch korrekten Satz. Bin allerdings kein Deutschlehrer.

    Man „sucht“ doch Zuflucht „in“ oder flüchtet sich „in“ XY?

  2. Thomas Scheffler

    Herr RichterimOLGBezirkMuenchen,

    das ist genau der Unterschied: Man flüchtet sich IN den Alkohol, aber man nimmt Zuflucht ZUM Alkohol. Die Formulierung ist korrekt.

    Und dass Sie kein Deutschlehrer sind, entlastet Sie nicht, denn Lehrer müssen die Sprache nur lehren – Juristen sollten sie beherrschen.

  3. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Wieder was gelernt. Cool.

    Ich habe übrigens noch keinen Juristen (mich eingeschlossen) getroffen, der die Sprache beherrscht. Mir genügt derweil, dass ich das Recht beherrsche.

    Und was Sie so mit dem Alkohol machen, ist Ihre Privatsache 😉

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