StPO I: Besetzungseinwand, oder: Begründung wie eine Verfahrensrüge

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Hier dann der Start in die 24. KW. Und der in dieser Woche ohne Corona – passen zu den sinkenden Inzidenzen. Es gäbe sicherlich noch die ein oder andere verwaltungsrechtliche Entscheidung, aber inzwischen sind die Fragen ja alle – teils mehrfach – durchgekaut. Es wird dann aber sicherlich bald wieder los gehen, denn „man“ hat ja entdeckt, dass nun die Masken stören. Mann, Mann, Mann – wenn das nur alles gut geht Frau Lambrecht und Herr Kubicki. Muss die Diskussion sein?

Jedenfalls hier heute „corona-frei“, dafür StPO-Entscheidungen. Und ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 01.03.2021 – 4 Ws 14/21, der noch einmal Stellung nimmt zu dem (neuen) Besetzungseinwand nach § 222b StPO. Der Angeklagte hat sich mit seinem Besetzungseinwand gen die Mitteilung der Kammerbesetzung gewandt. Er rügt, die Kammer in der am 4. Februar 2021 begonnenen Hauptverhandlung in unzulässiger Weise lediglich mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt sei, denn aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sei in diesem Fall die Besetzung mit drei Berufsrichtern erforderlich. Dem Angeklagten werde mit der Anklageschrift unter anderem zur Last gelegt, in zwei Fällen Teile einer Maschinenpistole veräußert zu haben, wobei die waffenrechtliche Beurteilung der Gegenstände „nicht ganz unproblematisch“ sei, da in der Hauptverhandlung zu klären sei, ob die veräußerten Gegenstände Teile sogenannter Dekorwaffen seien und ob diese unter das Waffengesetz fielen. Insbesondere habe es in der Vergangenheit „zahlreiche Gesetzesänderungen […] über die Unbrauchbarmachung von Teilen für Dekowaffen und weiterhin Regelungen zum Bestandsschutz für ältere Waffenteile“ gegeben. Die seitens der Kammer geplante Vernehmung eines Sachverständigen gebiete die Dreierbesetzung.

Das KG hat den Einwand als unzulässig zurückgewiesen:

„b) Allerdings genügt der Einwand in formeller Hinsicht nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO (in der seit dem 13. Dezember 2019 gültigen Fassung vom 10. Dezember 2019) zu stellenden Anforderungen, wonach die Tatsachen, aus denen sich die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung ergeben soll, anzugeben sind.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 hat der Gesetzgeber das Vorabentscheidungsverfahren eingeführt, um frühestmöglich Klarheit über die zutreffende Gerichtsbesetzung zu schaffen (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 29). Es ersetzt damit die nach altem Recht im Wege der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO mit dem Rechtsmittel der Revision zu erhebende Rüge der ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Vorabentscheidungsverfahren im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein und die für die alte Rechtslage vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen (vgl. insoweit BGHSt 44, 161) sowie die Begründungsanfor-derungen gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO – in der bis zum 12. Dezember 2019 geltenden Fassung – erhalten bleiben (vgl. BT-Drucks. aaO).

Entsprechend einer Rüge der Gerichtsbesetzung im Revisionsverfahren gem. § 344 Abs. 2 StPO erfordert die Rüge daher eine geschlossene und vollständige Darstellung der Verfahrenstatsachen; alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen müssen aus sich heraus – das heißt, ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf andere Schriftstücke, insbesondere Anlagen, Aktenbestandteile oder Schriftsätze anderer Verfahrensbeteiligten – so konkret und vollständig innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO vorgebracht werden, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird (vgl. [zur alten Rechtslage] BGHSt aaO; [zur unveränderten neuen Rechtslage] OLG Celle StraFo 2020, 159; OLG München, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 2 Ws 138/20, 2 Ws 139/20 –, juris). Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen (OLG Celle aaO).

c) Diesen Anforderungen genügt die Besetzungsrüge nicht. Zwar bedurfte es der – von der Generalstaatsanwaltschaft vermissten – umfassenden Darstellung des Gegenstands des Verfahrens in der Rüge nicht, da sich dieser aus der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss der Kammer, welche der Senat im Revisionsverfahren und damit auch im Überprüfungsverfahren nach § 222b StPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. [bezüglich des Revisionsverfahrens] Gericke in KK-StPO, 8. Auflage, § 344 Rn. 39 sowie § 352 Rn. 16 jeweils mwN; [bezüglich § 222b StPO] Schneider, jurisPR-StrafR 10/2020 Anm. 2), ergibt.

Das Rügevorbringen des Verteidigers ermöglicht dem Senat – auch im Zusammenspiel mit der Anklageschrift – gleichwohl keine abschließende Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GVG, denn weder der Rüge noch der Anklageschrift lässt sich entnehmen, zu welchen Fragen der in der Beweismittelliste der Anklageschrift als sachverständiger Zeuge aufgeführte Dipl.-Ing. Treu vom LKA KTI 31 gehört werden soll; auch teilen weder der Einwand noch die Anklageschrift zumindest die wesentlichen Inhalte des schriftlichen Sachverständigengutachtens mit. Dies wäre zum formgerechten Vortrag beim Besetzungseinwand aber erforderlich, da sich ausweislich des Rügevorbringens aus der Einvernahme des Sachverständigen die behauptete Notwendigkeit der Dreierbesetzung ergeben soll.

Der Einwand genügt den formellen Vorgaben auch deshalb nicht, weil er keine Darstellung aller für die Besetzung relevanten Verfahrensvorgänge (vgl. zu diesem Erfordernis BGH NStZ 2018, 110; OLG München aaO; Gericke aaO, § 344 Rn. 45) enthält. Denn nur so ist es dem Senat möglich, die Rechtzeitigkeit des Einwands prüfen zu können, ebenso den Umfang der (möglichen) Besetzungsrüge, denn die Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO beginnt nicht bei jeder Besetzungsänderung für die gesamte Kammerbesetzung neu zu laufen, sondern nur für die neu hinzugekommene zur Urteilsfindung berufene Person (vgl. OLG München aaO; Claus, NStZ 2020, 57). Alles andere würde dem Zweck des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens zuwiderlaufen, welches die Beschleunigung des Strafverfahrens zum Ziel hat und durch das neu eingeführte Vorabentscheidungsverfahren zeitnahe Rechtssicherheit über die ordnungsgemäße Besetzung der Gerichte schaffen will (vgl. BT-Drs aaO, S. 1, 29 ff.). Würde man mit jeder Mitteilung der Änderung der Gerichtsbesetzung erneut die gesamte Kammerbesetzung zur Überprüfung stellen, liefe die beabsichtigte Beschleunigung ins Leere (vgl. OLG München aaO).

Das Rügevorbringen teilt insoweit lediglich mit, dass am 3. Februar 2021 die Mitteilung der Besetzung erfolgt sei, gibt aber bereits den Inhalt der Mitteilung nicht wieder; insbesondere offenbart die Rüge nicht, dass – was der Senat dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2021 entnimmt – es sich lediglich um eine Änderung einer bereits zuvor erfolgten Besetzungsmitteilung handelte. Der Besetzungseinwand verschweigt insoweit für die Fristberechnung maßgebliche Umstände, namentlich den Inhalt sämtlicher Besetzungsmitteilungen einschließlich deren Zustellungszeitpunkte, denn nach Maßgabe der obigen Grundsätze beginnt die Wochenfrist bezogen auf die Mitteilung der Besetzung mit zwei Berufsrichtern bereits mit förmlicher Zustellung der ersten Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO zu laufen. Diese Frist wird auch (wiederum bezogen auf die Besetzung mit zwei bzw. drei Berufsrichtern) nicht dadurch neu in Gang gesetzt, wenn – insbesondere wegen des Wechsels einzelner Gerichtspersonen – nachträglich geänderte Mitteilungen der Besetzung des Gerichts ergehen.

Da die Darstellung der für die Besetzung relevanten Verfahrensvorgänge vorliegend auch nicht ausnahmsweise entbehrlich war, ist die Rüge nicht in der erforderlichen Form angebracht worden und somit bereits unzulässig.“

 

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