Und zum Tagesschluss dann eine OLG-Entscheidung zur Verfahrensrüge bei/nach Berufungsverwerfung (§ 329 Abs. 1 StPO). Es handelt sich um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.01.2021 – 1 Ss 221/20. Der Angeklagte hatte gegen das Verwerfungsurtel geltend gemacht, dass er nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Dazu dann das OLG, das die Verfahrensrüge als unzulässig angesehen hat:
„1. Die erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entspricht.
Der Angeklagte rügt, nicht ordnungsgemäß geladen worden zu sein. Die ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten als Berufungsführer ist Voraussetzung für den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 329 Abs. 1 StPO. Das Fehlen dieser Voraussetzung kann vom Angeklagten im Revisionsverfahren nur mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Diese ist in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO anzubringen. Danach müssen die den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.1995 – 2 Ss 72/95, NStZ-RR 1996, 245; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2006 – 5 Ss 570/05, juris Rn. 8; KG, Urteil vom 16.06.2008 – 1 Ss 44/08, NStZ 2009, 111 f.). Erst dann, wenn die Revisionsschrift diesen Anforderungen gerecht wird, ist vom Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zu prüfen, ob die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung ordnungsgemäß erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1986 – 1 StR 207/86, NJW 1987, 1776 <1777>; OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2004 – 4 Ss 359/04, NStZ-RR 2005, 114; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2006 – 5 Ss 570/05, juris Rn. 8).
Nach diesen Maßstäben ermöglicht die Revisionsschrift dem Senat nicht die Überprüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden.
Der Angeklagte begründet seine Revision lediglich damit, die Ladung zur Berufungshauptverhandlung nicht erhalten zu haben. Die Ladung sei seinerzeit der Drogenberatungsstelle (DROBS) in (…) zugestellt worden. Eine telefonische Nachfrage bei dieser Einrichtung habe ergeben, dass dort über den Erhalt eines solches Schreibens kein Buch geführt oder sonst der Eingang registriert werde. Daher könne nicht gesagt werden, ob der Angeklagte die Ladung erhalten habe. Auch die Tatsache, dass er seinerzeit im erstinstanzlichen Verfahren die Ladung über die DROBS tatsächlich erhalten habe, rechtfertige nicht den Schluss, dass dies im Berufungsverfahren ebenfalls geschehen sei. An seinem Fernbleiben im Termin treffe den Angeklagten mithin keine Schuld.
Diese Angaben sind zur Darlegung eines Ladungsmangels unzureichend.
Wird für die Ladung der zwar nicht gesetzlich vorgeschriebene, aber in Nr. 117 Abs. 1 Satz 1 RiStBV empfohlene Weg der Zustellung gewählt und erfolgt diese in Form der Ersatzzustellung, dann ist es für die Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Ladung als Voraussetzung für ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ohne Belang, ob der Angeklagte das Schriftstück tatsächlich erhalten und zur Kenntnis genommen hat; es genügt, dass ihm in einer den Anforderungen verfahrens-, insbesondere zustellungsrechtlicher Vorschriften genügenden Weise Gelegenheit dazu gegeben worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.1995 – 2 Ss 72/95, NStZ-RR 1996, 245).
Letzteres ist hier der Fall. Die Ladung zur Berufungshauptverhandlung erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde an den Angeklagten unter der Anschrift der DROBS in (…) durch Übergabe der Terminsladung an einem zum Empfang berechtigten Vertreter dieser Gemeinschaftseinrichtung, nachdem der Angeklagte selbst dort nicht angetroffen werden konnte. Damit liegen im Ausgangspunkt die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Ersatzzustellung gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor. Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn der Angeklagte in dieser Einrichtung im Zeitpunkt der Zustellung nicht seinen räumlichen Lebensmittelpunkt gehabt (vgl. vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12.06.2018 – 1 RVs 107/18, StraFo 2019, 21), dort also weder gelebt noch insbesondere geschlafen hätte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2004 – 4 Ss 359/04, NStZ-RR 2005, 114; Schultzky, in: Zöller, ZPO33, § 178 Rn. 20).
Hierzu verhält sich die Revisionsbegründung indes mit keinem Wort, obwohl die vorliegende Fallgestaltung gerade Gegenteiliges nahelegt: So ist der Angeklagte bereits in erster Instanz unter der Adresse der DROBS geladen worden. Der sodann im Termin vor dem Amtsgericht erschienene Angeklagte hat ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls gegenüber dem Gericht ausdrücklich erklärt, unter dieser Adresse wohnhaft zu sein und dort ein Postfach zu haben. Daher durfte das Landgericht Aurich im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung mangels anderweitiger – jedenfalls im Rahmen der Revision nicht vorgetragener weiterer – Erkenntnisse ohne weiteres davon ausgehen, dass der Angeklagte über die Adresse der DROBS wirksam geladen werden konnte. Mit anderen Worten, angesichts der Tatsache, dass der (erst- wie zweitinstanzlichen) Postzustellungsurkunde bei der Ersatzzustellung hinsichtlich des tatsächlichen Lebensmittelpunkts des Adressaten zwar nicht die volle Beweiskraft des § 418 ZPO, immerhin aber eine Indizwirkung zukommt, hätte diese Wirkung auch im Rechtsmittelverfahren – wie hier – im Fall der Geltendmachung nicht offen- oder aktenkundiger Ladungsmängel durch die schlüssige und plausible Darlegung konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte entkräftet werden müssen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.01.2003 – 5 Ws 75/02, juris Rn. 5 f.).
Vor diesem Hintergrund reicht die bloße Behauptung, dass der Eingang der Ladung bei der DROBS nicht registriert und diese auch nicht an ihn weitergeleitet worden sei, als Revisionsvorbringen nicht aus, was zur Folge hat, dass die Verfahrensrüge insgesamt unzulässig ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2004 – 4 Ss 359/04, NStZ-RR 2005, 114 <115>).“