Und die dritte Entscheidung ist dann ein amtsgerichtlicher Beschluss, nämlich der AG Auerbach, Beschl. v. 26.01.2021 – 3 Cs 500 Js 24368/20. In ihm geht es um das Formerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO – also Stellung des Strafantrags.
Die StA hat den Erlass eines Strafbefehls wegen Beleidigung zu Lasten der Mitarbeiterin des Jobcenters vom 11.08.2020. Strafantrag wurde lediglich durch den Dienstvorgesetzten der Geschädigten per Onlineanzeige vom 12.08.2020 gestellt. Der Dienstvorgesetzte bediente sich dabei der Onlinewache der Polizei Sachsen und beantwortete die dort gestellte Frage „Stellen Sie Strafantrag?“ mit „Ja“.
Das AG hat das Verfahren eingestellt:
„Die Beleidigung kann gem. § 194 Abs. 1 S. 1 StGB nur auf Antrag verfolgt werden. Gemäß § 194 Abs. 3 StGB ist auch eine Antragstellung durch den Dienstvorgesetzten grundsätzlich möglich. Allerdings unterliegen alle Strafanträge wegen Beleidigung der Formvorschrift des § 158 Abs. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Strafantrag bei Straftaten, den Verfolgung nur auf Antrag möglich ist, bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. Daraus folgt, dass der Strafantrag bei der Polizei schriftlich zu stellen ist.
Die Schriftform ist jedenfalls dann gewahrt, wenn der Strafantrag der Form Vorschrift des § 126 BGB genügt. Danach muss die Urkunde eigenhändig zumindest durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Insgesamt werden aber keine hohen Anforderungen in diesem Zusammenhang gestellt. So genügt es, wenn der Strafantragsteller gegenüber der Polizei seinen Verfolgungswillen unmissverständlich und schriftlich zum Ausdruck bringt, vgl. BGH NStZ 1995, 353. Dementsprechend kann auch im Rahmen der schriftlichen Strafanzeige konkludent der Strafantrag enthalten sein. Auch wird das Merkmal schriftlich im Allgemeinen weit, d. h. über die Grenzen des § 126 BGB hinaus ausgelegt. Schriftlich wird danach als schriftlich niedergelegt, nicht aber zwingend als unterschrieben verstanden. So wurde es als ausreichend angesehen, dass ein Antragsteller im Rahmen seiner polizeilichen Zeugenvernehmung selbst auf Tonband den Strafantrag aufspricht und dieser dann durch die Polizei in ein schriftliches Protokoll umgesetzt wird, vgl. Bayrisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.04.1997, 5 StRR 18/97. Entscheidend sei, dass der Zweck der Formvorschrift, nämlich die Sicherstellung der Identität des Erklärenden und des Inhalts der Erklärung, gewahrt wird.
Diesen letzten Gedanken aufgreifend wird vereinzelt auch vertreten, dass ein über die Onlinewachen der einzelnen Polizeiverwaltungen eingereichter Strafantrag dem Formerfordernis genüge, vgl. Jesse DRiZ 2018, 28. Diese Auffassung wird jedoch nicht geteilt. Es ist bereits fraglich, ob allein durch die Angaben im Rahmen der Onlineanzeige die oben beschriebene Hauptfunktion des Schriftformerfordernisses, nämlich die zweifelsfreie Zuordnung der Erklärung zum Antragsteller als Basis für weitere Ermittlungen, durch eine Onlineanzeige gewahrt werden könnte. Die Nutzung der Onlinewache bleibt im Kern ein anonymer Vorgang. Selbst wenn dabei die IP-Adresse erfasst wird, lässt sich damit allenfalls der genutzte Computer, nicht aber der Nutzer identifizieren. Dies ist ein entscheidender Unterschied zur oben zitierten Rechtsauffassung des Bayrischen Oberlandesgerichts. Bei der Onlineanzeige findet gerade kein persönlicher Kontakt zwischen Polizei und Antragsteller statt, der weitere konkrete Überprüfungsmöglichkeiten im weiteren Verfahren, insbesondere durch Befragen des aufnehmenden Polizeibeamten, ermöglicht.
Darüber hinaus dient ein Schriftformerfordernis nicht nur dem Schutz des Erklärungsempfängers, sondern auch des Erklärenden. Er soll vor den Folgen einer weitreichenden aber überhastet abgegebenen Erklärung geschützt werden. Denn in der Regel geht mit der Abgabe einer schriftlichen Erklärung das Bewusstsein einher, eine Erklärung von erheblicher Tragweite abzugeben. Nichts anderes gilt, wenn die Erklärung persönlich zum Zwecke der späteren Niederschrift persönlich vor einem Polizeibeamten abgegeben wird, s. o. Für den Strafantrag gilt diese Schutzfunktion aus zweierlei Gründen. Zum einen betreffen die reinen Antragsdelikte im Sinne des § 158 Abs. 2 StPO häufig Straftatbestände, die im engen persönlichen Umfeld des Antragstellers verwirklicht wurden. Mit dem Erfordernis des Strafantrags hat der Gesetzgeber in den §§ 194 und 247 StGB ausdrücklich dem Geschädigten die Wahl gelassen, ob eine staatliche Einmischung in diese engen persönlichen Verhältnisse durch die Strafverfolgung erfolgen soll oder nicht. Zum anderen zieht ein gestellter Strafantrag für den Fall der Rücknahme auch immer die Kostenfolge des § 470 StPO nach sich. Diese finanziellen Auswirkungen können, etwa wenn sich der Beschuldigte eines Rechtsbeistands bedient, sehr erheblich sein. Gerade vor diesen persönlichen und wirtschaftlichen Folgen eines gegebenenfalls überhastet und unüberlegt gestellten Strafantrags schützt das Schriftformerfordernis im § 158 Abs. 2 StPO. Diese Schutzfunktion der Schriftform würde völlig aufgegeben, folgte man der Auffassung, auch einen nur online gestellten Strafantrag im Sinne des § 158 Abs. 2 StPO genügen zu lassen.“