Der Taschenrechner ist ein „elektronisches Gerät“, oder: BGH entscheidet Vorlage

Heute Start in die 12. KW. Und ich starte heute dann mal ohne Corona – zumindest hier. Man muss dieses „Monothema“ nicht, wenn man man keine Entscheidungen hat, die zu meinem Themenkreis passen, noch künstlich mit Entscheidungen pushen, die nicht unbedingt passen.

Daher heute also „buiseness as usual“ mit zwei Entscheidungen, die ich bisher immer zurückgestellt habe.

Zunächst ein BGH-Beschluss aus dem OWi-Bereich, über den auch schon an anderer Stelle berichtet worden ist, nämlich der BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – 4 StR 526/19. Die Entscheidung ist auf Vorlage des OLG Hamm ergangen (dazu OWi I: Ist ein Taschenrechner ein elektronisches Gerät?, oder: Auf dem Weg zum BGH), über die der BGH dann jetzt endlich entschieden hat. Warum das so lange gedauert hat, versteht man nicht. Und dann erfolgt auch erst Mitte Februar die Online-Stellung.

Der BGH hat die Vorlagefrage des OLG Hamm, das gefragt hatte:

„Fällt ein reiner (elektronischer) Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation bzw. der Unterhaltungselektronik oder der Ortsbestimmung dient bzw. dienen soll, unter § 23 Abs. 1a StVO?“

etwas enger gefasst, dann aber bejaht:

„Der Senat fasst die Vorlegungsfrage daher wie folgt:

Unterfällt ein elektronischer Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?

III.

Der Senat entscheidet die Vorlagefrage wie aus der Beschlussformel ersichtlich.

Durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I, S. 3549) ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO grundlegend umgestaltet worden. An die Stelle der früheren, vom Verordnungsgeber nicht mehr als zeitgemäß erachteten Verbotsnorm des § 23 Abs. 1a StVO aF, die lediglich für Mobil- oder Autotelefone galt, ist eine als Gebotsvorschrift ausgestaltete Bestimmung getreten, welche die Voraussetzungen regelt, unter denen die in der Vorschrift genannten elektronischen Geräte beim Führen eines Fahrzeugs benutzt werden dürfen. Mit der Neuregelung verfolgte der Verordnungsgeber den Zweck, im Interesse einer Verbesserung der Verkehrssicherheit die Reichweite der Regelung über den bisherigen Bereich der Mobil- und Autotelefone hinaus auszudehnen und eine Benutzung der in der Vorschrift näher bezeichneten elektronischen Geräte davon abhängig zu machen, dass die Hände des Fahrzeugführers während der Fahrt grundsätzlich zur Bewältigung der Fahraufgaben zur Verfügung stehen und der Blick des Fahrzeugführers im Wesentlichen . von kurzen Blickabwendungen abgesehen . auf das Verkehrsgeschehen konzentriert bleibt (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 556/17, S. 16, 25 f.). § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO schreibt unter anderem vor, dass derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen darf, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und die weiteren in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 StVO normierten Anforderungen an die mit der Benutzung verbundenen Tätigkeiten erfüllt sind.

Zu den elektronischen Geräten, die der Information dienen oder zu dienen bestimmt sind, gehört auch ein elektronischer Taschenrechner. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO.

1. Nach der Wortbedeutung des Begriffs der Information handelt es sich bei elektronischen Geräten zur Information um Geräte, die der Unterrichtung über jegliche einer Mitteilung zugängliche Umstände dienen (vgl. OLG Karlsruhe, VRS 134, 194, 198; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. Juli 2019 . 1 Ss (OWi) 87/19; Will, NJW 2019, 1633, 1636). Für die Informationsfunktion des Geräts ist es ausgehend vom Wortsinn weder von Bedeutung, ob der Gegenstand der Unterrichtung bereits in dem Gerät gespeichert vorhanden ist oder erst im Wege der Datenübertragung auf das Gerät übermittelt wird, noch hängt sie davon ab, dass der Gegenstand der Unterrichtung im Zuge der Gerätenutzung auf dem Gerät gespeichert wird. Danach ist auch die Durchführung einer Rechenoperation mittels eines elektronischen Taschenrechners zur Ermittlung eines auf dem Gerät ablesbaren Ergebnisses als Informationsvorgang anzusehen, so dass der Taschenrechner nach dem Wortlaut der Norm als Gerät zur Information der Regelung des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO unterfällt.

2. Mit der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO wollte der Verordnungsgeber das Benutzen elektronischer Geräte während des Führens eines Fahrzeugs nicht ausnahmslos untersagen. Ausweislich der Verordnungsbegründung sollte aber die Nutzung von Geräten aus den in der Vorschrift im einzelnen aufgeführten Gerätekategorien im Interesse der Verkehrssicherheit an die Erfüllung der strengen Anforderungen geknüpft werden, die in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und 2 StVO normiert sind. Den Materialien zu der Änderungsverordnung ist weiterhin zu entnehmen, dass die in der Bestimmung genannten Gerätekategorien umfassend der Nutzungsregelung des § 23 Abs. 1a StVO unterstellt werden sollten (vgl. BR-Drucks. 556/17, S. 3, 16). Der ausdrücklich verlautbarte Wille des Verordnungsgebers, sämtliche Geräte aus den aufgeführten Gerätekategorien zu erfassen, spricht für eine weite, die Wortbedeutung ausschöpfende Auslegung des Tatbestandsmerkmals des der Information dienenden Gerätes. Die in der Verordnungsbegründung beispielhaft genannten Geräte (vgl. BR-Drucks. 556/17, S. 27) zeigen zudem ebenso wie die Geräte, die Gegenstand der in § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO aufgenommenen klarstellenden Einbeziehungsregelung sind, dass es für die Subsumtion unter die Gerätekategorien des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO . von den Geräten der elektronischen Kommunikation abgesehen . weder auf eine Datenübertragung auf das Gerät noch eine Speicherfunktion des Geräts ankommen sollte.

3. Schließlich streitet auch der Zweck der Vorschrift für dieses Auslegungsergebnis. Die Bestimmung des § 23 Abs. 1a StVO dient dem Ziel, durch eine Regelung der Anforderungen, die bei der Nutzung der tatbestandlich erfassten elektronischen Geräte während des Führens eines Fahrzeugs einzuhalten sind, Gefahren für die Verkehrssicherheit zu verhindern, die aus einem Aufnehmen und Halten des Geräts oder einer mit der Gerätenutzung verbundenen nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigung der visuellen Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens resultieren können. Eine solche Gefahrenlage ist auch bei der Benutzung eines elektronischen Taschenrechners beim Führen eines Fahrzeugs gegeben.“

Damit ist die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob ein Taschenrechner ein elektronisches Gerät i.S. des § 23 Abs. 1a StVO darstellt, entschieden, und zwar im Sinne der Rechtsprechung und Literatur, die eine weite Auslegung der Vorschrift als zutreffend ansieht. Damit ist nun also – obergerichtlich abgesegnet –, dass die Benutzung eines Taschenrechners beim Führen eines Kraftfahrzeugs ebenso gefährlich/verboten ist wie die eine Tablet-Computers, Touchscreens oder von Fernbedienungen oder Joysticks für im Fahrzeug befindliche Geräte im Sinne der Norm (OLG Köln, Beschl. v. 5.2.2020 – III-1 RBs 27/20). Bei dem ein oder anderen Gerät erschließt es sich nicht unbedingt, beim Taschenrechner fragt man sich allerdings schon: Warum muss ich beim Autofahren einen Taschenrechner benutzen? Hier hatte der Betroffene die Provision eines bevorstehenden Kundentermins berechnen wollen. Dann muss ja nun wirklich nicht sein.

Und bei der Gelegenheit <<Werbemodus an>>: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., steht vor der Tüt. Das Buch soll/wird hoffentlich am 26.03.2021 – als am Freitag – erscheinen. Vorbestellungen sind natürlich noch möglich. Und zwar hier. <<Werbemodus aus>>.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert