Karneval fällt ja in diesem Jahr weitgehend aus. Ich finde es übrigens wohltuend, im öffentlichen rechtlichen Fernsehen – aber auch bei den Privaten – nicht wochenlang mit irgendwelchen „Karnevalssitzungen“ überschwemmt zu werden. Aber das werden „Karnavalsfans“ sicherlich anders sehen.
Aber ganz ohne Karneval geht dann doch nicht. Und da habe ich dann heute im „Kessel Buntes“ den OLG Köln, Beschl. v. 06.03.2020 – 11 U 274/19 -, der schon etwas länger in meinem Blogordner hängt. Heute passt er dann. Es es ist ein sog. Hinweisbeschluss des OLG. Geklagt hatte ein „Karnevalsjeck“. Der war in der Nacht nach Rosenmontag 2018 zu Fuß auf dem Heimweg nach Hause. Er trug (immer noch) ein dunkelbraunes (Ganzkörper)-Bärenkostüm. Sein Weg führte ihn entlang einer Bundesstraße, an deren Seite sich ein Fuß- und Radweg befindet. Auf der unbeleuchteten Strecke war eine Geschwindigkeit von 70 km/h zulässig. Der mit 1,47 Promille alkoholisierte Kläger geriet auf die Fahrbahn der Bundesstraße. Dort wurde er auf der linken Hälfte der Fahrspur von einem Pkw erfasst und dabei schwer verletzt. Das LG hat den Kläger zu 75% und den beklagten Fahrer und Haftpflichtversicherung des Pkw zu 25% für die Schäden haften lassen.
Dagegen die Berufung der Beklagten, die nach Auffassung des OLG Köln wegen der Haftungsquote keinen Erfolg haben würde:
„Auf dieser tatsächlichen Grundlage hat das Landgericht zutreffend eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten in Höhe von ¼ angenommen.
Bei einem schuldhaften Fehlverhalten des Fußgängers ist nach §§ 9 StVG, 254 BGB eine Quotenbildung zwischen der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG und der Verschuldenshaftung des Fußgängers aus § 823 Abs. 1 BGB vorzunehmen. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen – wie auch im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG – feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein; nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben (BGH, NJW 1995, 1029, 1030). Die Gefährdungshaftung kann dabei ganz zurücktreten, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten ist (BGH, NJW 2014, 217).
Auf Seiten der Beklagten ist die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzusetzen.
Dem Kläger fällt ein ganz erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß zur Last. Zu seinen Lasten steht fest, dass er sich nachts mitten auf der Fahrbahn befand, obwohl sich dort ein Fahrzeug näherte. Damit hat er entweder die Fahrbahn zu dem Zeitpunkt betreten, als sich der Beklagte zu 1) näherte, oder er hat die Fahrbahn betreten, als noch kein Fahrzeug in Sicht war, dann aber den Fahrstreifen nicht zügig überquert, sondern sich noch bis zum Unfall dort aufgehalten. In beiden Alternativen hat er sich verkehrswidrig verhalten und gegen § 25 Abs. 3 StVO verstoßen. Danach hat ein Fußgänger vor dem Betreten und beim Überschreiten der Fahrbahn besondere Vorsicht walten zu lassen. Er muss dementsprechend auf den fließenden Fahrzeugverkehr achten und auf ihn Rücksicht nehmen. Insbesondere muss er darauf bedacht sein, nicht in die Fahrbahn eines herannahenden Fahrzeugs zu geraten, ansonsten handelt er grob fahrlässig (OLG Hamm, NJW-RR 2012, 1236). Die im Unfallzeitpunkt erhebliche Alkoholisierung von mindestens 1,47 Promille BAK (die Blutentnahme erfolgt etwa 1 ½ Stunden nach dem Unfall und nach Gabe von 1,5 l Infusion (Bl. 142 f. BA)) hat sich – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auf den Unfall ausgewirkt. Der Kläger hatte unzweifelhaft erhebliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen, als er etwa eine Stunde zuvor – noch in Begleitung der Zeugen C und D E – „kurz auf die Straße (wankte)“ (Bl. 187 BA). Bei diese Sachlage ist davon auszugehen, dass der Verunglückte alkoholbedingt verkehrsunsicher war. Der erste Anschein spricht dann dafür, dass die im Aufenthalt auf der Fahrbahn zum Ausdruck kommende enorme Sorglosigkeit des Klägers auf alkoholbedingte Ausfallerscheinungen beruhte (vgl. BGH, NJW 1976, 897).
Bei Abwägung dieser Umstände ist entgegen der Annahme der Berufung gleichwohl eine Haftungsverteilung ¼ zu ¾ angemessen: Obwohl der Kläger für die Entstehung des Schadens maßgebliche Ursachen grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat, hat sich auch die auch mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbundene Betriebsgefahr in geradezu klassischer Weise verwirklicht. Ihre nicht völlig untergeordnete Bedeutung lässt es nach den Umständen des Streitfalls nicht angemessen erscheinen, die Gefährdungshaftung vollends zurücktreten zu lassen. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2015, 1056 f.) kommt eine Alleinhaftung im Rahmen von § 254 BGB nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dies gilt insbesondere auch bei einem grob fahrlässigen Verhalten eines nicht motorisierten Unfallopfers, wenn nicht feststeht, dass der Fahrzeugführer sich wie ein Idealfahrer verhalten hat (OLG Naumburg, NJW-RR 2014, 918, 919; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2018, 925, 927). Angesichts der hiesigen Verkehrssituation, die bei Nacht und Feuchtigkeit durchaus besondere Aufmerksamkeit des Beklagten zu 1) erforderte (hierzu OLG Naumburg, NJW-RR 2014, 918, 919), erscheint die durch das Landgericht angenommene maßvolle Mithaftung sachgerecht, zumal alkoholisierte Fußgänger an Karneval nicht gänzlich unwahrscheinlich sind (Freymann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kap. 27 Rn. 129). Diese Quote bewegt sich auch im Rahmen der üblicherweise angenommenen Haftungsverteilung (etwa Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 15. Aufl. 2017, Rn. 411).
Aber: Aus prozessualen Gründen wollte das OLG dennoch terminieren. Insoweit bitte selbts weiter lesen.
Vorsitzender: „Wolle‘ mer se mithafte‘ lasse‘?“
Berichterstatter/Beisitzer: „Tätäää, Tätäää, tätääää!“
Also, ohne mich zu sehr über schwere Verletzungen lustig machen zu wollen.. Aber dunkel gekleidet mächtig besoffen nachts ohne Licht mitten auf der Straße außerorts rumlaufen und angefahren werden… Außerhalb des
notorischen Karnevalsbezirks Köln (die Gerichte vor Ort haben an Rosenmontag und Faschingsdienstag den Anrufbeantworter geschaltet, dass niemand da ist…) käme wohl niemand auf den eher absurden Gedanken, die Betriebsgefahr stehen zu lassen.
Das ginge im Rest der Republik wohl eher nicht 3/4 zu 1/4 aus, sondern 100 zu 0.