Und als drittes Posting des Tages etwas Gebührenrechtliches. Ja, richtig, obwohl Montag ist, gibt es Gebührenrecht. Eben wie immer am Montag im dritten Beitrag. Aber heute natürlich keine Lösung eines Gebührenrätsels. Denn das hatte ich am Freitag ja ausgespart – am Neujahrstag 🙂 .
Ich stelle daher jetzt das BGH, Urt. v. 09.11.2020 – IX ZR 133/19. Das ist die Entscsheidung, in der der BGH noch einmal zur Anwendung des Fernabsatzrechtsrechts auf den Anwaltsvertrag Stellung genommen hat.
Folgender Sachverhalt: Der Kläger, ein Student, hatte vor dem VG Arnsberg zunächst selbst Klage gegen einen Notenbescheid der Fernuniversität Hagen erhoben. Der AStA hat dann den Kontakt zur Beklagten hergestellt Bei dieser handelt es sich um eine auf Hochschul- und Prüfungsrecht spezialisierte, bundesweit tätige Anwaltskanzlei mit Hauptsitz in Köln und Kontaktstellen in Frankfurt a. M., Hamburg und München. Die Beklagte erhält monatlich bis zu 200 Neuanfragen von Mandanten. Auf ihrer Homepage bewirbt die Beklagte ihre Dienstleistungen und weist unter „Kontakt“ darauf hin, dass sie jederzeit auch telefonisch und elektronisch bereitstehe. Unter „Mandatserteilung“ erklärt sie, dass der Ortsbezug wegen der Spezialisierung immer mehr an Bedeutung verliere und die persönliche Erreichbarkeit nicht entscheidend sei. Im Anschluss an eine telefonische Beratung schlossen die Parteien auf elektronischem Wege eine Honorarvereinbarung über 5.000 EUR ab. Darauf zahlte der Kläger einen Vorschuss von rund 3.270 EUR.
Nach Beendigung des Mandats hat die Beklagte ihr restliches Honorar geltend gemacht. Der Kläger hat die Honorarvereinbarung widerrufen und den Vorschuss zurückverlangt. Das AG hat der entsprechenden Klage stattgegeben und die Widerklage der Beklagten auf Zahlung des Resthonorars abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben (vgl. LG Köln AnwBl 2019, 488). Dagegen hat der Kläger Revision eingelegt.
Die Revision hatte Erfolg. Anders als das LG bejaht der BGH einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des geleisteten Vorschusses gem. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB. Der Kläger habe den Anwaltsvertrag wirksam widerrufen. Bei dem geschlossenen Anwaltsvertrag handele es sich um einen Fernabsatzvertrag gem. § 312c BGB (vgl. dazu auch BGH AGS 2018, 105 = RVGreport 2018, 157 zu § 312b Abs. 1 BGB a.F.), da von den Parteien für Vertragsverhandlungen und -schluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet worden seien. Maßgeblich sei, dass die Parteien von der Vertragsverhandlung bis zum Abschluss des Vertrags für ihre Vertragsgespräche und -erklärungen zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig körperlich anwesend waren. Nach dem unstreitigen Sachvortrag hätten die Parteien bis zum Abschluss der Honorarvereinbarung nur telefonisch und durch E-Mails miteinander in Kontakt gestanden, so dass dahinstehen könne, ob der Vertrag bereits bei der Erstberatung oder erst mit Abschluss der Honorarvereinbarung zustande gekommen sei.
Wegen der Begründung und der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier dann nur noch die Leitsätze der BGH-Entscheidung:
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Ein Rechtsanwalt, der einen Anwaltsvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen hat, muss darlegen und beweisen, dass seine Vertragsschlüsse nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgen.
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Ist ein auf ein begrenztes Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt deutschlandweit tätig, vertritt er Mandanten aus allen Bundesländern und erhält er bis zu 200 Neuanfragen für Mandate pro Monat aus ganz Deutschland, kann dies bei einer über die Homepage erfolgenden deutschlandweiten Werbung im Zusammenhang mit dem Inhalt seines Internetauftritts für ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem sprechen.
Kurzes Fazit: Der BGH hat immer noch nicht abschließend entschieden (vgl. zu der früheren Entscheidung: Ist der Anwaltsvertrag ein widerruflicher Fernabsatzvertrag?, oder: Ja, aber, sagt der BGH), welche Aforderungen bei einer Rechtsanwaltskanzlei denn nun an ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem zu stellen sind. Allerdings: Ein paar Richtpunkte gibt er vor. Und, was unschön ist: Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Rechtsanwalt.