Und als zweite „unschöne“ Entscheidung dann der LG Berlin, Beschl. v. 30.11.2020 – (536 KLs) 246 Js 716/14 (3/19). Die habe ich vom Kollegen Hoenig aus Berlin erhalten.
Entschieden hat das LG über die Abrechnung der Tätigkeiten des Kollegen als Zeugenbeistand. Es überrascht mich nicht wirklich, dass das LG natürlich nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG – also Einzeltätigkeit – abrechnet. Man betet brav nach, was das KG falsch vorgebetet hat:
„Nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG sind für die Bezahlung des Zeugenbeistands die Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, dass er Gebühren wie ein Verteidiger verlangen kann. Die Vorbemerkung 4 bezieht sich nicht nur auf den Abschnitt 1 („Gebühren des Verteidigers“), sondern nach ihrem Wortlaut auf sämtliche Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses, wozu auch der Abschnitt 3 („Einzeltätigkeiten“) mit dem Gebührentatbestand Nr. 4301 W RVG gehört (vgl. KG, Beschluss vom 11. Oktober 2013 —1 Ws 52/13 —, juris).
Welche Gebühren einem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlen sind, richtet sich danach, für welche Tätigkeit er beigeordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Im Falle des § 68b StPO umfasst die Beiordnung nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift nur „die Dauer der Vernehmung“ des Zeugen. Die dabei erbrachte Beistandsleistung des Rechtsanwalts ist eine Einzeltätigkeit, die nach Art und Umfang der gemäß Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG honorierten Beistandsleistung für einen Beschuldigten bei dessen Vernehmung entspricht und deshalb in entsprechender Anwendung (Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG) dieses Gebührentatbestandes zu vergüten ist. Die Vorbemerkung 4.3 Absatz 1 W RVG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung sind die im 3. Abschnitt aufgeführten Gebühren nur dann subsidiär, wenn dem Rechtsanwalt die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist, was hier aber nicht der Fall ist. Der nach § 68b StPO beigeordnete Rechtsanwalt ist nämlich nicht „voller Vertreter“ des Zeugen. Er kann ihn bei seiner Aussage nicht vertreten und nicht gestaltend in das Verfahren eingreifen. Seine Rechtsstellung ist mit der des Verteidigers oder Verletztenbeistandes nicht vergleichbar, so dass für eine (entsprechende) Anwendung der auf diesen Personenkreis zugeschnittenen Gebührentatbestände kein Raum ist (vgl. zum Vorstehenden KG, Beschluss vom 18. Januar 2007 — 1 Ws 2/07 —, Rn. 4 – 5, juris m.w.N.).“
Dass das falsch ist und warum es falsch ist, habe ich schon einige Male dargelegt. Es bringt aber nichts, eine einmal aufgestellte OLG-Behauptung kann man kaum ändern. Und es wird mit dem KostRÄG leider nicht besser werden. Ich weise nur auf die Änderung in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG hin, die Auswirkungen auf diese Problematik haben wird.