Die zweite Entscheidung kommt vom AG Trier. Das hat im AG Trier, Beschl. v. 27.11.2020 – 35a OWi 52/20 – zu den den Voraussetzungen einer tatsächlichen Zustellung im Sinne des § 189 ZPO Stellung bezogen.
Im entschiedenen Fall war dem Betroffenen, der an der Zustellungsadresse nicht mehr wohnte, von seiner Mutter per WhatsApp ein Foto des Bußgeldbescheides, welches den Inhalt des Bußgelbescheides vom Adressfeld bis zu dem Satz „Die Geldbuße wird wegen vorsätzlicher Tatbegehung erhöht“ abbildete, übersandt worden. Das AG sagt: Für einen tatsächlichen Zugang nicht ausreichend:
„Der Bußgeldbescheid vom 24.6.2020 wurde dem Betroffenen nicht am 30.07.2020 ordnungsgemäß zugestellt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde der Bußgeldbescheid am 30.07.2020 durch in den zur Wohnung mit der Anschrift pp2 gehörenden Briefkasten eingelegt. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nur möglich, wenn die Wohnung tatsächlich vom Zustellungsadressaten bewohnt wird. Wohnung i. S. d. § 178 ZPO sind hierbei die Räume, die der Empfänger tatsächlich bewohnt, in den er also hauptsächlich lebt und wo am ehesten mit einer Zustellung gerechnet werden kann. Die Eigenschaft als Wohnung geht erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustandsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, NJW 1978, 1885). Ob das der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen, wobei der Zweck der Zustellungsvorschriften, dem Empfänger rechtliches Gehör zu gewähren, zu berücksichtigen ist. Geeignete Gesichtspunkte für diese Prüfung können die Dauer der Abwesenheit, der Kontakt zu den in der Wohnung verbliebenen Personen sowie die Absicht und die Möglichkeit der Rückkehr sein (BGH, NJW 1978, 1858).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Betroffene ausweislich des Protokolls zur Wohnungsübergabe vom 28.7.2020 einen neuen Wohnsitz an der Anschrift pp1 begründet und seinen alten Wohnsitz an der Anschrift pp2 aufgegeben.
Entgegen der ursprünglichen Auffassung des Amtsgerichts gilt der Bußgeldbescheid nicht durch Übermittlung eines Fotos der oberen Hälfte des Bescheides per WhatsApp an den Betroffenen als zugestellt.
Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen ausweislich der Postzustellungsurkunde am 30.07.2020 durch Niederlegung des Schriftstückes in den zur Wohnung mit der Anschrift pp2 gehörenden Briefkasten zugestellt. Auch wenn der Betroffene bereits zum Zeitpunkt der Zustellung seinen Wohnsitz bereits in pp1 und die Wohnung in pp2 aufgegeben hatte, hatte der Betroffene spätestens am 08.08.2020 Kenntnis vom Buß-geldbescheid, weil seine Mutter die obere Hälfte abfotografierte und dem Betroffenen per Whats-App übermittelt und er eine E-Mail bzgl. Des Bescheides an die Bußgeldbehörde sendete. Der Bußgeldbescheid gilt gemäß § 189 ZPO als am 08.08.2020 zugestellt. Nach § 189 ZPO gilt der Bescheid bei Zustellungsmängeln in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem der Bußgeldbescheid dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Der Zustellungsadressat muss das zuzustellende Dokument (OLG Karlsruhe BeckRS 2004, 09651) tatsächlich erhalten haben, so dass er vom Inhalt Kenntnis nehmen konnte (BGH NJW 2007, 1605). Das ist dann der Fall, wenn er das Schriftstück in die Hand bekommen hat (BGH NZG 2020, 70 BFH NJW 2014, 2524). Die bloße (mündliche) Unterrichtung über den Inhalt des Schriftstücks reicht nicht (BGH BeckRS 2020, 6358 NJW 1992, 2099), auch nicht die durch Akteneinsicht erlangte Kenntnis (BayObLG NJW 2004, 3722). Nicht erforderlich ist der Zugang des zuzustellenden Originals. Die Übermittlung einer (elektronischen) Kopie, z.B. Scan, Fotokopie, Telefax, genügt (BGH BeckRS 2020, 6358). Die Übermittlung des oberen Teils des Bußgeldbescheides per WhatsApp genügt insoweit nicht den Voraussetzungen einer tatsächlichen Zustellung im Sinne des § 189 ZPO.2
Manchmal kann mütterliche Fürsorge auch über das Ziel hinausschießen. Allerdings frage ich mich auch, wie die Info überhaupt ins Verfahren gekommen ist…..