Am vergangenen Freitag habe ich über den BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – 2 StR 319/19 – und den BGH, Beschl. v. 25.08.2020 – 6 StR 124/20 berichtet. Behandelt wird in den Beschlüssen die Thematik der Auslagenentscheidung beim Versterben des Angeklagten während des Revisionsverfahrens (vgl. Versterben des Angeklagten während des Revisionsverfahrens, oder: Auslagenentscheidung).
Auf die Problematik komme ich heute noch einmal zurück, wenn ich den BGH, Beschl. v. 08.09.2020 – 4 StR 167/20 – vorstelle. Allerdings mit einer kleiner Abwandlung. Entschieden hat der BGH in dem Beschluss nicht im Strafverfahren, sondern im Sicherungsverfahren, in dem die Unterbringung des Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden war. Der Beschuldigte ist dann während des Verfahrens über seine Revision verstorben. Der BGH stellt nach § 206a StPO ein. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten werden aber der Staatskasse auferlegt:
„2. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, wonach das Gericht von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten absehen kann, wenn er wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht, ist vorliegend weder unmittelbar noch analog anwendbar.
a) Einer unmittelbaren Anwendung dieser Vorschrift steht entgegen, dass der Beschuldigte unabhängig vom Bestehen des Verfahrenshindernisses nicht wegen einer Straftat verurteilt worden wäre. Eine Verurteilung wegen einer Straftat kam hier nicht in Betracht, da es sich um ein Sicherungsverfahren gemäß § 413 StPO handelt und sich der Beschuldigte bei Begehung der ihm zur Last gelegten Anlasstat im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befand.
b) § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kommt hier auch nicht entsprechend zur Anwendung. Zwar gelten gemäß § 414 Abs. 1 StPO die Vorschriften über das Strafverfahren sinngemäß, und damit auch die Kostenvorschriften. Die Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO ist jedoch nach ihrem Sinn und Zweck vorliegend nicht anwendbar. Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dass es grob unbillig sein kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zu überbürden, wenn eine Verurteilung nur daran scheitert, dass nachträglich ein Verfahrenshindernis eingetreten ist (zum Beispiel im Falle der Verjährung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 1992 – 2 BvR 1941/89, NStZ 1993, 195). Grundlage der Bewertung einer Auslagenerstattung als grob unbillig oder ungerecht kann allerdings nur ein dem Beschuldigten vorwerfbares Verhalten sein. Daran fehlt es etwa bei einem Beschuldigten, der aufgrund einer andauernden psychiatrischen Erkrankung schuldunfähig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 5 StR 525/15, NStZ-RR 2016, 263).
Aber auch im vorliegenden Fall eines nicht andauernden Zustands kann ein vorwerfbares Verhalten nicht festgestellt werden, so dass die Überbürdung der Auslagen auf die Staatskasse nicht grob unbillig erscheint. Der Beschuldigte war zur Tatzeit nicht ausschließbar schuldunfähig, da er eine versuchte schwere Brandstiftung unter einem akuten Alkoholrausch sowie einer Alkoholpsychose begangen haben soll. Aufgrund der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten ist ihm auch der Alkoholrausch nicht vorzuwerfen. Es hat deshalb bei der Regelung des § 467 Abs. 1 StPO zu verbleiben, wonach im Falle der Einstellung die notwendigen Auslagen des Beschuldigten der Staatskasse zur Last fallen.“