Und heute dann drei Entscheidungen zu Pflichtverteidigungsfragen.
An der Spitze der LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 12.08.2020 – 2 Qs 93/20. Der verhält sich mal wieder zum Dauerbrennerthema: Nachträgliche Beiordnung. Das LG lehnt auf die Beschwerde des Beschuldigten hin eine nachträgliche Beiordnung ab. Begründung: Die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung liegen nicht mehr vor. Das LG sieht die Beschwerde als unzulässig an:
„Die gemäß § 142 Abs. 7 S. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Beschuldigten ist unzulässig.
Es fehlt an einer Beschwer des Beschuldigten, da die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung gegenwärtig nicht (mehr) gegeben sind. Eine Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO ist nicht mehr angezeigt, weil, dem Beschuldigten derzeit nur noch ein Vergehen nach § 29 BtMG zur Last gelegt wird, nachdem anfänglich noch wegen eines Verbrechens gemäß § 29a BtMG ermittelt worden war. Auch andere Gründe für eine notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 1, 2 StPO sind nicht ersichtlich.
Insoweit kommt es auf die streitige Frage einer ausnahmsweise rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung nicht an. Wenngleich die Kammer sieht, dass die Staatsanwaltschaft entgegen ihrer Verpflichtung gemäß § 142 Abs. 1 S. 2 StPO, der ihr insoweit auch keinen Ermessensspielraum einräumt, den Beiordnungsantrag nicht unverzüglich dem zuständigen Gericht vorgelegt, sondern hiermit über Monate zugewartet hat, ist die Kammer mangels zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegender Beschwer zu einer Entscheidung nicht berufen.
M.E. nicht zutreffend, weil zu kurz gedacht, denn:
Es geht doch um die Frage, ob das AG einen Pflichtverteidiger beiordnen musste. Insoweit liegt natürlich eine Beschwer vor, so dass es doch auf die Frage der Zulässigkeit der nachträglichen Beiordnung ankam. Und wenn, die Voraussetzungen des § 140 StPO nicht mehr vorliegen: Warum wird dann die Pflichtverteidigerbestellung nicht beschränkt. So öffnet man doch dem „sanktionslosen Zuwarten“ der StA Tür und Tor. Das entspricht aber nicht der Intention der Neuregelung.
Dass es auch anders – richtig – geht, zeigt der LG Halle, Beschl. v. 11.08.2020 – 10a Qs 62/20.
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