Im Kessel Buntes heute dann seit längerer zeit mal wieder zwei verwaltungsrechtliche Entscheidungen.
Zunächst stelle ich den OVG Saarland, Beschl. v. 13.05.2020 – 1 A 57/20 – vor. Er behandelt einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis, der den Fahrerlaubnisinhaber dann gereut hat. Er hat den verzicht angefochten. Aber: Ohne Erfolg:
„Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die bei sachgerechter Auslegung auf die Feststellung gerichtete Klage, dass der Kläger als Folge der Anfechtung seiner Verzichtserklärung weiter im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, AM, B und L sei, mit der Begründung abgewiesen, dass die Fahrerlaubnis des Klägers aufgrund der gegenüber dem Beklagten abgegebenen Verzichtserklärung vom 23.3.2017 mit sofortiger Wirkung erloschen und die Verzichtserklärung nicht erfolgreich gemäß § 142 Abs. 1 BGB angefochten worden sei.
Das gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 17.3.2020 rechtfertigt die begehrte Zulassung des Rechtsmittels nicht.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 1 VwGO) ergibt sich aus diesen Darlegungen nicht.
Die Behauptung des Klägers, ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis könne von Seiten der Behörde nicht verlangt werden, weil ein solcher gesetzlich nicht vorgesehen sei, übersieht, dass der Verzicht auf eine Fahrerlaubnis in § 2a Abs. 1 Satz 6 StVG genannt und dort mit der Entziehung der Fahrerlaubnis gleichgestellt ist (vgl. auch § 29 Abs. 5 Satz 1, 28 Abs. 3 Nr. 7 StVG). Dies zeigt, dass durch den Verzicht das die Fahrerlaubnis einräumende Rechtsverhältnis als beendet angesehen wird, wenn gegenüber der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde ein solcher erklärt wird.1
Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Kläger auf seine Fahrerlaubnis wirksam verzichtet und diesen Verzicht auch nicht erfolgreich angefochten hat.
Im Ausgangspunkt trifft es zwar zu, dass eine gegenüber einer Behörde abgegebene öffentlich-rechtliche Willenserklärung, wie hier der Verzicht auf eine Fahrerlaubnis, anfechtbar ist.2 Die Einwände des Klägers gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ihm – was hier allein in Betracht kommt – kein Anfechtungsgrund gemäß § 119 Abs. 1 BGB zur Seite steht, greifen jedoch nicht durch.
Mit der in den Zulassungsgründen vorgebrachten Behauptung, er habe keine weitergehende Erklärung als den vorübergehenden Verzicht auf die Fahrerlaubnis, ähnlich einem Fahrverbot, abgeben wollen, macht der Kläger einen Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB geltend, bei dem zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden entspricht, dieser sich jedoch über die Bedeutung und die Tragweite seiner Erklärung irrt.3 Dieses Vorbringen ist schon deshalb unglaubhaft, weil der Kläger in der durch seinen Prozessbevollmächtigten abgegebenen Anfechtungserklärung vom 16.1.2018 gegenüber dem Beklagten noch eine ganz andere Version vorgetragen hat. Danach sei er bei seiner Erklärung davon ausgegangen, dass er auf das körperliche Dokument verzichte, das er verloren habe, der Verzicht sei nur auf den Besitz des Dokuments gerichtet gewesen, nicht hingegen auf den Besitz einer Fahrerlaubnis als Recht zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Beide Vorstellungen über sein angebliches Verständnis der von ihm abgegebenen schriftlichen Erklärung sind nicht miteinander in Einklang zu bringen. Der behauptete Irrtum über die Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung ist außerdem wegen des allgemein verständlichen, klaren und eindeutigen Wortlauts der Formularerklärung vom 23.3.2017 nicht nachvollziehbar. Wie er dieser gut lesbaren und übersichtlich abgefassten Verzichtserklärung einen in Gänze dem Wortlaut widersprechenden Sinn beizulegen vermochte, hat der Kläger nicht glaubhaft dargelegt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger mit seiner Unterschrift zugleich die im Text vorgegebene Erklärung abgegeben hat, ihm sei bekannt, dass er ab sofort keine fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen führen darf, da er sich andernfalls strafbar mache. Hieraus ergibt sich unmissverständlich, dass mit der Erklärung auf die Fahrerlaubnis dauerhaft verzichtet wird.
Fehl geht die Behauptung des Klägers, dass es für eine derart weitreichende Erklärung weder Gründe noch eine Veranlassung gegeben habe. Der Kläger hat sich bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 1.12.2016 selbst als Alkoholiker bezeichnet und eingeräumt, dass er sich schon mehrfach wegen massiven Alkoholmissbrauchs in die geschlossene Psychiatrische Klinik der Universität B-Stadt begeben habe. Auf einen solchen Alkoholmissbrauch weist auch der Vorfall vom 8.11.2016 hin, bei dem der Kläger einen Blutalkoholgehalt von 4,17 bzw. 4,07 ‰ innehatte. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat das Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem 20.12.2016 nur deshalb eingestellt, weil in dem Zeitpunkt, als der Kläger mit seinem Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr gefahren ist, der Alkoholisierungsgrad nicht gerichtsverwertbar quantifiziert werden konnte. Gleichwohl liegen Zeugenaussagen vor, die bestätigen, dass der Kläger in zumindest angetrunkenem Zustand ein Kraftfahrzeug geführt habe. Maßgeblich tritt hinzu, dass allein der am 8.11.2016 festgestellte Blutalkoholgehalt, der nur durch den selbst zugestandenen hohen Grad der Gewöhnung an große Mengen Alkohol zu erklären ist, im Sinne der §§ 46 Abs. 3, 13 S. 1 FeV Zweifel an der Kraftfahreignung des Klägers begründet. Von daher gab es gute Gründe dafür, dass der Beklagte die Frage der Fahreignung aufklären wollte. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass der Beklagte dem Kläger nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist mit weiterem Schreiben vom 15.3.2017 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und ihm angezeigt hat, im Falle eines freiwilligen Verzichts auf die Fahrerlaubnis von einem kostenpflichtigen Entzugsbescheid abzusehen, und der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 20.3.2017 gegenüber dem Beklagten kundgetan hat, dass er auf den Kläger mit dem Ziel einwirken werde, freiwillig eine Verzichtserklärung abzugeben. Wie der Kläger bei dieser Sachlage behaupten kann, es hätte keine Veranlassung zur Abgabe der Verzichtserklärung gegeben, ist schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar.
Ebenso wenig verfängt die Behauptung des Klägers, dass er als polnischer Staatsbürger der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Hierzu weist der Beklagte mit Recht darauf hin, dass von diesem – ohnehin unsubstantiierten -Vorbringen erstmals im Zulassungsverfahren die Rede ist und dieser Vortrag auch deshalb nicht überzeugt, weil der Kläger bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 1.12.2016 in deutscher Sprache vernommen wurde. Zudem hat der Kläger in der Klageschrift darauf hingewiesen, dass er von seinem Betreuer zu der Erklärung gedrängt worden sei. Dies lässt den Schluss zu, dass der Betreuer mit dem Kläger über die Verzichtserklärung gesprochen und ihm dabei auch den Inhalt der Erklärung vor Augen geführt hat.
Soweit sich der Kläger noch ergänzend auf einen Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB beruft, ist ein solcher ersichtlich nicht gegeben. Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht, dieser sich zum Beispiel verspricht oder verschreibt,4 was beim Kläger indes nicht der Fall ist.
Auf das Vorliegen der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen, insbesondere die Frage, ob die erst am 16.1.2018 abgegebene Verzichtserklärung noch innerhalb der Frist des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt ist, kommt es nach alledem nicht mehr an.“