Der Kollege Vetter hat in der vergangenen Woche über den OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.2020 – III-3 Ws 157/20 – berichtet (vgl. hier), zu dem bislang nur die PM des OLG Hamm vorliegt. Es geht in dem Beschluss um Haft und die Gefahr der Ansteckung in Corona-Zeiten während/in der Haft. Dazu das OLG Hamm kurz gefasst: „Kein erhöhtes Corona-Risiko in nordrhein-westfälischen Gefängnissen“.
Das gilt aber nicht nur für Nordrhein-Westfalen, sondern z.B. wohl auch in Rheinland-Pfalz. Dazu hat mir die Kollegin Juharos aus Trier den OLG Koblenz, Beschl. v. 29.04.2020 – 2 VAs 3/20 – geschickt. Das OLG hat über das Absehen von der weiteren Vollstreckung einer Freiheitsstrafe im Hinblick auf die Ausweisung eines Ausländers – also § 456a Abs. 1 StPO – entschieden. Ich lasse mal die Frage, ob man aus dem Beschluss entnehmen muss, dass bei Bandendelikten von Ausländern ein Absehen von der weiteren Vollstreckung (fast) immer ausscheidet, außen vor.
Nicht konform kann man m.E. mit dem Beschluss jedenfalls nichts gehen, wenn es dort heißt.
„Anlass für eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Verurteilten im Schreiben seiner Verteidigerin vom 27. März 2020. Hinweise dafür, dass der Verurteilte im Vollzug einer erhöhten Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus (Covid-19) als in Freiheit ausgesetzt wäre, sind nicht erkennbar. Im Gegenteil erscheint das Risiko einer Erkrankung im Hinblick darauf, dass soziale Kontakte der Gefangenen im Strafvollzug eher minimiert sind und seitens der Justizvollzugsanstalten in Rheinland-Pfalz Vorkehrungen bis hin zur Quarantäne getroffen wurden, sogar eher geringer zu sein, als für die sich auf freiem Fuße befindenden Menschen.“
Das hätte man m.E. auch anders formulieren können. Im Übrigen könnte man mit dem Argument jede Strafaussetzung zur Bewährung nach Teilverbüßung ablehnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das OLG das sagen wollte.
So zynisch die Begründung auf den ersten Blick auch wirken mag, aber das Argument, dass Inhaftierung eine sehr gravierende Form von Social Distancing darstellt, kann man nicht von der Hand weisen.
Man muss das mMn in zwei Aspekte trennen. In Haft besteht eine nur eingeschränkte Möglichkeit, den dort vorhandenen Personen aus dem Weg zu gehen. So weit der Nachteil. Aber – und das klingt gemein, ist aber nicht so gemeint – Die Masse an Menschen denen man nah kommt.. Nun, die ist ja dann doch überschaubarer als „draußen“.
So lange in der konkreten JVA kein Virenherd vorliegt, dürfte man drinnen sicherer sein als draußen. Wenn man natürlich erstmal einen Hotspot hat… Dann sollten alle ganz schnell raus da, zugegeben.
Bei der Reststrafenbewährung hat es der Häftling ja selbst in der Hand, ob er sich dem Risiko aussetzen möchte – er muss keinen Antrag auf das „Drittel“ stellen. Wenn er ihn stellt, wird er freilich nicht (nur) mit diesem Argument abgelehnt werden können.
Einige JVAs haben für die Dauer des Lockdowns Aufnahmebeschränkungen angewandt.l,zB Keine Ersatz-FS mehr antreten lassen und die Termine geschoben.
Schön, dass nicht nur der Kollegin, die den Beschluss geschickt hat, und mir aufgefallen ist, dass das OLg hier zynisch formuliert. Das muss nicht sein und das kann man auch anders ausdrücken. Aber das OLG Koblenz ist mir schon häufiger mit „schwierigen“ Formulierungen „aufgefallen“.
Dem Gefangenen wird im Zweifel das Ergebnis wichtiger sein als der argumentativ Weg dorthin. Nicht draußen ist nicht draußen. So weit so enttäuschend – aus seiner Sicht. Ob ihn die unnötig spitze Formulierung darüber hinaus spürbar zusätzlich belastet, wer weiß…
Aus dem kleinen Elfenbeinturm des Senats heraus schreibt sich vieles so leicht… Hat uns doch das OLG München neulich erst gezeigt, bis das BVerfG korrigieren eingegriffen hat 🙂
man sollte schon immer daran denken,w as man do so schreibt…. ist im Internet sicher anders 🙂
Das liegt in beiden Fällen am Medium – Leute formulieren ganz anders, wenn sie dem Empfänger nicht direkt gegenüber sitzen und dessen Reaktion unmittelbar ausgesetzt wären. „BeastMode87“ im Forum zu schreiben, dass er ein Würstchen ist, geht deutlich einfacher als es dem Zweimetertypen live an den Kopf zu werfen und sich dafür eine einzufangen 🙂
Deswegen sind mündliche Urteilsverkündungen auch immer deutlich diplomatischer als Beschwerdebeschlüsse, die nur mit der Post rausgehen.
Freilich unnötig – aber in vielen Fällen auch gar nicht direkt gegen den Betroffenen gerichtet. Manchmal sind es ja auch Verbalellenbogen gegen den unfähigen Anwalt. Wobei auch für den in der Regel der Mandant natürlich nichts kann – außer seines Auswahlverschuldens. Ich bin da allerdings so ehrlich, dann auch „der Verteidiger“ reinzuschreiben wenn ich ihn meine.
Wie hat es ein Zivilkollege neulich so schön formuliert…
„Die Rechtsauffassung der Klägervertreterin geht fehl und wird erst wieder im Regressprozess zwischen ihr und ihrer Mandantin entscheidungsrelevant werden“