Und als zweite Entscheidung stelle ich dann den LG Aachen, Beschl. v. 03.01.2020 – 67 KLs 18/17 – vor. Das Richtige für einen Feiertag. Denn es handelt sich um eine Entscheidung mit viel Zahlen- und Rechenwerk, die man sicherlich mehrfach lesen muss, wofür ja heute Zeit ist :-). Aber die Entscheidung ist zugleich ein sehr schönes Beispiel für die sich in Zusammenhang mit der Vorschussanrechnung (§ 58 Abs. 3 RVG) in der Praxis ergebenden Probleme.
In der Entscheidung spielt (mal wieder) der Begriff der Höchstgebühr i.S. des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG eine Rolle – insoweit folgt das LG der h.M., wenn es dazu sagt:
Der Begriff der „Höchstgebühr des Wahlanwalts“ i.S.d. § 58 Abs. 3 S. 4 RVG meint nicht den im VV RVG ausgewiesenen gesetzlichen Höchstbetrag des jeweiligen Betragsrahmens, sondern vielmehr diejenige Vergütung, die der Pflichtverteidiger gemäß § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung der dort benannten Umstände im konkreten Einzelfall nach billigem Ermessen (höchstens) verlangen könnte, wenn er das betreffende Mandat (weiterhin) als Wahlverteidiger wahrgenommen hätte.
Diese h.M. mag man nun gut finden oder nicht. Das Diskutieren nützt aber derzeit nichts. Die h.M. sieht es so und darauf muss man sich – so lange nicht ggf. doch eine gesetzliche Klarstellung erfolgt – einstellen.
Wie gesagt, das LG rechnet ein wenig 🙂 hin und her, was denn nun von den Vorschüssen, die der Kollege erhalten hatte, anzurechnen ist. Richtig ist es, wenn das LG in dem Zusammenhang angelegenheitsbezogen anzurechnen ist. Nach den Änderungen im RVG durch das 2. KostRMoG muss nämlich so angerechnet werden. Das hat das LG hier richtig erkannt. Allerdings scheint es an der Stelle m.E. recht großzügig verfahren zu sein. Denn es muss zwischen dem Verteidiger und dem Mandanten die angelegenheitsbezogene Zahlung eines Vorschusses vereinbart sein. Ist das nicht der Fall, sind die Zahlungen insgesamt auf das Verfahren anzurechnen (vgl. Burhoff RVGreport 2014, 370). Ob eine solche Vereinbarung hier jeweils vorlag, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Die Zahlung zu bestimmten Terminen, die dem Verfahrensablauf angepasst sind, sprachen zwar als Indiz dafür. Ausreichend ist das m.E. allein aber nicht. Zumal die Frage Bedeutung für die Höhe der vom Angeklagten zu zahlenden Pflichtverteidigervergütung hat. Denn ggf. wäre mehr anzurechnen (gewesen).
Und etwas ist mir sauer aufgestoßen, nicht beim LG, sondern bei dem antragstellenden Kollegen. Nach § 55 Abs. 5 Satz 2 – 4 RVG hat der Pflichtverteidiger Zahlungen, die er auf seine Pflichtverteidigergebühren erhalten hat, anzugeben. Hier hatte der Pflichtverteidiger diese Angaben erst gemacht, nachdem sich der Mandant im Kostenansatzverfahren gemeldet und auf die von ihm geleisteten Zahlungen hingewiesen hatte. Die Erklärung des Pflichtverteidigers, man habe diese Zahlungen übersehen, hat das LG hier nicht kommentiert. Es bleibt in solchen Fällen für mich aber immer ein bitterer Beigeschmack.“Übersehen“/“Vergessen“? Ich habe damit immer Probleme.
So wie es hier gelaufen ist, entsteht vielmehr für mich immer der Eindruck, der Rechtsanwalt habe sich einen unberechtigten Gebührenvorteil zu Lasten des Mandanten verschaffen wollen. Daher ist sorgfältigst darauf zu achten, dass erhaltene Zahlungen angerechnet werden. Zwar führt der Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die ihm nach § 55 Abs. 5 Satz 2 und 4 RVG obliegende Verpflichtung, empfangene Mandantenzahlungen mitzuteilen, auch nicht zwingend zu einem Wegfall oder einer Kürzung der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung (OLG Hamm NJW-RR 2016, 885 = RVGreport 2016, 342 = AGS 2016, 530). Auf die Diskussion sollte man sich als Verteidiger aber gar nicht erst einlassen. Mal abgesehen von sonstigen Fragen.
Und wer sich über die nicht einfachen Fragen der Vorschussanrechnung informieren will, den verweise ich <<Werbemodus an>< auf Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. Da findet man sehr schöne Erläuterungen zu der Problematik, oder besser: Da wird Sie geholfen 🙂 . Zum Bestellformular geht es hier. <<Werbemodus aus>>.