Archiv für den Monat: April 2020

OWi II: Parken in Umweltzone ohne Plakette, oder Halterhaftung?

entnommen wikimedia.org
Urheber Jojo659

Und als zweite OWi-Entscheidung dann der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.02.2020 – 2 RBs 1/20, der zu der in Rechtsprechung und Literatur immer noch nicht endgültig geklärten Frage Stellung nimmt, ob es als Verkehrs-OWi geahndet werden kann, wenn ein Kraftfahrzeug in einer Umweltzone ohne (gültige) Plakette im Sinne des § 3 der 35. BImSchV geparkt ist/war. Das OLG hat die Frage bejaht, womit es dann nun endgülitg geklärt sein sollte:

„Der Betroffene hat indes gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 StVG als Halter des Kraftfahrzeugs die Kosten des behördlichen Verfahrens und des ersten Rechtszuges zu tragen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

1. Es steht objektiv fest, dass mit dem Pkw Opel des Betroffenen ein Parkverstoß im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 StVG begangen wurde.

a) Auch wenn ein Kraftfahrzeug in einer Umweltzone ohne (gültige) Plakette im Sinne des § 3 der 35. BImSchV i.V.m. Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO (§ 41 Abs. 1 StVO) lediglich geparkt war, kann dies nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO als Ordnungswidrigkeit des hierfür verantwortlichen Verkehrsteilnehmers geahndet werden (vgl. OLG Hamm NZV 2014, 52; AG Dortmund ZfSch 2014, 474; AG Köln BeckRS 2019, 10275; König in: Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 41 StVO Rdn. 248g; Weidig in: Münchener Kommentar, Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 25a StVG Rdn. 9; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 25a StVG Rdn. 2; Sandherr in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 25a StVG Rdn. 4).

Der Senat schließt sich der Auffassung der vorgenannten Rechtsprechung und Literatur an. Die gegenteilige Rechtsmeinung, die heute nur noch vereinzelt vertreten wird (vgl. Koch NZV 2014, 385 ff.), ist jedenfalls durch die am 1. September 2009 und 1. April 2013 in Kraft getretenen StVO-Novellen überholt.

§ 41 Abs. 2 Nr. 6 (Zeichen 270.1, 270.2) StVO a.F. verbot „den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ innerhalb einer durch diese Zeichen bestimmten Verkehrsverbotszone. Damit korrespondierte Nr. 153 BKat a.F., wonach eine Geldbuße vorgesehen war, wenn ein Kraftfahrzeug trotz Verkehrsverbots zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen „geführt“ wurde. Aus diesen Formulierungen leitete eine damals verbreitete Auffassung ab, dass der ruhende Verkehr nicht umfasst war.

Mit Wirkung ab 1. Februar 2009 ist zunächst Nr. 153 BKat dahin geändert worden, dass fortan eine Geldbuße für denjenigen vorgesehen ist, der mit einem Kraftfahrzeug trotz Verkehrsverbotes zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen (Zeichen 270.1, 270.2) „am Verkehr teilgenommen“ hat. Folgerichtig ist anschließend auch die StVO mit dem Ziel angepasst worden, das Verkehrsverbot in Umweltzonen auf den ruhenden Verkehr zu erstrecken. Nach Nr. 44 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO in der Fassung vom 1. September 2009 durften Kraftfahrzeugführer in einer Umweltzone „nicht am Verkehr teilnehmen“.

Dass hierdurch auch der ruhende Verkehr erfasst werden sollte, legt bereits der Wortlaut nahe und wird durch die Materialien bestätigt. In der Bundesrat-Drucksache 153/09 (Beschluss), Seite 9 f., heißt es zu dieser Änderung:

„Zudem wird das Verbot sprachlich eins zu eins an den seit dem 1. Februar 2009 geltenden Wortlaut von Nr. 153 Abschnitt I BKatV angeglichen, um auch verhaltensrechtlich nochmals klarzustellen, dass das Verbot sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr umfasst, und das Risiko einer unterschiedlichen Auslegung auszuschließen (…). Damit wird sichergestellt, dass auch die im ruhenden Verkehr festgestellten Verstöße bußgeldbewehrt sind und dass ggf. auch eine Kostentragungspflicht des Halters nach § 25a StVG besteht.“

Eine weitere Änderung von Nr. 44 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ist mit Wirkung zum 1. April 2013 erfolgt. In dieser seitdem geltenden Fassung ist bestimmt, dass die „Teilnahme am Verkehr“ mit einem Kraftfahrzeug innerhalb der durch Zeichen 270.1 gekennzeichneten Zone verboten ist. Dabei wird nicht mehr auf eine Verkehrsteilnahme als „Kraftfahrzeugführer“ abgestellt. In den zugehörigen Materialien ist nochmals die Erstreckung auf den ruhenden Verkehr und die Anwendbarkeit des § 25a StVG thematisiert worden (Bundesrat-Drucksache 428/12, Seite 155 f.):

„Die Klarstellung gewährleistet, dass auch die im ruhenden Verkehr festgestellten Verstöße bußgeldbewehrt sind und dass gegebenenfalls auch eine Kostentragungspflicht des Halters nach § 25a Straßenverkehrsgesetz besteht. Das Wort „Verkehrsteilnahme“ ist insoweit eindeutiger und dient der Einheit der Rechtsordnung, nachdem seit dem 1. Februar 2009 auch in Nummer 153 Abschnitt I BKatV in der Spalte „Tatbestand“ zur Erfassung des ruhenden Verkehrs eine entsprechende Formulierung aufgenommen worden ist („am Verkehr teilgenommen“).“

Die Erfassung des ruhenden Verkehrs entspricht auch dem Normzweck, eine Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen zu erreichen. Denn im Regelfall ist ein in der Umweltzone parkendes Kraftfahrzeug mit eigener Motorkraft dorthin bewegt worden.

b) Wird ein Kraftfahrzeug ohne (gültige) Plakette und damit ordnungswidrig in einer Umweltzone geparkt, stellt dies eine der Regelung des § 25a Abs. 1 Satz 1 StVG unterfallende Anlassordnungswidrigkeit („Parkverstoß“) dar.

Denn diese Vorschrift gilt nicht nur für Zuwiderhandlungen gegen die §§ 12, 13, 18 Abs. 8 StVO oder konkret durch Verkehrszeichen angeordnete Halte- und Parkverbote. So wird hiervon etwa auch das unzulässige Parken auf Geh- und Radwegen erfasst, die anderer Verkehr nicht benutzen darf (Verkehrsverbot). Das unbefugte Parken in einer Umweltzone steht ebenfalls in Zusammenhang mit einem Verkehrsverbot, das – wie dargelegt – den ruhenden Verkehr umfasst. Der Senat teilt daher die allgemeine Auffassung, dass § 25a Abs. 1 Satz 1 StVG auch beim Halten und Parken in einer Umweltzone ohne (gültige) Plakette Anwendung findet (vgl. VerfGH Berlin DAR 2014, 191; AG Dortmund ZfSch 2014, 474; AG Köln BeckRS 2019, 10275; König in: Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 25a StVG Rdn. 5; Weidig in: Münchener Kommentar a.a.O. § 25a StVG Rdn. 9; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke a.a.O. § 25a StVG Rdn. 2; Sandherr in: Haus/Krumm/Quarch a.a.O. § 25a StVG Rdn. 4).

c) Das Vorbringen des Betroffenen, das Anbringen der Umweltplakette an der Windschutzscheibe sei aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht zu rechtfertigen und führe zum Erlöschen der Betriebserlaubnis, ist nicht stichhaltig.

Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 der 35. BImSchV ist die Plakette zur Kennzeichnung eines Kraftfahrzeuges deutlich sichtbar auf der Innenseite der Windschutzscheibe anzubringen. Der Durchmesser der Plakette beträgt 80 mm (Anhang I Plakettenmuster). Der Verordnungsgeber hat hier eine eindeutige Regelung getroffen, aus der sich auch ergibt, dass die Kfz-Betriebserlaubnis durch das Anbringen der Plakette auf der Innenseite der Windschutzscheibe nicht erlischt und dies auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit zulässig ist.

Die Umweltplakette wird üblicherweise auf der Beifahrerseite unten rechts auf der Innenseite der Windschutzscheibe angebracht. Sie ist in Anbetracht dieser Positionierung und des geringen Durchmessers von 80 mm für den Kraftfahrzeugführer während der Fahrt kaum wahrnehmbar und stellt keine sicherheitsrelevante Sichtbehinderung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 StVO) dar.“

OWi I: StVO-Novelle 2020 tritt am 28.04.2020 in Kraft, oder: Andi Scheuer freut sich

Ich werde gerade darauf hingewiesen: Am 27.04.2020 wird die StVO-Novelle 2020 verkündet. So teilt es der „Bundes-Andi“ auf der Homepage seines Hauses mit. Inkrafttreten der Neuregelungen also dann am 28.04.2020. In der Meldung dazu heißt es:

„Bundesminister Andreas Scheuer:

Sie ist da! Die StVO-Novelle tritt am 28. April in Kraft. Ich freue mich, denn damit machen wir unsere Mobilität sicherer, klimafreundlicher und gerechter! Die neuen Regeln stärken insbesondere die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Wir schaffen mehr Schutz für Radfahrende und Vorteile für das Carsharing sowie elektrisch betriebene Fahrzeuge. Und ab sofort wird jeder härter bestraft, der die Rettungsgasse blockiert.

Sachinformationen:

  • Bundesminister Andreas Scheuer hatte die Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und anderer Regelungen im Herbst 2019 vorgelegt.
  • Der Bundesrat hat der Novelle am 14.02.2020 mit Maßgaben zugestimmt.
  • Das Kabinett hat die Novelle am 23.03.2020 in der Fassung mit den Änderungen des Bundesrates zu Kenntnis genommen.
  • Die Novelle wird am Montag, 27. April 2020, im Bundesgesetzblatt (Nr. 19) veröffentlicht und tritt damit am Dienstag, 28. April 2020, in Kraft.
  • Die Novelle enthält u.a. folgende Änderungen und neue Bußgelder:

Neue Regelungen für Bußgelder

STVO Novelle

Quelle: BMVI

  • Mit der StVO-Novelle werden neue bzw. erhöhte Geldbußen einhergehen – insbesondere für das verbotswidrige Parken auf Geh- und Radwegen sowie das nunmehr unerlaubte Halten auf Schutzstreifen und das Parken und Halten in zweiter Reihe. Für diese Verkehrsverstöße werden künftig die Geldbußen von derzeit ab 15 Euro auf bis zu 100 Euro erhöht.
  • Bei schwereren Verstößen ist darüber hinaus der Eintrag eines Punktes in das Fahreignungsregister vorgesehen: wenn durch das verbotswidrige Parken oder Halten in zweiter Reihe und auf Fahrradschutzstreifen oder Parken auf Geh- und Radwegen andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden, eine Sachbeschädigung erfolgt ist oder das Fahrzeug auf dem Geh- oder Radweg länger als eine Stunde parkt.
  • Die Einstufung des Verstoßes erfolgt durch die zuständigen Behörden vor Ort.

Parken und Halten

  • Darüber hinaus werden auch die Geldbußen für das unberechtigte Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz von 35 auf 55 Euro angehoben.
  • Außerdem wird ein neuer Tatbestand für das unberechtigte Parken auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge eingeführt (Verwarngeld: 55 Euro).
  • Auch die Geldbuße für das rechtswidrige Parken an engen oder unübersichtlichen Straßenstellen bzw. im Bereich einer scharfen Kurve wird von 15 auf 35 Euro angehoben.
  • Der allgemeine Halt- und Parkverstoß wird statt bis zu 15 Euro mit einer Sanktion bis zu 25 Euro geahndet.

Rettungsgasse

  • Auch wird das unerlaubte Nutzen einer Rettungsgasse genauso verfolgt und geahndet wie das Nichtbilden einer Rettungsgasse. Es drohen Bußgelder zwischen 200 und 320 Euro sowie ein Monat Fahrverbot. Außerdem droht für diese Verstöße künftig die Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister.
  • Neu ist auch die Verhängung eines Fahrverbots für das Nichtbilden einer Rettungsgasse auch ohne Verwirklichung einer konkreten Gefahr oder Behinderung.
  • Daneben werden weitere Geldbußen angehoben. Es werden künftig insbesondere bei fehlerhaften Abbiegevorgängen oder einer Sorgfaltspflichtverletzung beim Ein- bzw. Aussteigen die Geldbußen verdoppelt.

Geschwindigkeitsverstoß

  • Schon bei geringeren Geschwindigkeitsverstößen als bisher wird ein Monat Fahrverbot verhängt. Dies gilt innerorts bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h.

Sonstige Regelverstöße

  • Auch die vorschriftswidrige Nutzung von Gehwegen, linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen durch Fahrzeuge wird statt bis zu 25 Euro mit bis zu 100 Euro Geldbuße geahndet.
  • Auch das sogenannte Auto-Posing kann künftig wirksam geahndet werden: Durch die StVO-Novelle kann die Geldbuße für das Verursachen von unnötigem Lärm und einer vermeidbaren Abgasbelästigung sowie dem unnützen Hin- und Herfahren von bis zu 20 Euro auf bis zu 100 Euro angehoben werden.

Carsharing und elektrisch betriebene Fahrzeuge: Maßnahmen für saubere Mobilität

STVO Novelle

Quelle: BMVI

Carsharing

  • Wir schaffen Vorteile für Carsharing-Fahrzeuge, um diese Form der Mobilität besonders zu fördern.
  • Die geplanten Änderungen der StVO beruhen auf dem Carsharinggesetz, das die Voraussetzungen für die zuständigen Straßenverkehrsbehörden schafft, um Parkplätze zukünftig rechtssicher für das Carsharing auszuweisen.
  • Eingeführt werden u. a. ein neues Sinnbild, das als Grundlage für Zusatzzeichen Carsharing-Fahrzeugen bevorrechtigtes Parken ermöglicht, und eine Plakette zur Kennzeichnung der Carsharing-Fahrzeuge, die gut sichtbar an der Windschutzscheibe zu befestigen ist.

Sinnbild Carsharing:

Sinnbild Carsharing

Quelle: BASt

Sinnbild Plakette zur Kennzeichnung von Carsharing-Fahrzeugen:

Sinnbild Plakette des Ausweises zur Kennzeichnung von Carsharing-Fahrzeugen

Quelle: BASt

Parkflächen für elektrisch betriebene Fahrzeuge

  • Die StVO-Novelle stellt klar, dass die zuständigen Straßenverkehrsbehörden Parkflächen für elektrisch betriebene Fahrzeuge künftig durch ein Sinnbild auf der Fahrbahn hervorheben können.

Neue Regelungen zur Stärkung des Radverkehrs

STVO Novelle

Quelle: BMVI

Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern

  • Durch eine Neufassung der bestehenden Regelung wird klargestellt, dass das Nebeneinanderfahren von Radfahrenden grundsätzlich gestattet ist. Lediglich wenn andere Verkehrsteilnehmende behindert werden, muss hintereinander gefahren werden.

Mindestüberholabstand für Kfz

  • Es wird ein Mindestüberholabstand von 1,5 m innerorts und von 2 m außerorts für das Überholen von zu Fuß Gehenden, Radfahrenden und Elektrokleinstfahrzeugführenden durch Kraftfahrzeuge festgeschrieben. Bisher schreibt die StVO lediglich einen „ausreichenden Seitenabstand“ vor.

Schrittgeschwindigkeit für rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge über 3,5 t innerorts

  • Für rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge über 3,5 t wird aus Gründen der Verkehrssicherheit innerorts Schrittgeschwindigkeit (4 bis 7, max. 11 km/h) vorgeschrieben. Verstöße können künftig mit einem Bußgeld in Höhe von 70 Euro sanktioniert werden. Außerdem wird ein Punkt im Fahreignungsregister eingetragen.

Personenbeförderung auf Fahrrädern

  • Auf Fahrrädern dürfen Personen mitgenommen werden, wenn die Fahrräder zur Personenbeförderung gebaut und eingerichtet sind und der Fahrzeugführende mindestens 16 Jahre alt ist.

Grünpfeil ausschließlich für Radfahrer

  • Mit der StVO-Novelle wird die bestehende Grünpfeilregelung auch auf Radfahrer ausgedehnt, die aus einem Radfahrstreifen oder baulich angelegten Radweg heraus rechts abbiegen wollen. Außerdem wird ein gesonderter Grünpfeil, der allein für Radfahrer gilt, eingeführt.

Verkehrszeichen Grünpfeil für Radfahrer:

Verkehrszeichen Grünpfeil für Radfahrer

Quelle: BASt

Generelles Haltverbot auf Schutzstreifen

  • Schutzstreifen für den Radverkehr trennen den Rad- und den Autoverkehr mit einer gestrichelten weißen Linie (Zeichen 340 der StVO). Autos dürfen dort zwar nicht parken, aber bislang noch bis zu drei Minuten halten. Dies führt vielfach dazu, dass die Radfahrenden Schutzstreifen nicht durchgängig nutzen können, weil ihnen haltende Autos den Weg versperren. Deshalb wird dort ein generelles Haltverbot eingeführt.

Einrichtung von Fahrradzonen

  • Analog zu den Tempo 30-Zonen sollen in Zukunft auch Fahrradzonen angeordnet werden können. Die Regelung orientiert sich an den Regeln für Fahrradstraßen: Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden.
  • Auch Elektrokleinstfahrzeuge werden hier fahren dürfen.
  • Die Straßenverkehrsbehörden werden Fahrradzonen unter erleichterten Voraussetzungen anordnen können.

Verkehrszeichen Beginn einer Fahrradzone:

Verkehrszeichen Beginn einer Fahrradzone

Quelle: BASt

Ausweitung des Parkverbots vor Kreuzungen und Einmündungsbereichen

  • Wir wollen die Sicht zwischen Straße und Radweg verbessern und damit die Sicherheit speziell von Radfahrenden erhöhen. Das Parken vor Kreuzungen und Einmündungen wird daher in einem Abstand von bis zu je 8 Metern von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten verboten, wenn ein straßenbegleitender baulicher Radweg vorhanden ist.

Vereinfachung für Lastenfahrräder

  • Um speziell für Lastenfahrräder Parkflächen und Ladezonen vorhalten zu können, führen wir ein spezielles Sinnbild „Lastenfahrrad“ ein, das die zuständigen Straßenverkehrsbehörden nutzen können.

Sinnbild Lastenfahrrad:

Sinnbild Lastenfahrrad

Quelle: BASt

Verkehrszeichen Radschnellwege

  • Das Verkehrszeichen „Radschnellweg“ soll in die StVO aufgenommen werden, um die Kennzeichnung von Radschnellwegen auch unabhängig von der Fahrbahnbeschaffenheit, wie z. B. auf sandigem Untergrund, möglich zu machen.

Verkehrszeichen Radschnellweg:

Verkehrszeichen Radschnellweg

Quelle: BASt

Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen

  • Die Straßenverkehrsbehörden können in Zukunft – z. B. an Engstellen ein Überholverbot von einspurigen und mehrspurigen Fahrzeugen (u. a. Fahrrädern) für mehrspurige Kraftfahrzeuge anordnen. Hierfür wird ein neues Verkehrszeichen eingeführt.

Verkehrszeichen Verbot des Überholens von einspurigen und mehrspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen:

Verkehrszeichen Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen

Quelle: BASt

Erweiterung der Erprobungsklausel

  • Bislang haben die Länder bereits die Möglichkeit, verkehrsregelnde oder verkehrssichernde Maßnahmen zeitlich und örtlich begrenzt zu erproben. Die Durchführung solcher Verkehrsversuche wird durch die StVO-Novelle vereinfacht.
  • Eine weitergehende Öffnung des Straßenverkehrsrechts für Verkehrsversuche bedarf einer Änderung auf Gesetzesebene, die in einem weiteren Schritt im Jahr 2020 angegangen werden soll.

Vermehrte Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrende in Gegenrichtung

  • Im Rahmen einer Gesamtüberarbeitung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO im Jahr 2020 sollen die zuständigen Straßenverkehrsbehörden verstärkt zur Prüfung der Öffnungsmöglichkeit von Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrende aufgerufen werden. Ziel ist es, hierdurch die Zahl der in Gegenrichtung freigegebenen Einbahnstraßen zu vergrößern.

Neue Regelungen für Großraum- und Schwertransporte

  • Für die Beantragung von Erlaubnissen und Ausnahmegenehmigungen für Großraum- und Schwertransporte ändert sich die Regelung zur zuständigen Behörde. Außerdem gibt es künftig bundeseinheitliche Gebühren. Diese Regelungen treten erst im Januar 2021 in Kraft.

Ausdrückliches Verbot von Blitzer-Apps

  • In der StVO-Novelle wird ausdrücklich festgeschrieben, dass Fahrzeugführende Blitzer-Apps, z. B. auf Smartphones oder in Navigationssystemen, während der Fahrt nicht verwenden dürfen. Dies galt schon zuvor, wird jetzt nochmal deutlich klargestellt.

Einführung eines Sinnbilds „mehrfachbesetzte Personenkraftwagen“

  • Zwar wurde die Freigabemöglichkeit des Bussonderfahrstreifens für mehrfachbesetzte Personenkraftwagen gestrichen. Das neu eingeführte Sinnbild können die Straßenverkehrsbehörden jedoch fortan beispielsweise für die Durchführung von Verkehrsversuchen verwenden.

Sinnbild mehrfachbesetzte Personenkraftwagen:

Verkehrszeichen Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen

Quelle: BASt

Hinweis:
Alle hier abgebildeten Sinnbilder und Verkehrszeichen werden neu in die StVO eingeführt.“

Insbesondere die Verschärfungen bei den Fahrverboten, wo ja die Grenzen für die Verhängung eines Fahrverbotes gesenkt worden sind – außerorts demnächst schon ab 26 km/h, innerorts ab 21 km/h – werden zu erheblicher Mehrarbeit bei den Bußgeldstellen und den Gerichten führen. Mehrarbeit nicht nur bei AG, sondern auch bei den OLG, da nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG die Rechtsbeschwerden in den „Fahrverbotsfällen“ ja ohne Zulassung durch das OLG zulässig sind. Also: Mehr Einsprüche, mehr Hauptverhandlungen, mehr Rechtsbeschwerden.

Nichts desto trotz: Man muss die Mandanten auf diese Verschärfungen, die durch die Anhebung der Punkte ja auch fahreralubnisrechtliche Auswirkungen haben können, hinweisen. Und es gilt: Immer schön im zulässigen Bereich fahren.

Mich freut das Ganze natürlich für Andreas Scheuer, den BMVI. Endlich mal eine Erfolgsmeldung für ihn. Brauchte er ja auch. Denn sonst hat er sich bisher ja nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert.

BtM III: Freiheitsstrafe von 8 1/2 Jahren, oder: Nur „rudimentär dargestellte Strafschärfungsgründe“ reichen nicht

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Und zum Schluss der kleinen Reihe dann noch der BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – 1 StR 632/18, noch einmal zur Strafzumessung in BtM-Fällen. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Der BGH hat Strafausspruch beanstandet.

„1. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann jedoch eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, namentlich die tatrichterlichen Zumessungserwägungen defizitär oder in sich fehlerhaft sind.

Ein solcher Rechtsfehler liegt hier vor. Angesichts der beträchtlichen Höhe der verhängten Einzelstrafen hätte es einer eingehenderen Begründung bedurft (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2015 – 2 StR 317/15 Rn. 4; vom 29. November 2012 – 5 StR 522/12 Rn. 4; vom 19. Juni 2012 – 5 StR 264/12 Rn. 3 und vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10 Rn. 5; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. September 1993 – 2 StR 308/93, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 26). Die Strafkammer beschränkt sich hierbei lediglich auf die Mitteilung, um wieviel die nicht geringe Menge überschritten ist, dass es sich bei Heroin um eine gefährliche Droge handelt und der Angeklagte wegen nicht einschlägiger und mehrere Jahre zurückliegender Straftaten vorbestraft ist. Vor allem die nur rudimentär dargestellten Strafschärfungsgründe lassen die verhängten Strafen nicht ohne weiteres nachvollziehbar erscheinen.“

BTM II: Bewaffnetes Handeltreiben mit BtM, oder: Keine teleologische Reduktion – meint der 4. Ss.

entnommen wikimedia.org
By Dundak – Own work

Die zweite Entscheidung zum BtMG kommt vom BGH. Der hat sich im BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – 4 StR 303/19 – mal wieder mit dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gem. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG befasst.

Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte in seiner Wohnung eine größere Menge Amphetamin und Ecstasy zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs aufbewahrt. Zudem hatte er – und daruaf kommt es dann für die Entscheidung an – neben der Schrankwand in seinem Wohnzimmer, in der ein Großteil der Ecstasy-Tabletten aufbewahrt wurde, ein Jagdmesser und einen ausgezogenen Teleskopschlagstock, in einer Schublade im Büroschrank ein Springmesser und in einer Schublade des Schlafzimmerschrankes einen weiterer ausziehbarer Teleskopschlagstock gelagert. Darüber hinaus lagerte der Angeklagte in einem Schrank im Büro der Wohnung eine geladene und funktionsfähige halbautomatische Schreckschusspistole. Alle Gegenstände waren für den Angeklagten zugriffsbereit.

Das LG hat nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt. Der BGH hat das in seiner für BGHST bestimmten Entscheidung „gehalten“. Dabei hat er zur Frage der sog. teleologischen Reduktion der Vorschrift Stellung genommen und hat die verneint. Dazu hat ja gerade auch das BGH, Urt. v. vom 14.08.2018 – 1 StR 149/18 Stellung genommen (vgl. dazu BtM I: Bewaffnetes Handeltreiben, oder: Nur Aufbewahrung des Erlöses reicht nicht). Hier führt der BGH aus:

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält – abgesehen von der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zur Tat II. 1 der Urteilsgründe – einer rechtlichen Prüfung stand.

a) Nach der Qualifikationsnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG macht sich unter anderem strafbar, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel treibt und dabei eine Schusswaffe oder einen seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstand mit sich führt. Für die Erfüllung des Tatbestandes reicht es aus, wenn dem Täter die Schusswaffe oder der gefährliche Gegenstand bei einem Teilakt der auf den Umsatz einer nicht geringen Betäubungsmittelmenge bezogenen Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Verfügung steht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96 , BGHSt 43, 8, 10 ; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16 , NStZ 2017, 714, 715; Beschluss vom 8. Mai 2019 – 4 StR 203/19 , NStZ-RR 2019, 220, 221). Nicht erforderlich ist, dass der Täter zugleich auf die Schusswaffe oder den gefährlichen Gegenstand und die Betäubungsmittel zugreifen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98 , NJW 1999, 3206, 3207). Tatbestandlich erfasst werden vielmehr das Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes auch bei Teilakten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die dem eigentlichen Güterumsatz vorausgehen oder nachfolgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98 , aaO; vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02 , BGHSt 48, 189, 195 f. ; vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10 , BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 12 ; Urteil vom 14. August 2018 – 1 StR 149/18 ,StV 2019, 341, 342). So macht sich wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch derjenige strafbar, der etwa bei der Fahrt zur Abholung einer zuvor bestellten Betäubungsmittellieferung oder beim Transport von Rauschgifterlösen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17 , BGHSt 63, 1 Rn. 19 f. ) eine Schusswaffe oder einen gefährlichen Gegenstand mit sich führt.

b) Indem der Angeklagte, dem in seiner Wohnung eine Schusswaffe und mit den jeweils als Waffen im technischen Sinne zu qualifizierenden Teleskopschlagstöcken sowie dem Springmesser mehrere ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignete und bestimmte Gegenstände griffbereit zur Verfügung standen, aus der Wohnung heraus eine nicht geringe Handelsmenge an Betäubungsmitteln zur alsbaldigen Lieferung in seine Wohnung bestellte, hat er sich des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht. Dass er nach den Urteilsfeststellungen nicht vorhatte, die Schusswaffe oder die gefährlichen Gegenstände bei seinen Betäubungsmittelgeschäften zum Einsatz zu bringen, ist ohne Bedeutung. Denn der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt eine tatbezogene Verwendungsabsicht nicht voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 1996 – 3 StR 233/96 , NStZ 1996, 498; vom 9. Oktober 1997 – 3 StR 465/97 , BGHSt 43, 266, 270 ).

c) Eine den Anwendungsbereich der Norm einschränkende Auslegung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist nicht geboten. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht tragend erwogen worden ist, Fälle, in denen nach Lage der Dinge schlechterdings keine Gefahr für das geschützte Rechtsgut besteht, im Wege einer teleologischen Reduktion der Vorschrift von der Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2018 – 1 StR 149/18 ,StV 2019, 341, 342 f.; Beschluss vom 13. April 1999 ? 1 ARs 3/99; vgl. auch Beschluss vom 3. April 2002 – 1 ARs 14/02 , NStZ 2002, 600; offengelassen in Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02 , BGHSt 48, 189, 196 f. ; vgl. Lenckner, NStZ 1998, 257; Hecker, NStZ 2000, 208, 209; Zaczyk, JR 1998, 256; Nestler,StV 2002, 504; Paeffgen in Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. IV, S. 725; kritisch Altenhain, NStZ 2003, 435), folgt der Senat dem nicht.

aa) Mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I., S. 3186), durch das die Strafvorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in das Betäubungsmittelgesetz eingefügt worden ist, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, im Betäubungsmittelstrafrecht Strafrahmen vorzusehen, mit denen der großen Gefährlichkeit solcher Taten entsprochen werden kann. Die Qualifikationsnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG , die den Schutz der Allgemeinheit vor bewaffneten Tätern bezweckt, soll der besonderen Gefährlichkeit Rechnung tragen, die darin besteht, dass Täter ihre Interessen beim unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln rücksichtslos durchsetzen und dabei die Schusswaffe oder die sonstigen von der Vorschrift erfassten gefährlichen Gegenstände einsetzen (vgl. Entwurf zum Verbrechensbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 12/6853, S. 41; BGH, Urteil vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96 , BGHSt 42, 123, 126 ; Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02 , BGHSt 48, 189, 193 ; vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16 , BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13 ). Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schützt nicht nur das Rechtsgut der Volksgesundheit vor qualifizierten Angriffen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96 , BGHSt 43, 8, 11 ), sondern auch die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit von Personen, die in Kontakt mit Tätern von Betäubungsmittelstraftaten geraten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 ? 1 StR 38/16, aaO).

Der Gesetzgeber hat die Qualifikationsnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96 , aaO, S. 12; vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12 , NStZ-RR 2013, 150, 151) und den Tatbestand durch die Beschränkung auf bestimmte verkehrsrelevante Umgangsformen mit Betäubungsmitteln und das Erfordernis einer nicht geringen Betäubungsmittelmenge auf Tatmodalitäten begrenzt, bei denen nach seiner Bewertung das Führen von Schusswaffen oder sonstigen gefährlichen Gegenständen typischerweise zu einer besonderen Gefährlichkeit führt (BT-Drucks. 12/6853, S. 41). Bei der Schaffung dieser Norm war dem Gesetzgeber die weite Auslegung, die der Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs erfahren hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05 , BGHSt 50, 252 ), bekannt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98 , NJW 1999, 3206, 3207).

bb) Für eine einschränkende Auslegung des Tatbestands im Wege einer teleologischen Reduktion ist nach Auffassung des Senats schon deshalb kein Raum, weil sich für die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Gefahr für das geschützte Rechtsgut nach Lage der Dinge gänzlich ausgeschlossen erscheint, vor dem Hintergrund des weiten Verständnisses des Handelsbegriffes im Betäubungsmittelstrafrecht und des Schutzzwecks des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG keine sachgerechten, abstrakt formulierbaren Kriterien finden lassen (vgl. Altenhain, NStZ 2003, 435 [BGH 04.02.2003 – GSSt – 1/02] ).

Überlegungen, die Strafbarkeit des bewaffneten Handeltreibens auf Konstellationen eines zeitgleichen Zugriffs des Täters auf Schusswaffe bzw. gefährlichen Gegenstand und die Betäubungsmittel zu beschränken, haben wegen der damit verbundenen Privilegierung bewaffneter, am eigentlichen Güterumsatz unmittelbar nicht beteiligter Hintermänner (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 157) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht keine Zustimmung erfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 – 3 StR 372/98 , NJW 1999, 3206, 3207). Da die Strafnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nach den Intentionen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 41) auf den Schutz der Allgemeinheit vor bewaffneten Tätern abzielt, umfasst ihr Schutzzweck nicht nur am Betäubungsmittelumsatz als Abnehmer oder Lieferanten Beteiligte, sondern alle Personen, die – sei es aus Tätersicht auch ungewollt oder zufällig – in Kontakt mit dem Täter geraten. Zu Letzteren gehören insbesondere auch offen oder verdeckt agierende Angehörige des Zolls oder der Polizei (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2000 – 2 StR 123/00 , Rn. 12; vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12 , NStZ-RR 2013, 150, 151). Eine vom Täter intendierte Kontaktaufnahme mit Dritten scheidet deshalb als taugliches Kriterium für die Erfassung gänzlich ungefährlicher Fallkonstellationen aus (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96 , BGHSt 43, 8, 13 ). Ein Abstellen darauf, ob es beim Mitsichführen der Schusswaffe oder des gefährlichen Gegenstandes tatsächlich zu einer potentiellen oder gar konkreten Gefahrenlage gekommen ist, lässt sich mit der Struktur der Strafvorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht in Einklang bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16 , BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13 ). Der Gesetzgeber hat die Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gerade nicht vom festzustellenden Eintritt einer konkreten Gefahr oder einer Gefährdungseignung für die Sicherheit der Allgemeinheit abhängig gemacht. Eine abstrakt mögliche Gefahrensituation für andere wird aber im Einzelfall kaum jemals zweifelsfrei auszuschließen sein (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96 , aaO; vgl. Altenhain, NStZ 2003, 435, 438 [BGH 04.02.2003 – GSSt – 1/02] ). Dies zeigt auch der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren, bei dem der bewaffnete Angeklagte aus seiner Wohnung heraus Betäubungsmittel zur alsbaldigen Lieferung in seine Wohnung bestellte und gegen ihn bereits zeitgleich mit der Lieferung der bestellten Betäubungsmittel offene polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen ergriffen wurden. Bei dieser Konstellation lässt sich die Frage eines gänzlichen Fehlens jedweder Gefahr für das geschützte Rechtsgut nicht plausibel beurteilen.

Das Fehlen sachgerechter, abstrakt formulierbarer Kriterien für einen Ausschluss jedweder Rechtsgutsgefährdung hat aber zur Folge, dass sich die Fallgestaltungen, für welche eine teleologische Reduktion des Tatbestands in Betracht kommen soll, einer objektiv nachvollziehbaren und damit intersubjektiv zu vermittelnden Umschreibung entziehen.

cc) Eine teleologische Reduktion der Strafnorm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist schließlich auch unter Berücksichtigung der hohen, eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsehenden Strafandrohung der Vorschrift nicht erforderlich, um in atypischen Sachverhaltskonstellationen zu einer strafrechtlichen Ahndung zu gelangen, die dem Unrechts- und Schuldgehalt der betreffenden Handlungen in angemessener Weise gerecht wird. Denn solchen Sachverhaltsgestaltungen kann durch die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG , der eine die Mindeststrafe für minder schwere Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 2 BtMG lediglich um drei Monate übersteigende Strafrahmenuntergrenze vorsieht, hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 ? GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 197 ).

BtM I: Vorlage an das BVerfG, oder: Sind die Regelungen zum Verkehr/Erwerb von Cannabis verfassungswidrig?

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Heute dann mal – hatte ich, glaube ich, noch nie 🙂 – ein Tag nur mit BtM-Entscheidungen.

Und den Tag eröffne ich mit dem AG Bernau, Beschl. v.18.09.2019 – 2 Cs 226 Js 7322/19 (346/19). Auf den bin ich druch eine Nachricht bei Beck-Aktuell aufmerksam geworden. Der Beschluss ist ein sog. Vorlagebeschluss an das BVerfG. Das AG Bernau hat in einem JGG-Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) das Verfahren ausgesetzt und beschlossen:

„Das Amtsgericht Bernau hält alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt,für verfassungswidrig.

Hilfsweise hält das Amtsgericht Bernau die Strafvorschrift des § 29 Abs.1Nr. 1 BtMG in der Alternativedes Erwerbens von Cannabis i. V. m. Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG für verfassungswidrig.

Das Verfahren wird ausgesetzt und gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.“

Warum und wieso hat es in seinem knapp 141 Seiten langen Beschluss begründet. Der steht hier auf der Homepage des AG Bernau online.

Ich räume ein, ich habe es nicht alles gelesen, sondern fungiere hier nur als Bote. Ich warte dann mal, was und wann das BVerfG etwas dazu sagt. Ist ja schon einige Zeit her, dass Karlsruhe sich dazu geäußert hat. Schauen wir mal.