Heute im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder eine berufsrechtliche Entscheidung, und zwar das AGH Hamm, Urt. v. 06.12.2019 – 2 AGH 3/19, das ja auch schon Gegenstand der Berichterstattung im AnwBl. war.
In dem Verfahren ging es um verschiedene (angebliche) berufsrechtliche Verstöße, die dem angeklagten Kollegen zur Last gelegt wurden, und zwar.
1. Zulässigkeit der Anwaltswerbung mit einem Pin-up-Kalender
Der Kollege hatte 2015 Kalender mit nackten Frauen zu Werbezwecken an Autohäuser und Autowerkstätten verteilt. Auf der Kopflasche des Kalenders fanden sich die Kontaktdaten seiner Kanzlei. Deswegen war der Kollege vom AnwG Köln zu einer Geldbuße verurteilt worden, außerdem hatte man einen Verweis ausgesprochen.
2. Zulässigkeit des Inhalts von Werbeanzeigen im Kölner Stadtanzeiger
Gestritten worden ist zudem um die Zulässigkeit von mehreren Werbeanzeigen im Kölner Stadtanzeiger. Die enthielten jeweils ein Bild in Kombination mit Texten. In dem Streit ging es um den Sachbezug gibt und ob die Verwendung der Bezeichnung „Gruppe“ im Text eine Kanzleigröße vortäusche, die es nicht gebe.
Der Inhalt der Anzeigen (vgl. auch hier):
• Nr. 1: „Diskriminierung am Arbeitsplatz?“ und „Kündigungsschutz?“ eine mit hochhackigen Schuhen und kurzem Rock bekleidete Frau steht auf einem Schreibtisch und fixiert mit ihrem Schuh die Krawatte eines an diesem Schreibtisch sitzenden Mannes.
• Nr. 2: „Gehen Sie nicht zu irgendeinem Anwalt, sondern zum Fachanwalt! Kommen Sie rechtzeitig zu mir!“ an den Füßen einer mit einem Tuch zugedeckten Leiche baumelt ein Namensanhänger (Aufschrift: „war nicht rechtzeitig beim Anwalt“).
• Nr. 3: „Deutschland braucht die Zuwanderung junger Fachkräfte. Helfen wir … gemeinsam“ ein dunkelhaariges Mädchen mit einer Puppe im Arm steht am Rande von Bahnschienen vor dem Hintergrund mehrerer Flüchtlingsgruppen. Die Anzeige enthält zudem folgenden Text: „Wenn Sie mir bei Mandatsaufnahme diesen Coupon vorlegen, spendet meine Kanzlei 10 Prozent des von Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinnahmten Nettohonorars an eine Hilfsorganisation für jugendliche Flüchtlinge Ihrer Wahl.“
In den beiden letzten Anzeigen (Nr. 2 und 3) wird auf die Qualifikation als Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Medizinrecht, in allen dreien auf die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer und zwei Büroadressen hingewiesen“
3. Zulässigkeit einer Erfolgshonorarvereinbarung
Im dritten Komplex ging es schließlich um das AnwG Köln, Urt. v. 09.10.2018 – 2 AnwG 21/15 , 2 AnwG 60/17 , 2 AnwG 20/17 – (vgl. dazu Erfolgshonorar, oder: Nachträgliche Vereinbarung geht gar nicht). Auch insoweit war gegen den Kollegen eine Geldbuße festgesetzt und ein Verweis ausgesprochen worden.
Der AGH Hamm hat im Urt. v. 06.12.2019 – 2 AGH 3/19 festgestellt, dass der Kollege seinen Verpflichtungen gem. §§ 43, 43 b, 113 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 6 BORA und §§ 43, 49 b Abs. 2, 113 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 4 a RVG zuwider gehandelt hat und hat ihn verurteilt Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext des Urt. v. 06.12.2019 – 2 AGH 3/19.
Hier nur zur Kurzinfo die Leitsätze, wie sie im AnwBl. 2020, 172 von der Redaktion gefasst worden sind:
„1. Ein Anwalt verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot, wenn er mit einem „Pin-up-Kalender“, in dem Frauen als Sexualobjekte in den Vordergrund gerückt werden, wirbt. Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen.
2. Die Bezeichnung eines Anwalts in einer Anzeige als „Mitglied einer Gruppe“, deren allein handelnde Person jeweils der Anwalt ist, ist unsachlich, weil hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass dem Anwalt Kontakte oder sonstige Vorteile bei Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit zur Verfügung stehen würden, die bei anderen Anwälten nicht gegeben sind. Dadurch werde eine gesteigerte Leistungsfähigkeit und Spezialisierung des Anwalts suggeriert.
3. Eine Anzeige, in der ein Werbetext mit einem Bild ohne jedweden inhaltlichen Bezug zur anwaltlichen Tätigkeit verknüpft wird, ist unzulässig, weil ihr jeder sachliche Bezug fehlt.
4. Ein Verstoß gegen § 49b Abs. 2 BRAO ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit dem Mandanten der Rechtsstreit bereits anhängig ist.“
Der Leitsatz zu 4 finde ich etwas knapp und ein wenig missverständlich, da ja das Erfolgshonorar als unzulässig angesehen worden ist. Daher hier die Gründe zu dem Teil des Urteils:
„Die am 23.07.2015 abgeschlossene Vereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und seiner Mandantin ist nach § 4a I RVG und daher auch nach § 49b II BRAO unzulässig.
Sie stellt – tatbestandlich – eine Honorarvereinbarung iSv §§ 49b II BRAO, 4a I RVG dar. Nach der Vereinbarung sollten sowohl Honorar insgesamt als auch Höhe des Honorars des Rechtsanwaltes vom Ausgang der Sache abhängen. Für den Fall der Klageabweisung (insgesamt) verzichtete der Rechtsanwalt vollständig auf seine „Anwaltskosten“. Für den Fall, dass die Klage – teilweise – Erfolg haben würde, wurde ein- nach der Höhe der erfolgreichen Klageforderung gestaffeltes – Honorar zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren vereinbart. Sowohl die Frage, ob überhaupt ein Honorar geschuldet war, als auch die Höhe des Honorars hingen daher von dem Ausgang des Rechtsstreits – der Sache – ab.
Diese erfolgsabhängige Vereinbarung war unzulässig.
Zwar sind bei der „verständigen Betrachtung“ im Sinne von § 4a I RVG nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch die finanziellen Risiken und deren Bewertung durch den einzelnen Auftraggeber bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Erfolgshonoraren zu berücksichtigen (vgl. BT-Drs. 16/8916 v.?23.4.2008 S.?14). Eine Erfolgshonorarvereinbarung ist daher nicht nur dann zulässig, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Rechtsuchenden gar keine Alternative lassen.
Gleichwohl ist die vom Rechtsanwalt mit der Mandantin geschlossene Erfolgshonorarvereinbarung nach § 4a I RVG unzulässig.
Dies ergibt sich allerdings nicht bereits allein aus dem Umstand, dass die Mandantin zum Zeitpunkt der Gebührenvereinbarung bereits Klage erhoben hatte, der Rechtsstreit also bereits anhängig war. Unter “ Rechtsverfolgung“ im Sinne von § 4a I RVG ist nicht ausschließlich die „Klageerhebung“ zu verstehen. Hierfür spricht bereits der Wortlaut. Auch während eines laufenden Rechtsstreits bzw. Prozesses kann ein Mandant ohne eine Vergütungsvereinbarung von der „Rechtsverfolgung“ abgehalten werden. Ein solcher Fall kann beispielsweise gegeben sein, wenn sich erst während des laufenden Rechtsstreits herausstellt, dass weitere, bei Klageerhebung noch nicht absehbare, Kosten, etwa für Sachverständigengutachten anfallen. Ein solcher Fall kann aber auch dann gegeben sein, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten oder die finanziellen Risiken und deren Bewertung während des Rechtsstreits ändern.
Hier hatten sich aber nach der Klageerhebung durch die Mandantin keine Veränderungen ergeben. Die Mandantin hatte bereits Klage erhoben und sowohl die vom Gericht angeforderten Gerichtskosten als auch den Vorschuss für den Sachverständigen bereits selbst bezahlt. Zum Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung hatte sich keine Veränderung in objektiver Hinsicht ergeben. Die Mandantin war nach der Einlassung des Rechtsanwaltes vor der Klageerhebung über die Höhe der voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Höhe seiner Gebühren informiert. Erst als der Rechtsanwalt sie nach Klageerhebung darauf aufmerksam machte, dass er beabsichtige, einen Vorschuss zu fordern, hat sie sich über die Höhe der Kosten „beklagt“. Auch wenn ihr zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht bewusst gewesen sein mag, dass ihr Rechtsanwalt noch vor Abschluss des Verfahrens einen Vorschuss auf seine Vergütung fordern konnte, hat sie sich durch die Ankündigung des Rechtsanwaltes nicht von der Rechtsverfolgung abhalten lassen. Dies hat der Rechtsanwalt ausdrücklich eingeräumt. Die Mandantin hätte auch ohne die Vergütungsvereinbarung den Gebührenvorschuss des Rechtsanwaltes gezahlt und den Rechtsstreit fortgeführt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mandantin hatten sich seit der Klageerhebung nicht verändert. Auch dies hat der Rechtsanwalt ausdrücklich eingeräumt. Sie bezog nach wie vor Rente. Die Aussichten des Prozesses hatte der Rechtsanwalt – nach wie vor – positiv eingeschätzt. Verjährung des Anspruchs drohte nach Angabe des Rechtsanwalts.
Dann aber sind die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 RVG nicht erfüllt. Die Mandantin wäre ohne die Erfolgshonorarvereinbarung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung nicht von der Rechtsverfolgung iSv § 4a I RVG abgehalten worden.
Der Umstand, dass ohne die Vergütungsvereinbarung die Rechtsverfolgung für die Mandantin – so die Einlassung des Rechtsanwalts – “wesentlich erschwert“ worden wäre oder dass die Vergütungsvereinbarung der Mandantin die Prozessführung „erleichtert“ hatte, genügt angesichts des klaren und eindeutigen Wortlautes nicht, um ausnahmsweise eine Erfolgshonorarvereinbarung zuzulassen.
Insbesondere ist entgegen der Ansicht des Rechtsanwaltes unerheblich, dass die Mandantin mit seinen Leistungen im zugrunde liegenden Mandat nicht nur zufrieden war, sondern auch im Nachhinein an der getroffenen Vereinbarung ausdrücklich festgehalten und diese „genehmigt“ hat. Eine nachträgliche „Genehmigung“ und Bestätigung der Vereinbarung ändert an dem Verstoß gegen § 49b II BRAO, § 4a I RVG nichts. Schutzgut des – nunmehr eingeschränkten – Verbots einer Erfolgshonorarvereinbarung ist nicht nur der Schutz der Rechtsuchenden vor Übervorteilung durch überhöhte Vergütungsansätze. Die Vorschrift soll vielmehr auch die anwaltliche Unabhängigkeit und den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit bewahren (Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. A., § 4a RVG, Rn. 2).
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) zur Zulässigkeit der Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters („wenigermiete.de“) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Der Rechtsanwalt ist kein Inkassodienstleister; für ihn sind daher die Grundsätze des Bundesgerichtshofs nicht anwendbar. Im Gegenteil hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung angenommen, eine Überschreitung der Inkassobefugnis der dortigen Klägerin lasse sich nicht aus dem Gesichtspunkt möglicher Wertungswidersprüche zu den in einem vergleichbaren Fall für Rechtsanwälte geltenden – strengeren – berufsrechtlichen Vorschriften herleiten. Damit hat der Bundesgerichtshof noch einmal ausdrücklich die Zulässigkeit der Beschränkungen anwaltlicher Erfolgshonorarvereinbarungen bestätigt, so wie sie auch im vorliegenden Fall Anwendung finden.
Die übrige Argumentation des Rechtsanwaltes, der der Auffassung ist, dass das Verbot der Erfolgshonorarvereinbarung „abgeschafft“ gehöre, zielt, ebenso wie seine Argumentation zum Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung (§ 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA) auf ein anwaltliches Berufsrecht de lege ferenda ab. Sie ändern nichts am anwaltlichen Berufsrecht de lege lata. § 49b II BRAO, § 4a I RVG sind geltendes Recht und müssen auch vom Rechtsanwalt beachtet werden, selbst wenn er sie als änderungsbedürftig erachtet. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich daher.“