Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v. 26.09.2019 – 5 StR 206/19. In ihm hat der BGH – auf Vorlage des OLG Hamburg gegen Entscheidungen des OLG Hamm bzw. des BayObLG zur Frage der Wirksamkeit einer Revisionsbeschränkung Stellung genommen.
Der Angeklagte war durch zwei amtsgerichtliche Entscheidungen zu Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen die eine Entscheidung haben der Angeklagte und die StA Berufung eingelegt, beide haben ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Gegen das zweite AG-Urteil haben auch StA und Angeklagter Berufung eingelegt, beschränkt hat jedoch nur die Staatsanwwaltschaft.
Das LG hatte die Verfahren verbunden und „beide angefochtenen Entscheidungen im Rahmen der jetzt notwendigen und nachträglichen Gesamtstrafenbildung“ im Rechtsfolgenausspruch neu gefasst. Das LG ist dabei von einer Beschränkung der Berufung des Angeklagten auch gegen das gegen zweite Urteil und damit von insoweit eingetretener horizontaler Teilrechtskraft ausgegangen, weil die Vorsitzende der Auffassung war, diese Berufung sei in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der StA auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Das Hauptverhandlungsprotokoll belegte eine solche Berufungsbeschränkung aber nicht; seine Berichtigung war nicht möglich, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben.
Gegen das Urteil des LG hat der Angeklagte Revision eingelegt. Er hat die Sachrüge erhoben und beantragt „das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg […] zurückzuverweisen“. Das OLG Hamburg wollte die Beschränkung der Revision des Angeklagten als wirksam zu behandeln und das Berufungsurteil des LG Hamburg infolgedessen lediglich im Rechtsfolgenausspruch überprüfen. Dabei war es der Ansicht, die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung habe in diesem Fall unter Zugrundelegung der amtsgerichtlichen Schuldfeststellungen zu erfolgen.
An dieser Entscheidung sah sich das OLG jedoch durch entgegenstehende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Urt. v. 13.09.1972 – 4 Ss 1029/72, NJW 1973, 381) und des BayObLG (Beschl. v. 07.12.1994 – 1 St RR 195/94, BayObLGSt 1994, 253) gehindert. Die jeweiligen Entscheidungen haben Revisionsbeschränkungen auf den Rechtsfolgenausspruch für unwirksam erachtet, wenn das Berufungsgericht in der irrigen Annahme der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung zur Schuld des Angeklagten keine Feststellungen getroffen und damit den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf nicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nachgeprüft hat.
Das OLG hält die Rechtsansicht des OLG Hamm und des BayObLG für unzutreffend. Der revisionsgerichtliche Prüfungsumfang obliege durch die Möglichkeit der Revisionsbeschränkung der Disposition des allein revidierenden Angeklagten, wobei es für das Revisionsverfahren infolgedessen unerheblich sei, ob das Berufungsgericht zu Recht oder zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der zuvor eingelegten Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen sei. Eine Überprüfung des durch den Rechtsmittelführer allein angefochtenen Rechtsfolgenausspruchs könne, soweit es dafür auf die Feststellungen zum Schuldspruch ankomme, anhand der Feststellungen des Amtsgerichts erfolgen.
Das OLG Hamburg hatte daher dem BGH die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Angeklagter seine Revision gegen ein Urteil des Berufungsgerichts auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs wirksam beschränken kann, „wenn das Berufungsurteil keine Feststellungen zum Schuldspruch enthält, weil das Berufungsgericht irrig von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs ausgegangen ist, die entsprechende Berufungsbeschränkung aber nicht erklärt worden ist, während sie im Falle ihrer Erklärung im Übrigen wirksam wäre“.
Der BGH hat sich dem OLG Hamburg nicht angeschlossen, sondern die Frage wie folögt beantwortet:
„Die Revision gegen ein Berufungsurteil kann nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden, wenn das Berufungsgericht trotz unbeschränkt eingelegter Berufung keinen eigenen Schuldspruch mit zugehörigen Feststellungen getroffen hat. Dies gilt auch, wenn es zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist.“
Ich kann mich erinnern, dass die Frage während der Zeit meiner Tätigkeit beim OLG immer wieder eine Rolle gespielt hat. Denn von der Antwort hängt der erforderliche Umfang der Feststellungen und damit ggf. der Erfolg der Revision ab.