Nachdem ich gestern drei materiell- bzw. verfahrensrechtliche Entscheidungen zum (neuen) Recht der Vermögensabschöpfung vorgestellt habe, heute am Gebührenfreitag dann auch der Schwerpunkt Einziehung bzw. die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG.
Mit Zunahme der Einziehungsentscheidungen hat natürlich auch die gebührenrechtliche Bedeutung der damit zusammenhängenden Fragen zugenommen. Und man merkt vielen Entscheidungen an, dass die Staatskasse mit der Zunahme der Fälle, in denen die Nr. 4142 VV RVG festgesetzt werden muss/müsste, nicht zurecht kommt. Und das Ergebnis: Man mauert. So auch in den beiden heute vorgestellten Entscheidungen des LG Amberg.
Ich stelle dann zunächst den LG Amberg, Beschl. v. 31.05.2019 – 11 KLs 106 Js 7350/18 – vor. Der Kollege Jendricke aus Amberg, der mir den Beschluss geschickt hat, war Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen Handeltreibens mit BtM unter Mitführen einer Schusswaffe pp. Er hat nach Abschluss des Verfahrens beantragt, den Gegenstandswert seiner anwaltschaftlichen Tätigkeit für eine gem. Nr. 4142 VV RVG entstandene zusätzliche Verfahrensgebühr gem. § 33 RVG festzusetzen. Dieser Betrag setzte sich nach Auffassung des Kollegen zusammen aus dem Wert eines Mobiltelefons i.H.v. 100,– €, dem Wert eines Schreckschussrevolvers i.H.v. 100,– €, dem Wert eines Bowiemessers i.H.v. 50,– € und dem Wert für einen Pkw Audi A8 i.H.v. 6.850,– €. Die zuständige Rechtspflegerin hat die Akten der Strafkammer zur Festsetzung des Gegenstandswertes vorgelegt.
Das LG hat den Gegenstandswert auf nur 250,– € festgesetzt. Dabei hat es LG den Wert des Mobiltelefons, den Wert des Schreckschussrevolvers und den des Bowiemesse berücksichtigt. Im Rahmen der Hauptverhandlung sei die Einziehung dieser Gegenstände erörtert worden. Nicht berücksichtigt hat das LG hingegen den Wert des sichergestellten Pkw Audi A8. Begründung:
„Die Vorschrift Nr. 4142 VV RVG bezieht sich auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen. Entscheidend für die Anwendung der VV 4142 ist, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen will (vgl. Gerold/Schmidt RVG Kommentar 23. Aufl. 2017, Rdnr. 6 aus Beck-Online). Die VV 4142 setzt keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, insbesondere muss die Einziehung nicht im Verfahren beantragt worden sein. Ausreichend ist es, wenn sie in Betracht kommt. Davon ist auszugehen, wenn die Fragen der Einziehung naheliegen, weil aufgrund der Aktenlage mit einem Einziehungsantrag in der Hauptverhandlung zu rechnen ist oder weil in der Anklage die Einziehung beantragt wurde (vgl. hierzu Gerold/Schmidt RVG Kommentar a.a.O. Rdnr. 12). In diesem Fall wird die Gebühr auch für eine außergerichtliche nur beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts verdient.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor. Wie der Verteidiger in seiner Stellungnahme vom 02.05.2019 dargelegt hat, war von Anfang an klar, dass Halter des Fahrzeugs der Bruder des Angeklagten war. Auch wies der Fahrzeugschein den Bruder des Angeklagten als Halter des Fahrzeugs aus. Weiter hat der Verteidiger zu Recht darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Vermutung gilt, dass derjenige, auf den das Fahrzeug eingetragen ist, auch der Eigentümer ist. Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass auch der Angeklagte bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 10.07.2018 (vgl. BI. 33 d. A.) von Anfang an angegeben hat, dass das Fahrzeug seinem Bruder gehört. Eine Einziehung kam daher von vorne herein nicht in Betracht, da nach § 74 Abs. 3 StGB die Einziehung nur zulässig ist, wenn die Gegenstände dem Täter gehören. Deshalb wurde der Pkw durch die Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung herausgegeben (vgl. hierzu BI. 320 d. A.). Der Wert des Pkw Audi war daher bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nach Nr. 4142 VV RVG nicht mehr zu berücksichtigen.“
M.E. falsch. Das LG geht zwar von den richtigen Obersätzen aus, es zieht daraus aber nicht die richtigen Schlüsse. Denn, wenn die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG in Betracht kommt, weil der Rechtsanwalt den Mandanten über eine ggf. erfolgende Einziehung beraten hat, dann kommt es nicht darauf an, ob letztlich eingezogen worden ist, sondern, ob der Rechtsanwalt Anlass hatte den Mandanten zu beraten. Und das ist immer auch dann der Fall, wenn letztlich eine Einziehung – wie hier – nicht in Betracht kommt. Denn (erforderliche) Beratung, die zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG führt, ist es auch, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten darüber berät, dass eine Einziehung bestimmter Gegenstände nicht in Betracht kommt , z.B. weil § 74 Abs. 3 StGB entgegensteht.
Warum sollte ein Anlass bestehen, den Angeklagten über die Nichteinziehbarkeit von Gegenständen zu beraten, die nach allgemeiner und vom Angeklagten geteilter Auffassung einem Dritten gehören? Ob ein solcher Gegenstand eingezogen wird oder nicht, berührt die Vermögensinteressen des Angeklagten i.d.R. nicht. Sinn hätte eine solche Beratung vielmehr allenfalls für den dritten Eigentümer. Für eine evident sinnlose Beratung muss der Mandant aber natürlich nichts bezahlen.
Eben….
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