Am Gebührenfreitag dann zunächst mal wieder etwas aus dem Bußgeldverfahren, und zwar etwas zur Bemessung der Rahmengebühren. Das AG Alzey sagt im AG Alzey, Beschl. v. 11.06.2019 – Ia OWI 101/19, den mir der Kollege Momberger aus Düsseldorf geschickt hat: Im duchschnittlichen Verfahren gibt es die Mittelgebühr:
„Entgegen der Auffassung der Zentralen Bußgeldstelle und des Betroffenen steht dem Verteidiger gemäß § 14 RVG iVm VV 5100 der Anlage 1 zum RVG die Mittelgebühr iHv 100 € zu.
Es ist anhand einer Einzelfallbetrachtung zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der Mittelgebühr – gleich in welche Richtung – rechtfertigen (vgl. Hauben in RVG, 16. Auflage 2014, Nr. 5100 VV RVG mwN).
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Ein die Abweichung nach unten rechtfertigender Sachverhalt ist – entgegen der Auffassung der Zentralen Bußgeldbehörde – hier nicht ersichtlich. Vielmehr hatte die Sache für den Betroffenen, gegen den ein Fahrverbot verhängt wurde, eine erhebliche, möglicherweise sogar existentielle Bedeutung. Auch die Höhe des Bußgeldes von (lediglich) 160,00 Euro führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Die Höhe des Bußgeldes allein ist nicht als Maßstab für die Frage geeignet, die konkrete Gebühr innerhalb des gesetzten Rahmens zu bestimmen. Denn die Höhe der Geldbuße ist bereits durch den Gesetzgeber dadurch berücksichtigt, dass er drei „Fallgruppen“ gebildet hat. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Höhe der Grundgebühr gerade nicht an die Höhe der Geldbuße gekoppelt hat, zeigt, dass diese bei der Gebührenbemessung nicht zu berücksichtigen ist (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 23. Aufl. 2017, RVG VV 5100 Rn. 4).
Entgegen der Auffassung des Betroffenen liegt aber auch kein eine Abweichung nach oben rechtfertigender Sachverhalt vor. Allein das Fahrverbot oder die drohende Eintraung von Punkten im FAER begründet noch nicht zwangsläufig die Anwendung einer über der Mittelgebühr liegenden Gebühr, wenn – wie hier – schwerwiegende Nachteile beruflicher oder privater Art gerade nicht vorgetragen sind (vgl. LG Leipzig Beschl, v. 4.2.2010 — 5 Os 71/09, BeckRS 2011, 11482, beck-online). Vielmehr sind auch in Bußgeldsachen der Umfang der Akten, in die der Verteidiger Einsicht nimmt, die Dauer des Erstgesprächs, der Tatvorwurf und tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (vgl. BeckOK RVG/Knaudt, 43. Ed. 1.3.2019, RVG VV 5100 Rn. 15-16) maßgebliche Kriterien für die Festsetzung der Gebühren.
Eine über der Mittelgebühr liegende Einordnung erscheint insoweit vorliegend nicht angemessen.
Die anwaltliche Tätigkeit war vorliegend von eher geringem Umfang und die für die Einarbeitung notwendige Zeit ist als maximal durchschnittlich einzuschätzen. Die Akte umfasste zum Zeitpunkt der ersten Akteneinsicht einschließlich des Bestellungsschriftsatzes und der Vollmacht des Verteidigers 14 Blatt. Auch hinsichtlich des Tatvorwurfs, Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, ist von einem durchschnittlichen Tatvorwurf in OWi-Verfahren auszugehen, die eine über der Mittelgebühr anzusetzende Grundgebühr nicht zu rechtfertigen vermag. Entgegen der Auffassung des Betroffenen weicht der vorliegende Fall weder in seiner tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit, in seiner Komplexität oder Fallgestaltung von dem Durchschnittsfall ab.
Dass der Betroffene gegen die Kostengrundentscheidung Rechtsmittel eingelegt und wie sich dies auf die Grundgebühr der anwaltlichen Tätigkeit auswirken soll, ist nicht ersichtlich. Die Grundgebühr vergütet die „erstmalige Einarbeitung“, also die auftragsgemäße Beschaffung und Entgegennahme der Erstinformation und das erste Aktenstudium (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, RVG, Anhang nach VV 5100, Rn. 1, Anhang nach VV 4100 Rn. 6 m. w. N.). Die Schwierigkeit des vorliegenden Sachverhalts ist in jeder Hinsicht als durchschnittlich zu bewerten.
Gleiches gilt für die Verfahrensgebühr nach VV 5103 der Anlage 1 zum RVG.
Deshalb stehen dem Verteidiger die Grundgebühr von 100,00 €, die Verfahrensgebühr von 175 €, die Gebühr nach VV 5115 in Höhe von 160 €, die Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 und die Postpauschale in Höhe von 20 € zu.“
Fazit: Der Verteidiger erhält nicht so viel, wie er bantragt hatt, die Bußgeldstelle muss aber mehr zahlen, als sie zunächst wollte. Zufrieden mit der Entscheidung werden beide „Seiten“ nicht sein.