Heute ist an vielen Orten wahrscheinlich der letzte Tag, an dem vor Weihnachten noch „richtig“ gearbeitet wird. So auch hier im Blog mit drei Entscheiudungen, bevor es dann morgen noch Gebührenrecht gibt, dem am Samstag der „Kessel Buntes“ folgt. Und ich eröffne heute mit dem KG, Beschl. v. 08.11.2018 – 3 Ws (B) 249/18 – zur Frage der Heilung eines Zustellungsmangels durch nachträgliche Ausstellung der Verteidigervollmacht.
Der Verteidiger hattemit der Rechtsbeschwerde u.a. das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend gemacht. Dazu hatte er vorgetragen, dass er sei zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheids vom 22.01.2018 nicht Verteidiger und mithin nicht zustellungsbevollmächtigt gewesen sei. Die mit Schriftsatz vom 07.12.2017 zu den Akten gereichte Vollmacht habe sich lediglich auf die beantragte Akteneinsicht bezogen. Die Entgegennahme von Zustellungen sei hierin jedoch ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die dennoch am 25.01.2018 mittels Einwurf in den Kanzleibriefkasten erfolgte Zustellung sei daher unwirksam. Empfangsberechtigt sei er vielmehr erst mit der am 28.01.2018 erteilten Verteidigervollmacht geworden. Die Verjährung sei mithin nicht wirksam durch Erlass des Bußgeldbescheids unterbrochen worden.
Das KG hat das . mit dem AG Tiergarten – anders gesehen:
„b) Die auf die ordnungsgemäß erhobene Sachrüge von Amts wegen veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die festgestellte Ordnungswidrigkeit – entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers – nicht verjährt ist.
(1) Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung für Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monaten, danach sechs Monate.
Die Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG der am 8. November 2017 begangenen Ordnungswidrigkeit ist zunächst durch die Übermittlung des Anhörungsbogens am 28. November 2017 an den Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden.
(2) In der Folge ist die Verjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheids am 22. Januar 2018 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Die Zustellung des Bußgeldbescheids ist spätestens am 28. Januar 2018 gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG i.V.m. § 7 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung i.V.m. § 8 VwZG fingiert. Der Bußgeldbescheid ist mithin innerhalb von zwei Wochen nach dessen Erlass zugestellt. Zugleich wurde die Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG auf sechs Monate verlängert.
Der Senat kann es im Ergebnis offen lassen, ob Rechtsanwalt K. zum Zeitpunkt der Zustellung aus den im amtsgerichtlichen Urteil aufgeführten Gründen nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG ermächtigt war, Zustellungen entgegenzunehmen oder zumindest – wovon die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme ausgeht – aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht, die neben der gesetzlichen nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG bestehen kann, zustellungsbevollmächtigt war (vgl. hierzu KG NStZ-RR 2016, 289). Denn jedenfalls wäre ein etwaiger Zustellungsmangel geheilt.
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG gelten im Zustellungsverfahren die landesrechtlichen Vorschriften zur Zustellung. Nach § 7 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung gilt das Verwaltungszustellungsgesetz. Dementsprechend findet § 8 VwZG Anwendung, nach dem ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung von zwingenden Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat.
Das Rechtsbeschwerdevorbringen und damit eine (zunächst) fehlende Empfangsvollmacht des Rechtsanwalts K. unterstellt, hätte der Bußgeldbescheid dem Betroffenen zugestellt werden müssen. Wegen dieses Verstoßes gegen zwingende Zustellungsvorschriften ist der Anwendungsbereich des § 8 VwZG eröffnet.
Die Heilung ist dadurch eingetreten, dass der Beschwerdeführer dem Rechtsanwalt am 28. Januar 2018 eine Verteidigervollmacht erteilt hat und seit diesem Tag gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG kraft Gesetzes empfangsberechtigt war.
Ohne Belang für die Heilung nach § 8 VwZG ist hierbei, dass dem Rechtsanwalt der Bußgeldbescheid zugegangen ist, bevor er empfangsberechtigt wurde. Nach allgemeiner Auffassung erfordern es nämlich Sinn und Zweck der Heilungsvorschriften diese auch dann anzuwenden, wenn ein Rechtsanwalt erst durch spätere Bevollmächtigung zum Verfahrensbeteiligten wird und er bereits vorher in den Besitz eines zuzustellenden Schriftstücks gelangt ist. Hat er zu diesem Zeitpunkt das Schriftstück noch im Besitz, dann hat er es mit der Bevollmächtigung gemäß § 8 VwZG erhalten, so dass es als zugestellt gilt (BVerwG NVwZ 1999, 178; OLG Düsseldorf NJW 2008, 2727).
Nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen ist der Bußgeldbescheid – wie auch aus der Postzustellungsurkunde ersichtlich – dem Rechtsanwalt am 25. Januar 2018 tatsächlich zugegangen. Da bereits drei Tage nach Zustellung die Verteidigervollmacht erteilt wurde, ist – auch mangels gegenteiligen Anhaltspunkte – davon auszugehen, dass der Rechtanwalt zu diesem Zeitpunkt noch immer im Besitz des Bußgeldbescheids war. Der Betroffene hat nach der Bußgeldakte eine Ablichtung des Bescheids erhalten, so dass auch kein erkennbares Bedürfnis für eine eventuelle vorherige Weitergabe des Bescheids an den Betroffenen durch den Rechtsanwalt besteht. Im Übrigen wäre auch in diesem Fall eine Heilung nach § 8 VwZG zu prüfen (vgl. hierzu OLG Hamm DAR 2017, 642).
Die Bußgeldbehörde hatte auch den von den Heilungsvorschriften vorausgesetzten Zustellungswillen.
Dieser erfordert, dass die Behörde eine förmliche Zustellung tatsächlich vornehmen wollte, was schon immer dann anzunehmen ist, wenn die Behörde – wie hier – das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger zuleitet. Es kommt nicht darauf an, dass der behördliche Wille auch auf die Einhaltung der für die Zustellungsart erforderlichen Förmlichkeiten gerichtet ist (BVerwG a.a.O; Smollich in Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Aufl. 2014 VwZG § 8 Rn.2).
Mithin ist der Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften geheilt worden.“
Also wie immer in Vollmachtsfragen: Vorsicht!!
Wie kann man so dumm sein und eine Vollmacht vorlegen?