Machen wir heute mal wieder ein wenig OWi. Und zum Warm-Up gibt es das AG Erlangen, Urt. v. 15.102.2018 – 6 OWi 911 Js 143459/18. Nichts Besonderes, bis auf die Frage der Schuldform. Die stellte sich nämlich als „Fahrlässig“ oder „vorsätzlich“. Die Kollegin Bender-Paukens, die mir das Urteil geschickt hat, hat mir dabie berichtet, dass das AG mit „Tod und Teufel2 = Vorsatz gedroht hat, aber sie und der Mandant standhaft geblieben sind = Einspruch nicht zurückgenommen haben. „Herausgekommen“ ist dann eine Verurteilung wegen fahrlässigkeit mit folgender Begründung:
„Der Betroffene ist daher schuldig der fahrlässigen Überschreitung zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 115 km/h gem. §§ 41 I i.V.m. Anlage 2, 49 StVO. 24, 25 StVG, 11.3.10 BKat, 4 I BKatV, 17 OWiG.
Das Gericht ist insoweit zugunsten des Betroffenen von einer rein fahrlässigen Begehung der Tat ausgegangen. Es hat dabei berücksichtigt, dass es sich grundsätzlich am Tatort um eine breit ausgebaute Autobahn handelte und aus den baulichen Gegebenheiten keine Geschwindigkeitsbegrenzung oder ähnliches ersichtlich war. Die Geschwindigkeitsbegrenzung diente lediglich der Sicherheit der eingerichteten polizeilichen Kontrollstelle. Wenn man zugunsten des Betroffenen unterstellt, dass er die Beschilderung übersehen hat, dann gab es für ihn keinen Anlass, seine Geschwindigkeit zu reduzieren. Allein aus dem verhältnismäßig hohen Geschwindigkeitswert, den der Betroffene erreicht hat, kann daher nicht ohne weiteres auf einen möglichen Vorsatz rückgeschlossen werden.“
„Schöne“ Formulierung: „Das Gericht ist …. ausgegangen“. Das liest sich wie die Anwendung des Zweifelssatzes 🙂
Das Urteil hat aber auch noch eine andere „schöne“ Formulierung:
„Es liegt der Fall einer groben Pflichtverletzung nach § 4 I Satz 1 Nr. 1 BKatV vor. Die Erfüllung dieses Tatbestandes injiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 I Satz 1 StVG. Insoweit bedarf es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes, wobei, wenn es angeordnet wird, in der Regel die im Bußgeldkatalog bestimmte Dauer festzusetzen ist. Besondere Umstände, die hier eine Abweichung von der im Bußgeldkatalog festgelegten Dauer des Fahrverbotes begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
Zu Gunsten des Amtsrichters gehe ich mal davon aus, dass er den Unterschied zwischen „indiziert“ und „injiziert“ kennt und auch richtig diktiert hat. Jedenfalls hat er aber vor seiner Unterschrift das Urteil nicht richtig/sorgfältig gelesen, sonst wäre ihm das doch sicherlich aufgefallen (?).
Da scheint noch mehr nicht bei Durchsicht des Entwurfs aufgefallen zu sein – wie sonst wäre zu erklären, dass das „Gericht“ „hier ordnungsgemäß geeicht“ war und „durch geschultes Personal bedient worden“ ist? Ein ordnungsgemäß geeichtes und durch geschultes Personal (Verteidigung und Staatsanwaltschaft?) bedientes Gericht mag der Wunschtraum eines jeden Verteidigers sein, im Gesetz findet es aber keine Stütze…
Ist mir auch nicht aufgefallen 😉 🙁
Nachdem man sogar beim BGH ein „opus moderandi“ durch fünf Richter unterschreiben lässt und veröffentlicht ist das wohl verzeihlich…
Das geeichte Gericht ist ja fast so schön wie dieser legendäre Schreibfehler: „Auf den Angeklagten war Jugendstrafrecht anzuwenden. Zwar hatte er zur Tatzeit bereits knapp das achtzehnte Lebensjahr vollendet, jedoch erscheint er insbesondere im Hinblick auf seine problematische schulische Laufbahn und seinen Drogenkonsum in seiner Entwicklung derart zurückgeblieben, dass er noch einem Jugendrichter gleichzustellen ist.“
@ RA Ullrich: Ist der echt?
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Jaja… Bei diesen Autokorrektursystemen muss man halt die Hure bewahren und sich alles nochmal genau durchlesen! 😉