Als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 28.08.2018 – 4 StR 320/18. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen „schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt. Auch hier „meckert“ der BGH wegen der Strafzumessungserwägungen und stellt zwei Fehler fest. Nämlich:
- „a) Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung bei allen Taten zu Lasten des Angeklagten „auch bedacht, dass der Geschädigte [L. Z. ] zwar nach der Therapie von seiner Mutter als fröhliches Kind bezeichnet wurde, aber dass dadurch keinesfalls eine vollständige Heilung eingetreten ist. Vielmehr kann die schwere Verletzung seiner Integrität auch Jahre später und immer wieder sein Leben beeinflussen und ihn belasten. Gleiches gilt auch für die beiden Schwestern, die Geschädigten M. und S. Z. .“ Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht dem Angeklagten unzulässigerweise (§ 46 Abs. 3 StGB) den Strafzweck des § 176 StGB, der in dem Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 1998 – 4 StR 300/98, StV 1998, 656; vom 13. Juni 2000 – 4 StR 179/00, StV 2002, 74, 75; vom 20. August 2003 – 2 StR 285/03, NStZ-RR 2004, 41; vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 379/13), strafschärfend angelastet hat. Im Übrigen lassen diese Ausführungen auch besorgen, dass die Strafkammer verkannt hat, dass der Zweifelssatz uneingeschränkt auch für die Strafzumessung gilt (vgl. BGH, Urteile vom 28. Juli 1983 – 4 StR 310/83, StV 1983, 456; vom 15. Mai 1985 – 2 StR 149/85, StV 1986, 5). Kann das Gericht keine sicheren Feststellungen über Folgen der Tat treffen, darf sich dies nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken. Eine zum Nachteil des Angeklagten auf bloße Vermutungen hinsichtlich möglicherweise auftretender Spätfolgen der Tat gestützte Strafzumessung ist unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 1997 – 4 StR 601/96, NStZ 1997, 336, 337; vom 7. Juli 1998 und vom 20. August 2003, jeweils aaO).
b) Soweit der Generalbundesanwalt meint, hierauf beruhe der Strafausspruch nicht, jedenfalls seien die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn der Strafausspruch leidet an einem weiteren durchgreifenden Rechtsfehler: Das Landgericht hat im Rahmen seiner straferschwerenden Erwägungen weiter darauf abgestellt, dass der Angeklagte im Ermittlungsverfahren zunächst behauptet habe, die Geschädigten hätten seinen Misshandlungen durch ihr Verhalten zugestimmt. Wörtlich fährt es sodann fort: „Aufgrund dessen wurde ein aussagepsychologisches Gutachten zu allen Geschädigten eingeholt. Hierdurch mussten sich alle drei Kinder noch einmal intensivst mit den Taten auseinandersetzen.“ Auch diese Strafzumessungserwägung ist rechtsfehlerhaft. Die Glaubhaftigkeitsbegutachtung der Geschädigten war nur deshalb erforderlich, weil der Angeklagte die Taten abgeschwächt hat, wozu er hier befugt war. Ein zulässiges Prozessverhalten des Angeklagten darf aber nicht zu seinen Lasten bewertet werden, da hierin eine Beeinträchtigung seines Rechts auf Verteidigung läge (BGH, Beschlüsse vom 8. November 1995 – 2 StR 527/95, NStZ 1996, 80; vom 22. Mai 2013 – 4 StR 151/13, StraFo 2013, 340; vom 15. Oktober 2013 – 3 StR 282/13; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 272/13; vom 4. Februar 2014 – 3 StR 332/13).“
Also: Wieder Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot und Verwertung des zulässigen Prozessverhaltens zu Lasten des Angeklagten. Geht gar nicht und sollte man als Strafkammer wissen….